Wahlkampf 2013

Bundesregierung will drei Jahre nach Snowden verfassungswidrige Massenüberwachung legalisieren

08.06.2016: Zu den Plänen der Großen Koalition für ein neues Antiterrorpaket und ersten Entwürfen eines BND-Gesetzes erklären Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums über die Nachrichtendienste:

Vor drei Jahren veröffentlichte Edward Snowden Unterlagen, die der Welt Einblick in ein ungeahntes, massives, in weiten Teilen rechtswidriges, internationales Überwachungssystem gewährte. Diese Veröffentlichungen hatten einen massiven Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft in die Integrität der digitalen Kommunikationsinfrastruktur und in die Arbeit der Sicherheitsbehörden zur Folge.

Seit nunmehr rund zwei Jahren klärt der Bundestag mit dem ersten Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode in dieser Sache auf. Die Bundesregierung behindert die Arbeit des Parlaments bis heute massiv. Dennoch gelang es nachzuweisen, dass auch deutsche Nachrichtendienste Akteure in einem weltumfassenden Überwachungssystem sind. Deutlich wurde, wie bigott und irreführend die Haltung der angeblich von den Enthüllungen überraschten Regierung Merkel im Bundestagswahlkampf 2013 war. Inzwischen ist bewiesen, dass auch der BND Freunde und Partner in EU- und NATO-Staaten jahrelang systematisch ausgespäht hat.

Deutlich wurde auch, dass die Bundesregierung bezüglich ihrer Rechts- und Fachaufsicht nicht nur kläglich versagte, sondern dass das Kanzleramt klar rechtswidrige Praktiken des Bundesnachrichtendienstes über Jahre laufen ließ. Statt für die notwendigen rechtlichen Anpassungen zu sorgen und der Massenüberwachung einen Riegel vorzuschieben, stellte man "Freibriefe" aus und beförderte auf diese Weise verfassungswidrige Kooperationen mit US-und britischen Diensten auf Kosten des Grundrechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger.

Öffentlich versprach die Regierung danach umfassende Aufklärung, rechtsstaatliche Konsequenzen und Einhegungen der Dienste sowie eine verbesserte Kontrolle durch Kanzleramt und Parlament. Nun plant die Große Koalition offenbar, die verfassungswidrigen Praktiken des BND im Nachhinein zu legalisieren und ganze Bereiche geheimdienstlicher Tätigkeit beispielsweise durch bloße Abkommen auf Verwaltungsebene ("Memorandum of Understanding", MoU) der Parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Das ist eine Mißachtung des Parlaments; das wird sich der Bundestag nicht gefallen lassen.

Verlässt die Bundesregierung jetzt nicht endlich den Irrweg des freiheitsgefährdenden Kurses der letzten Jahre, dann wird das Vertrauen der Menschen in Schutz ihrer Daten, Infrastruktur und Sicherheitsbehörden weiter ausgehöhlt. Als Grüne Bundestagsfraktion werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in dieser Kernfrage der Rechtsstaatlichkeit für eine freie digitale Gesellschaft streiten und notfalls die Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht beklagen.