Gegen Vertreibung - Für ein sozial-gerechtes Wohnungs-Mietrecht!
02.07.2009: In der Plenarsitzung machte Christian auf die dramatische Mietentwicklung und zunehmende Bevölkerungsvertreibung in Friedrichshain-Kreuzberg aufmerksam und stellte einen umfassenden Forderungsskatalog für mehr Rechte der Mieterinnen und Mieter dar.
"Ich stimme gegen den Antrag der FDP und für die ablehnende Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Die FDP will energetische Haussanierungen auch gegen den Willen der Mieter erleichtern, diesen dann ihr Mängelminderungsrecht selbst bei Unbewohnbarkeit der Mieträume streichen sowie die behaupteten Investitions- und Folgekosten pauschaliert leichter auf die Mieter abwälzen, ohne dass diese die Kosten voll überprüfen dürfen.
Demgegenüber halte ich für richtig: Bei Modernisierungen soll die Miete gemäß § 559 BGB höchstens um jährlich 11 Prozent nur der real und belegt aufgewendeten Kosten 9 Jahre lang statt dauerhaft erhöht werden dürfen, dies aber nur bis zu einer Kappungsgrenze bis 10 Prozent über der vorherigen Nettokaltmiete.
Ich stimme auch deshalb gegen diesen FDP-Antrag, weil ich entgegen dessen Zielrichtung, Mieter mit höheren Mieten zu belasten, eine Entlastung der Mieter und Mieterinnen gerade in begehrten Innenstadtlagen wie Berlin-Friedrichshain, -Kreuzberg oder -Prenzlauer Berg für dringlich halte. Dort herrscht europaweit eine der höchsten Bevölkerungsdichten, doch bundesweit mit die niedrigsten Durchschnittseinkommen. Immer höhere Einkommensanteile müsse für Mieten ausgegeben werden.
Bei Neuvermietungen springen die Mieten teils über 50 Prozent höher. Immobilienunternehmer schätzen, dass sich die Kreuzberger Mieten in den nächsten 10 bis 15 Jahren verdoppeln, wenn kein Einhalt geboten wird. In einzelnen Gegenden wird bezahlbarer Wohnraum für oft alteingesessene Geringverdiener knapp; diese werden durch finanzstarke Zuzügler verdrängt. In ganz Berlin gab es von 2006 auf 2007 zwar 43.000 mehr Haushalte, doch nur knapp 10 000 mehr Wohnungen. Obwohl hier nur 83 Prozent des deutschen Durchschnitts verdient wird, stiegen die Angebotsmieten von 2007 auf 2008 nochmals um 6 Prozent.
Auch bundesweit sind Mieterinnen und Mieter durch solch teils rasante Steigerungen von Grundmieten und Nebenkosten großem Vertreibungsdruck ausgesetzt. So werden gewachsene Bevölkerungsstrukturen entmischt; dies verursacht viele Folgeprobleme, unter anderem eine Konzentration finanziell schwächer gestellter und teils sozial problematischer Mieterinnen und Mieter in bestimmten Gegenden.
Gegen solche Entwicklungen sind - ganz anders als der FDP-Antrag bezweckt - nach meiner Überzeugung folgende weitere Maßnahmen erforderlich:
Bei Neuvermietungen darf eine erhöhte Miete nur bis zum Mittelwert des jeweiligen Mietspiegels gefordert werden, um bisherige erhebliche Mietpreissprünge anlässlich Mieterwechseln zu vermeiden.
Die Kappungsgrenze für reguläre Mieterhöhungen soll innerhalb von 3 Jahren nicht bis zu plus 20 Prozent betragen dürfen, sondern nur bis zur addierten durchschnittlichen Inflationsrate dieser Jahre, also zum Beispiel für 2006/7/8 etwa 6,5 Prozent.
Durch Änderung des Baugesetzbuchs sollen wieder Mietpreisobergrenzen in Sanierungsgebieten zugelassen werden zum Schutz vor dortiger Verdrängung finanziell schwächer gestellter MieterInnen - "Gentrification".
Aus den gleichen Gründen soll in Milieuschutzgebieten vor allem zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 4 BauGB eine Festlegung von Mietobergrenzen ermöglicht werden bei einer maximalen Mietbelastung von 25 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens.
Gegen Leerstand von Sozialwohnungen und Entmischung von Wohngebieten sollen im sozialen Wohnungsbau Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen generell gelten und niedrig angesetzt werden und solche Wohnungen umgehend in das Vergleichsmietensystem überführt werden, deren Mieten rechnerisch bereits über dem Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
BewohnerInnen, die solche Miete nicht aufbringen können, sollen gezielte staatliche Zuwendungen erhalten."
(230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009)