Wahlkampf 2013

Rede zum Gesetz zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften

19.10.2001: Rehabilitierungsgesetzeänderungsgesetz: Fristverlängerung für die Stellung von Entschädigungsanträgen.

Ich könnte dem Kollegen Professor SchmidtJortzig fast meine Anerkennung aussprechen. Er hat aus seiner Zeit als Justizminister offensichtlich seine Wiedervorlagemappe für ablaufende Gesetze bei sich behalten.

In der Tat stehen die Änderungen der Fristen in den drei genannten Rehabilitierungsgesetzen auf der Tagesordnung. Es gibt dazu auch die Grundsatzabsprache innerhalb der Koalition über eine Verlängerung, zumindest der Fristen des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes.

Lassen Sie mich zu diesem leidigen Thema der Fristen ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Ich habe insgesamt immer große Probleme mit den Befristungen von Rehabilitierungsleistungen und Rentenansprüchen. Ich kenne zu gut das elende Gewürge bei der Verlängerung der Fristen beim Bundesentschädigungsgesetz. Auch hier folgten immer wieder neue Verlängerungen. Es ist ein grundlegender Irrtum zu glauben, Geschichte durch Befristungen abhandeln zu können. Je ungeduldiger und drängender man das versucht, umso heftiger wird einen die Geschichte einholen. Die Geschichte hat auch gerade in ihren tragischen Teilen ein Gesicht: Das sind die Opfer von Verfolgung.

Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Opfer von Verfolgung nicht im Takt bundesdeutscher Bürokratie denken und handeln. Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die für ihr Leben gezeichnet sind durch das, was ihnen widerfahren ist. Sie haben alle traumatische Erfahrungen mit dem Staat gemacht. Wenn ich mir das Elend bei der Anerkennung von Gesundheitsschäden durch so genannte Sachverständige ansehe, kann ich das Misstrauen der Betroffenen sogar verstehen.

Diese Probleme bei der Befristung waren schon von Anfang an klar. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie einmal in den alten Protokollen nach, was Wolfgang Ullmann schon bei der Verabschiedung des ersten Unrechtsbereinigungsgesetzes im Oktober 1992 dazu gesagt hat. Immer wieder hat er den damaligen Gesetzgeber vor zu engen Befristungen gewarnt. Die Karriere der Rehabilitierungsgesetze hat ihm voll Recht gegeben.

Es waren aber die Justizminister der FDP, namentlich Herr Kinkel, Frau Leutheusser-Schnarrenberger und zuletzt Herr Schmidt-Jortzig, die seit nunmehr neun Jahren die Praxis der kurzen Fristen begründet haben. Alle Jahre wieder sitzen wir seitdem zusammen und verlängern vor uns hin. Dabei wissen wir alle genau, dass sich die Opfer von Verfolgung und staatlicher Gewalt nicht allein anhand abstrakter Normen an den Staat wenden, sondern wenn es ihre persönliche Aufarbeitung der Leidensgeschichte zulässt. Wer erst nach Jahren die Kraft hat, einen Antrag auf Einblick in die Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen zu nehmen und auf diese Erkenntnisse sein Rehabilitierungsverfahren . etwa für berufliche Benachteiligungen . aufzubauen, sollte dafür nicht bestraft werden. Das Gleiche gilt auch für einen Berufstätigen, der erst beim Eintritt in die Rente so weit ist, einen Ausgleich für die Verfolgung zu beantragen. Daraus sollte man den Menschen keinen Vorwurf machen und schon gar keinen Nachteil entstehen lassen.

Dieses ewige Hin und Her bei den Antragsfristen ist aus drei Gründen ein rechtspolitisches Ärgernis. Zum einen wissen die Opfer, um die es uns geht, nicht, woran sie sind. Diese Praxis trägt nicht zur Beruhigung und zur Sicherheit, sondern zu Misstrauen und Verwirrung bei. Zweitens. Der Staat selbst macht sich nicht glaubwürdiger, wenn er mal so, mal so agiert. Jeder Frist ist willkür- lich . die Verlängerung ist es letztlich auch. Warum drei Jahre, warum nicht fünf oder zehn Jahre? Drittens. In Erwartung der ablaufenden Fristen haben die Länder mitt- lerweile ihre Rehabilitierungsbehörden abgebaut. Das heißt natürlich auch, dass immer weniger kompetente Stellen für die Betroffenen zuständig sind. Das ist auch der Grund, warum wir im Ergebnis nicht zu der von mir gewünschten völligen Aufhebung der Fristen gelangen, sondern wieder nur zu einer befristeten Verlängerung.

Ich denke, wir werden im Ausschuss keine Mühe haben, uns zügig zu verständigen und eine einvernehmliche Lösung im Interesse der Betroffenen zu finden.