Wahlkampf 2013

Rede zur Änderung des Parteiengesetzes

19.04.2002: Rede zur zweiten und dritten Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Röttgen hat den wahren Grund nicht genannt, warum die CDU/CSU dem Gesetzentwurf doch zustimmt. Herr Kollege Röttgen, ich erinnere mich sehr gut an die Verhandlungen und auch an die Entwicklung der Verhandlungen. Am Anfang waren Sie es, der ganz strikt gegen jede strafrechtliche Sanktion in diesem Parteiengesetz gewesen ist. (Zustimmung bei der SPD) Sie mussten von allen anderen zum Jagen getragen werden. Wissen Sie, warum Sie jetzt zustimmen? Weil auch Sie festgestellt haben, dass die Bevölkerung wie bei keinem Gesetz vorher von uns allen verlangt, dass wir etwas tun und alle gesetzgeberischen Möglichkeiten nutzen, um in Zukunft solche Spendenskandale, solche Korruption und solche Ereignisse der gekauften Politik einer Bundesregierung zu verhindern. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das ist die Forderung an uns, den Gesetzgeber. Dieser Forderung konnten Sie sich nicht entziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS - Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Welche Bundesregierung war denn gekauft?) Herr Kollege Röttgen, wir haben ja gestern im Ausschuss dazu noch einmal eine Auseinandersetzung gehabt. Um es gleich zu Beginn zu sagen: Auch ich bin dafür, dass die Kollegin Wettig-Danielmeier und der Kollege Müntefering noch einmal im Ausschuss gehört werden. Aber verschweigen wir doch nicht, dass bei ihnen niemals der Verdacht bestanden hat, dass sie von einem Waffenhändler eine Einflussspende in Höhe von 100 000 DM bekommen haben und dass sie diese 100 000 DM zunächst ein Jahr verborgen gehalten haben, bis sie sie aus dem Tresor herausgeholt und versucht haben, sie in das Rechenwerk der Partei zu schmuggeln. Da besteht ein entscheidender Unterschied. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es gibt Leute, die hier Parallelen ziehen wollen, weil es sich auf der einen, aber auch auf der anderen Seite um eine Schatzmeisterin handelt. Bei der SPD besteht jedoch ein entscheidender Unterschied zu dem, was wir von der CDU gewohnt gewesen sind. Wir haben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versucht, ganz konkret anhand der einzelnen Fälle die Konsequenzen aus den Parteispendenskandalen der letzten Jahre und auch der letzten Wochen zu ziehen. Ich sage Ihnen: Wenn es das Gesetz in dieser Form bereits 1994 gegeben hätte, wenn also bei der letzten Novellierung des Parteiengesetzes so etwas beschlossen worden wäre, dann müssten wir heute nicht darüber rätseln, ob Frau Baumeister, Ihre ehemalige Schatzmeisterin, oder Herr Dr. Schäuble Recht hat bzw. welche Variante in Bezug auf die 100 000-DM-Spende des Waffenhändlers Schreiber stimmt. Wenn das Gesetz schon damals in der heute vorgesehenen Form gegolten hätte, hätten sie eine Barspende, von mehr als 1 000 Euro gar nicht annehmen dürfen. Eine Einflussspende hätten sie überhaupt nicht annehmen dürfen. Übrigens durften sie das auch schon nach dem alten Gesetz nicht. Wenn ein Betrag von mehr als 50 000 Euro gespendet worden wäre, hätten sie dies sofort und unverzüglich an den Bundestagspräsidenten melden müssen und der hätte dies veröffentlichen müssen. Wir hätten dann schon bei der Wahl von 1994 von der Schreiber-Spende an Schäuble gewusst. Frau Baumeister und Herr Dr. Schäuble hätten sich schon 1994, hätte es die neuen gesetzlichen Bestimmungen bereits gegeben, strafbar gemacht. Wir bringen einen solchen Gesetzentwurf ein, damit so etwas, wie wir es von Ihrer Seite 1994 erlebt haben und jetzt mühsam aufarbeiten, nicht wieder vorkommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wenn dieses Gesetz 1994 gegolten hätte, dann hätte der damals amtierende Bundeskanzler in seinem Amtszimmer Amtszimmer nicht mit der einen Hand wichtige Gesetze zur deutschen Einheit unterschreiben können und mit der