Wahlkampf 2013

Ströbele auf Großdemo gegen G20 und Besuch Schanzenviertel

11.07.2017: Lesen Sie hier den Bericht von Hans-Christian Ströbele von der Großdemonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20". Nach der Demonstration besuchte Ströbele das Schanzenviertel in dem es am Abend vorher zu schweren Ausschreitungen kam:

  

Ich hatte mit meinem Mitarbeiter Andreas am Bahnhof Fahrräder gemietet, um mobil zu sein. Eine halbe Stunde vor Beginn der Demo gelangten wir durch mit Demonstranten verstopfte Zugangsstraßen an die Spitze. Ich traf dort den Veranstalter, Kollegen Jan van Aken, informierte mich in vielen Gesprächen mit Demonstranten, Journalisten und Berliner Polizisten, die vor dem Zug postiert waren. Die Stimmung bei den Demonstranten war locker, gelöst, aber politisch engagiert und überhaupt nicht angespannt oder gar aggressiv. Das Bild des sich formierenden Demozuges war bestimmt von unendlich vielen bunten Fahnen und Transparenten mit politischen Parolen und Sprüchen gegen den G-20. Wir gingen mit dem Demo-Zug mehrere Kilometer. Dann beobachteten wir mehr als eine Stunde die in dichten 20ziger Reihen vorbeiziehenden Menschen, um einen Eindruck von der Größe der Demo zu bekommen. Ich schätzte diese mit mehr als Hunderttausend. Wir begleiteten die Demo bis zum Endplatz und radelten dann zum Schanzenviertel die Schanzenstraße entlang bis zur S-Bahn. An der Ecke Schulterblatt habe ich in der Pizzeria Kakao getrunken. Fazit nach meinen Beobachtungen und Duzenden von Gesprächen: Zerstörte Viertel habe ich nicht gesehen. In der Schanzenstraße sah ich ein halbes Duzend Läden mit Spanplatten vor den Fenstern und einige quer über die Straße reichende geschmolzene Brandstellen des Pflasters. Anwohner und Besucher berichteten von heftigen Auseinandersetzungen in der Nacht, Bränden von Autos und Barrikaden, Zerstörungen von Läden und Plünderung. Ihre Kommentare reichten von unverständigem Kopfschütteln, bis zu Entsetzen und heftigem Verurteilen. Völlig klar ist auch für mich, dass solche Aktionen und das Anzünden von Autos, Zerstören von Geschäften und Plünderungen keine Demonstrationsmittel sondern Straftaten sind. Aber das darf nicht den Eindruck schmälern der Hundertausend von G 20-Kritikerinnen und Kritikern, die gestern in Hamburg vollkommen friedlich und kreativ ihre vielfältige Ablehnung der Politik der selbsternannten Weltregierung "G 20" gezeigt haben. Dieser Protest sollte die G-20-Chefs beeindrucken und zum Nachdenken bringen. Trotz all der Widrigkeiten waren so viele Menschen bei der Großdemo! Nur eine wirkliche Wende hin zu einer fairen Handesspolitik kann vor allen den Menschen in den Ländern des Südens helfen, Krisen und Kriege vermeiden, Fluchtgründe bekämpfen und den Planeten vor dem Klimawandel bewahren. Der G-20 Gipfel hat dagegen wieder nichts gebracht, aber viel gekostet - nicht nur viel Geld. Zu den Polizeieinsätzen bleiben Fragen: Wo blieb der Grundsatz der Deeskalation und der Verhältnismäßigkeit? Warum wurde schon ganz zu Anfang die "Welcome to Hell"-Demonstration gestoppt und zerschlagen wegen Vermummung von Teilnehmern in einigen Reihen. Warum wurde die Expertise und Erfahrung der Berliner Polizei in Sachen Deeskalation bei Großdemonstrationen nicht abgerufen und stattdessen bei geringen Verstößen auf repressive Härte gesetzt? Warum wurde Freitagnacht über Stunden nichts gemacht?