Wahlkampf 2013

Verkürzung der Rekonstruktionszeit von Stasi-Unterlagen

26.10.2000: Einsatz von Bildauswertungssystemen bei der Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Unterlagen

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem ich diesen Antrag gelesen hatte, habe ich nach dem Grund für diesen Antrag gesucht. Ich habe versucht, mich sachkundig zu machen. Ich dachte, dass bei der Gauck-Behörde vielleicht schon lange das Bedürfnis besteht, neue Maschinen einsetzen bzw. dieses Verfahren einführen zu können, dass sich aber die böse Bundesregierung aufgrund des unendlichen Sparzwanges weigert, dafür Geld herauszurücken.

Wir haben uns also nach dem Grund erkundigt. Die Nachricht, die wir - wahrscheinlich auch Sie - daraufhin von dieser Behörde bekommen haben, war, dass sie das gar nicht beantragt hat und es dort auch große Zweifel gibt, ob das überhaupt sinnvoll ist.

(Ulla Jelpke [PDS]: Peinlich!) Ich frage mich: Warum diskutieren wir dann im Deutschen Bundestag darüber?

(Beifall bei Abgeordneten der PDS.)

Es ist jetzt zwar schon spät am Abend, aber trotzdem wird man diese Frage stellen dürfen.

Ich bin nun kein Spezialist für Akten der Gauck- Behörde.

(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Interpretationskünstler sind Sie!)

Aber ich habe gelernt, dass es mindestens drei verschiedene Kategorien von Akten gibt: Zu der ersten Kategorie gehören die aufgearbeiteten Akten; diese sind zugänglich und werden auf Anfragen von Personen oder Behörden zur Verfügung gestellt. Zur zweiten Kategorie gehören die Akten, mit denen bis heute nicht recherchiert werden kann. Diese Akten können bei Auskünften über oder bei Anfragen von Personen aus der ehemaligen DDR nicht hinzugezogen werden, weil sie noch gar nicht zugänglich sind. Die dritte Kategorie stellen die Papierschnipsel dar.

Bei der zweiten Kategorie geht es um 64 000 Meter - ich habe immer gedacht, da sei vielleicht eine Null zu viel -, also um 64 Kilometer, Akten. 64 Kilometer sind ganz schön lang. Ich müsste mit meinem Fahrrad eine ganze Woche radeln, allein um daran vorbeizufahren

(Rainer Funke [F.D.P.]: Ein bisschen tüchtiger dürften Sie schon sein!)

ich fahre nicht so schnell -, abgesehen von der Zeit, die ich bräuchte, um diese Akten zu lesen, damit zu arbeiten. Diese Akten sind bis heute nicht so aufbereitet, dass man etwas mit ihnen anfangen kann. Herr Kollege Büttner, dafür, was man machen kann, um diese Akten schnell der Gauck/Birthler-Behörde zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellen zu können - diese Akten machen einen sehr viel größeren Teil aus als die Akten, um die es Ihnen mit Ihrem Antrag geht -, haben Sie kein Konzept. Nein, Sie sagen: "Hier haben wir noch 15 600 Säcke" - minus 183 Säcke, da der Inhalt dieser Säcke schon zusammengesetzt wurde. Sie möchten also durch das Zusammensetzen der Seiten für 4 000 Meter Akten zusätzlich sorgen. Das macht noch einmal einen halben oder einen ganzen Tag Radfahren aus. Ich kann wenig Sinn darin sehen; dies bezieht sich auch auf die Methode. Dies wurde mir auch von der Gauck-Behörde mitgeteilt: Man hat sich bei Computerunternehmen erkundigt, welche modernen Anlagen es gibt, um diese Papierschnipsel so aufbereiten zu können, dass man wieder vollständige Seiten hat und etwas damit anfangen kann. Aber seitens der Behörde wird gesagt: Das nützt uns überhaupt nichts. Selbst wenn alle diese Seiten wieder zusammengesetzt worden sind - also nicht diese 183 Säcke, sondern auch der Rest -, dann werden diese erst einmal zu den 64 000 Metern Akten gelegt; anders geht es nicht. Somit kommen noch einmal circa 4 000 Meter hinzu. Ich frage mich: Ist es wirklich sinnvoll, dafür 150 Millionen DM auszugeben? Wäre es nicht viel sinnvoller und richtiger, erst einmal den anderen riesigen Berg an Akten zugänglich zu machen?

Wir müssen also erst einmal bei der zweiten Kategorie der Akten weiterkommen. Ich glaube, dass wir uns auf das Urteil der Fachleute der Gauck/Birthler-Behörde verlassen können. Bisher sagen sie: Wir brauchen eine solche Anlage nicht. Die Maschinen erleichtern uns allenfalls das Zusammensetzen der Akten, aber nicht die Verwertbarkeit, dass man recherchieren kann.

Solange das nicht geschieht, sollte man - so denke ich - die Arbeit erst einmal darauf konzentrieren - immer mit dem guten Rat der Gauck-Behörde -, was man zunächst macht, wofür man zunächst Geld ausgibt und was man in den nächsten Jahren leisten kann. Sie haben da eine Rechnung mit 365 oder 375 Jahren aufgemacht. Sie haben keine Rechnung aufgemacht, wie lange es eigentlich noch dauert, bis diese 64 000 Meter Akten der Recherchierbarkeit, der Nutzbarkeit zugeführt werden können. Das wird wahrscheinlich noch ein viel längerer Zeitraum sein.

Wir sollten diesen Antrag angesichts der hohen Kosten und der möglichen Sinnlosigkeit sehr kritisch prüfen, sollten den guten Rat der Gauck-Behörde einholen und sollten fragen: Haltet ihr das wirklich für erforderlich oder ist es nicht besser, den einen oder anderen Mitarbeiter zusätzlich bei der Gauck-Behörde einzustellen, der erst einmal dafür sorgt, dass man mit dem Material auch etwas anfangen kann, dass man es zu den Zwecken nutzen kann, für die es die Gauck-Behörde gibt? Deshalb haben wir große Skepsis. Aber wir haben noch Gelegenheit, darüber zu reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)