anderen Millionenbeträge in bar annehmen können. Er wäre dann nämlich nicht straflos geblieben. Wenn dieses Gesetz 1994 gegolten hätte, dann hätte Herr Dr. Kohl eine Straferwartung gehabt, die in etwa an die Höchstgrenze von drei Jahren, die in unserem neuen Gesetz vorgesehen ist, gereicht hätte, weil er das Gesetz, wenn es schon damals gegolten hätte, mehrfach und beharrlich über Jahre hinweg gebrochen hatte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Lothar Mark [SPD]: Er hat es vorsätzlich gebrochen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Er bricht es immer noch!) und die Absicht hatte, die Herkunft dieser Spenden zu verschleiern und die Rechenschaftslegung zu umgehen. (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wo ist denn Kohl heute? - Gegenruf des Abg. Albert Deß [CDU/CSU]: Wo ist der Müntefering?) Wir haben eine ganze Reihe von Erfahrungen auch aus den letzten Wochen berücksichtigt. Auch die Herren Rüther und Biciste wären nach diesem Gesetz strafbar. Die Staatsanwaltschaft in Köln hätte keine Probleme. Denn die Herren Rüther und Biciste haben vorsätzlich, um die Herkunft der Spenden zu verschleiern, Beträge gestückelt und falsch verbuchen lassen. Auch die, die in Kenntnis dieses Vorganges mitgewirkt haben, zum Beispiel weil sie Spendenquittungen angenommen haben, obwohl sie überhaupt keine Spende gemacht haben, wären im Rahmen der dortigen Vorgänge wegen Beihilfe strafbar. Das heißt, wir haben die Strafvorschriften noch in den letzten Wochen aus den Erkenntnissen heraus, die wir jede Woche neu gewonnen haben, verschärft und eine Strafbarkeit auch auf der untersten Ebene eingerichtet. Da war die Einsicht da, dass wir uns dem Willen der Bevölkerung nicht entziehen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben auch der CSU eine eigene Vorschrift gewidmet. Wir haben in den Gesetze ntwurf nämlich eine Vorschrift aufgenommen, nach der dann, wenn die Werber mehr als 25 Prozent der eingeworbenen Spende erhalten, die Spende nicht angenommen werden darf. Das ist richtig und schon deshalb zwingend erforderlich, weil wir wissen, dass jede Partei für die eingeworbenen Spenden einen staatlichen Zuschuss in nicht unbeträchtlicher Höhe erhält. Das heißt, Sie bei der CSU haben eine Praxis ausgeübt, nach der Spenden eingeworben worden sind, 40 bis 60 Prozent davon an Werber abgegeben worden sind, Sie aber dafür die vollen Subventionen aus der Staatskasse, also aus Steuermitteln, einkassiert haben. Das war - unabhängig davon, ob es strafbar ist - nicht in Ordnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir haben in dem neuen Gesetz, das ab 1. Juli dieses Jahres gelten soll, eine Vorschrift, nach der es in Zukunft nicht mehr möglich ist, das zu tun, was Herr Kanther und Prinz zu Sayn-Wittgenstein in Hessen praktiziert haben, nämlich Gelder in Höhe von mehrstelligen Millionenbeträgen in der Schweiz zu waschen, sie zurückzuführen und immer vor Wahlkämpfen, immer wenn sie Geld brauchten, in Deutschland in die Kassen der CDU mit der unverschämten Behauptung hineinzuschmuggeln, es handele sich hier um Erbschaften oder Vermächtnisse jüdischer Herkunft. (Zuruf von der SPD: Unglaublich!) Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Dieser Praxis haben wir einen Riegel vorgeschoben, weil jetzt im Gesetzentwurf steht, dass Vermächtnisse und Erbschaften mit dem Namen und der Adresse des Erblassers genannt werden müssen. Diese Praxis werden Sie nicht mehr fortsetzen können, weder in Hessen noch sonstwo. