Wahlkampf 2013

Bundestagsrede von Hans-Christian Ströbele zur Entwicklungspolitik

12.02.2004: Rede von Hans-Christian Ströbele zur Entwicklungspolitik, HIV-AIDS-Bekämpfung und zur Situation in der Demokratischen Republik Kongo (Drucksachen 15/2408, 15/2396, 15/2395, 15/2479)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle einig: Die Demokratische Republik Kongo gehört nicht nur zu den größten Ländern Afrikas, sondern auch zu den Ländern, die nach der Kolonialzeit zu den größten Hoffnungen Anlass gegeben haben. Die Demokratische Republik Kongo hätte ein Land sein können, das nach der Kolonialzeit keiner Entwicklungszusammenarbeit oder jedenfalls keiner Entwicklungshilfe mehr bedurft hätte, weil es ungeheuer viele eigene Ressourcen in Form von Bodenschätzen wie Diamanten, Kupfer, Coltan und Gold besitzt, die ausgebeutet wurden und viele Menschen - aber zuletzt die Kongolesen selbst - haben reich werden lassen.

Die Demokratische Republik Kongo ist bis heute leider nicht das Land geworden, das es hätte werden können, nämlich ein Land mit unabhängiger Entwicklung und Fortschritt für den Wohlstand der Menschen, ein friedliches Land. Die Republik Kongo ist zu einem der schlimmsten Orte des von Krieg, Vertreibung und Zerstörung geprägten Kontinents geworden. Ein solches Land wird man in Afrika an anderer Stelle kaum finden. Die Situation in den letzten Jahrzehnten in der Demokratischen Republik Kongo ist zu Recht mit der Situation in Europa während des Dreißigjährigen Krieges verglichen worden. Die staatlichen Strukturen sind fast völlig zerstört und die Lebensgrundlagen für große Teile der Bevölkerung vernichtet worden. Die Menschen in diesem Land haben von dem Reichtum dieses Landes so gut wie nichts abbekommen.

Welches sind dafür die Gründe? Die Gründe waren wahrscheinlich auch - so zynisch das klingt - der Reichtum dieses Landes, weil die ökonomischen Interessen vieler anderer Länder aus Europa, aber auch aus Afrika an die Entwicklung dieses Landes geknüpft waren. Die ehemaligen Kolonialherren wie auch andere europäische Länder haben in der Folgezeit die Ausbeutung dieses Landes fortgesetzt und zu Kriegen mit Millionen von Toten beigetragen.

Nun dürfen wir aber nicht - darin unterscheidet sich Ihr Antrag von dem Antrag der Koalition - vergessen, dass auch Kongolesen an dem Entstehen der heutigen Situation im Kongo beteiligt gewesen sind. Schließlich ist Lumumba im Kongo ermordet worden. Schließlich ist Mobutu als Diktator in der Demokratischen Republik Kongo zu einem ganz wesentlichen Anteil an der Unterdrückung der Bevölkerung und der Ausbeutung des Landes durch auswärtige Staaten beteiligt gewesen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Laurent Kabila, also der Vater des jetzigen Präsidenten Joseph Kabila, der zunächst zu großen Hoffnungen Anlass gegeben hatte, ein Regime errichtet hat, das bekämpft werden musste. Wir wissen auch, dass im Kongo Konflikte der Region der Großen Seen durch die Nachbarstaaten mit ausgetragen werden. So stationierten beispielsweise Ruanda, Uganda, Burundi, Simbabwe und Angola im Kongo Soldaten, die dort mit Waffengewalt nicht nur eigene Interessen, sondern ebenso die der jeweiligen Staaten wie auch die einzelner Gruppen im Kongo durchzusetzen versuchten.

Wir haben jetzt die Chance - darüber ist gesprochen worden -, eine friedliche Entwicklung im Interesse der Bevölkerung zu erreichen, bei der der Reichtum des Kongos den Menschen dieses Landes zugute kommen könnte. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. Ich sehe den wesentlichen Unterschied zwischen den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion und der Koalition zunächst darin, dass wir einiges aufgelistet haben, was in den letzten Jahren positiv geleistet wurde, und zwar nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den Abgeordneten dieses Parlaments.

Erinnern wir uns doch daran - es ist richtig, dass das in dem Antrag steht -, dass die Aktion ARTEMIS dazu beigetragen hat, das Völkermorden in diesem Lande zu beenden, und dass diese Aktion vom deutschen Parlament mitgetragen worden ist. Erinnern wir uns an die vielen Reisen, die von Abgeordneten dieses Parlaments unternommen worden sind - auch in die Nachbarländer des Kongo -, bei denen wir alle darauf gedrungen haben, dass etwa Ruanda, Uganda oder Burundi ihre Soldaten aus dem Kongo abziehen und damit helfen, eine friedliche Lösung zu erreichen. Nicht nur die Minister waren dort, sondern auch Abgeordnete haben ihren Teil dazu beigetragen. Stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel. Die Gespräche, die wir heute noch führen, die Gespräche, die wir letzte Woche mit Herrn Kabila und seiner Crew geführt haben, und die Gespräche, die wir im April auf unserer nächsten Reise in den Kongo und nach Ruanda führen werden, können zu einer vernünftigen, friedlichen und im Interesse der Bevölkerung liegenden Entwicklung im Kongo beitragen.

Lassen Sie mich zuletzt auf einen wesentlichen Punkt hinweisen,

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Ströbele, Ihre Redezeit ist überschritten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

der mir als Grünem, dem Kollegen Ruck und den Kollegen von der SPD besonders am Herzen liegt. Der Kongo ist auch ein Land, in dem die Natur, die Fauna und die Flora, eine zentrale Rolle spielen können und sollen. Lassen Sie uns dazu beitragen, dass das große und wichtige Projekt der GTZ in Kahuzi-Biega erfolgreich fortgeführt wird. Wir haben es in all den Jahren des Krieges erhalten können. Wir wollen, dass dieses Projekt ausgeweitet wird und der Reichtum der Region und dem Land zugute kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)