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der SPD: Wo ist der Rücktritt?) Wir haben das Selbstverständliche in den Gesetzentwurf hineingeschrieben. Wir mussten es hineinschreiben, weil das Verwaltungsgericht in Berlin die Auffassung vertreten hat, auch ein unrichtiger Rechenschaftsbericht würde die Voraussetzungen für eine wirksame Einreichung eines Rechenschaftsberichtes erfüllen. (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eine schwachsinnige Auffassung! Eine interessengeleitete Auffassung!) Jetzt steht das Selbstverständliche im Gesetzentwurf. Natürlich muss ein Rechenschaftsbericht wahrheitsgemäß sein, nach bestem Wissen und Gewissen der Personen, die diesen Rechenschaftsbericht unterschrieben haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade, dass das keine Selbstverständlichkeit war!) Es stimmt zwar, dass das, was die Sozialdemokraten zum Teil praktiziert haben - ich sage das ausdrücklich und habe es immer wieder gesagt -, nicht gegen das geltende Parteiengesetz verstoßen hat. Aber mit dem Grundgedanken des Art. 21 des Grundgesetzes war nicht zu vereinbaren, dass sie ihre Vermögensverhältnisse und ihre Einkommen aus Vermögen nicht schonungslos dargelegt haben, dass sie saldiert haben, sodass die Bürgerinnen und Bürger, die diese Rechenschaftsberichte gelesen haben, nicht wissen konnten, wieviel Geld nun tatsächlich der Sozialdemokratischen Partei zugewachsen ist. Es ist richtig und wichtig, dass in Zukunft jeder Bürger und jede Bürgerin weiß, woher sich eine Partei finanziert, und dass sie diese Kenntnis bzw. dieses Wissen bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen können. Die Sozialdemokraten - das muss ich aus meiner Erfahrung aus allen Verhandlungen sagen - haben sich von der ersten Minute an, seit wir über dieses Gesetz diskutiert und es beraten haben - lange bevor Sie von der CDU/CSU dabei gewesen sind -, mit dieser Regelung einverstanden erklärt. Ich erinnere mich an eine der Verhandlungen der letzten Tage: Sie haben sich auch damit einverstanden erklärt, dass nicht nur ihre Beteiligungen an Unternehmen, die Presseerzeugnisse herausgeben, offen gelegt werden, sondern sie haben auch angeboten - von Ihnen kam die Aussage, dass das ein sehr gutes Angebot sei, das Sie erfreut annehmen -, dass die Hauptprodukte dieser jeweiligen Unternehmen im Rechenschaftsbericht genannt werden müssen. Damit wird die Forderung, die im Grundgesetz steht, dass die Hintergründe und die Herkunft des Vermögens der Parteien transparent gestaltet werden müssen, sodass alle wissen können, was hinter einer Partei steht, was hinter einer Zeitung steht und ob es da Zusammenhänge gibt, tatsächlich erfüllt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Abschließend stelle ich fest: Die Bündnisgrünen, früher die Grünen, haben in den 80er-Jahren durch zwei Klagen beim Bundesverfassungsgericht mit dafür Sorge getragen, dass die Finanzen der Parteien immer mehr so gestaltet worden sind, dass sie der Verfassung, dem Grundgesetz, entsprechen. Zwei Klagen beim Bundesverfassungsgericht waren dafür erforderlich. Die Bündnisgrünen haben in der letzten Legislaturperiode Vorschläge gemacht, wie man die Transparenz der Finanzen der Parteien verbessern kann. In dieser Legislaturperiode haben die Bündnisgrünen mit dafür gesorgt, dass die Parteifinanzen transparent sind und die Herkunft der Mittel und das Vermögen einer Partei, wie es das Grundgesetz vorschreibt, offen gelegt werden. Wir wollen dort weitermachen, weil wir natürlich wissen, dass auch die Vorschriften, die wir heute beschließen, nicht alles verhindern können. Sie können keinen Gesetzesbruch verhindern und können auch nicht verhindern, dass immer wieder neue Schlupflöcher gesucht werden. Wir werden aber wachsam sein und, wenn es erforderlich ist, erneut einen Untersuchungsausschuss fordern, auch im nächsten Deutschen Bundestag. Dann werden wir Nachbesserungen fordern. Wir sehen uns gegenüber der Bevölkerung verpflichtet, das Grundgesetz ernst zu nehmen und allen Wählerinnen und Wählern rechtzeitig mitzuteilen, wer finanziell hinter welcher Partei steckt. Das ist für eine Wahlentscheidung nicht nur wichtig, sondern kann sogar ausschlaggebend sein. Präsident Wolfgang Thierse: Herr Kollege Ströbele, Sie müssen zum Schluss kommen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)