Wahlkampf 2013

Gesetz zur Sicherung der Pressefreiheit

08.03.2001: Tatverdachtsschwelle für Beschlagnahmen bei Journalisten - Straftatbestände, die ein Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten ausschließen

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!.

In einem Punkt gebe ich dem lieben Kollegen Geis Recht:

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD)

Dieses Gesetz ist so gut, dass es in einer früheren Stunde in diesem Haus hätte verhandelt werden müssen und es auch verdient hätte, von mehr Abgeordneten behandelt und diskutiert zu werden.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es kommt doch auf die Qualität an!)

In dem Punkte haben Sie Recht.

Dies ist nämlich ein guter Tag nicht nur für Journalisten, sondern für die vierte Gewalt im Staate insgesamt, für die Rechtskultur und für die Presse und die Medien in diesem Lande. Denn es geht nicht nur um Journalisten und auch nicht nur um die Informanten, um die Gewährsleute von Journalisten, sondern auch darum, die Presse - dazu gehören natürlich die gedruckte Presse und die Journalisten, die ihr zuarbeiten, aber auch die anderen Medien wie Rundfunk und Fernsehen - in die Lage zu versetzen, ihr Wächteramt in diesem Staate wirksam auszuüben.

Dazu müssen sie sicher sein, dass sie frei von jeglicher staatlicher Repression sind. Sie dürfen nicht fürchten müssen, dass sie etwa einen Informanten preisgeben müssen. Das ist heute schon geregelt. Aber auch das, was sich ein Journalist aufschreibt, notiert oder mit der Kamera aufnimmt, darf nicht nachher von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden können. Der Journalist darf nicht gezwungen werden können, vor Gericht darüber Zeugnis abzulegen. Die Informationen, die er zu Hause verwahrt, dürfen nicht gegen einen Angeklagten in einem Strafverfahren benutzt werden.

Nur wenn sichergestellt ist - dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen klar geäußert -, dass die Quellen der Information für alle Journalisten und Medien im Verborgenen sprudeln können, können die Journalisten, die Presse und die Medien ihr Wächteramt in diesem Staate wirksam ausüben.

Um den unsinnigen Streit darüber zu beenden, was selbst recherchiertes Material und was von einem Informanten zur Verfügung gestelltes Material ist, und ihn obsolet zu machen, haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach können in Zukunft Journalisten grundsätzlich für sich dasselbe Recht in Anspruch nehmen, das auch die Abgeordneten, die Rechtsanwälte, die Ärzte und die Geistlichen für sich in Anspruch nehmen: Sie brauchen zu dem, was sie erfahren oder selbst herausgefunden haben, vor Gericht keinerlei Aussage zu machen.

Herr Kollege Geis, es ist nicht so, dass die Journalisten nicht aussagen dürfen, aber sie müssen nicht. Das heißt, der Journalist muss verantwortlich abwägen, wie er sich in einem Strafverfahren verhält. Obwohl er das Recht zur Aussageverweigerung hat, kann er im Interesse des Angeklagten, im Interesse der Wahrheitsfindung oder um zu verhindern, dass das Gericht einen falschen Kurs einschlägt, trotzdem eine Aussage machen. Es geht nicht darum, die Quelle völlig zu verschließen, sondern dem Journalisten soll die Sicherheit gegeben werden, dass es allein von ihm abhängt, ob er Informationen, die er bei sich zu Hause gesammelt hat - sei es von einem Informanten, sei es von ihm selbst -, preisgibt.

Ein Geistlicher darf über das, was er im Rahmen des Beichtgeheimnisses, im Rahmen von Gesprächen oder als Geistlicher sonst erfahren hat, vollständig die Aussage verweigern.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Er veröffentlicht das doch nicht! Haben Sie gehört, dass jemand etwas aus dem Beichtstuhl veröffentlicht? Das ist doch kein Vergleich!)

Ich bin dafür, dass dies erhalten bleibt.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Weil Sie es nicht vergleichen können!)

Auch die freie Ausübung der Religion soll gesichert sein. Das ist der Hintergrund, warum der Staat dem Geistlichen dieses Recht zugesteht.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Nein, das ist ein Vertrauensbeweis!)

Genauso wichtig ist für uns aber auch ein Funktionieren der Presse und des Journalismus in diesem Staate. Deshalb wollen wir dieses umfassende Zeugnisverweigerungsrecht auch für Journalisten einführen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Geis?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, natürlich.

Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Ströbele, würden Sie mir zustimmen, dass der Geistliche, der etwas ihm im Beichtstuhl Anvertrautes nicht weitergeben kann, genau dasselbe Recht wie der Journalist hat, der von einem Informanten eine Information bekommen hat? Auch ihn schützen wir. Deshalb genießt der Geistliche genau denselben Schutz. Mehr beanspruchen wir für den Geistlichen gar nicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht zutreffend, Herr Kollege Geis,

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Doch! Genau das!)

weil auch beim Geistlichen nicht nur das geschützt ist, was er im Beichtstuhl erfährt oder was ihm von einem Gläubigen zugetragen wird, sondern auch das, was er selber in diesem Zusammenhang in Erfahrung bringt. All das, was er in seiner Tätigkeit als Geistlicher erfährt, ist geschützt.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das haben wir doch jetzt auch beim Journalisten geschützt!)

Deshalb ist es richtig, hier eine Gleichsetzung vorzunehmen. Herr Kollege Geis, es geht bei dem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht - ich wende mich auch an den abwesenden Kollegen van Essen -

(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Er hat sich entschuldigt!)

vor allen Dingen um die "kleineren" Fälle, nicht um schwere oder schwerste Straftaten oder Verbrechen, sondern nur um Vergehen oder Übertretungen. Dabei ist es von ganz entscheidender Bedeutung, dass wir die Strafmaßstäbe, die das Strafgesetzbuch heute vorsieht, für das Zeugnisverweigerungsrecht übernehmen. Wir wollen nicht, dass der jeweilige Gesetzgeber immer wieder neu überlegen muss, warum die eine oder andere Straftat zwar kein Verbrechen, aber doch so schwerwiegend ist, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht dabei nicht in Betracht kommt.

Außerdem wollen wir - und das aus gutem Grunde - das Zeugnisverweigerungsrecht auch dann zubilligen, wenn der Journalist für nicht periodische Druckwerke arbeitet. Das betrifft gerade jene, die an einem Film oder einem Buch mitarbeiten. Wir wollen keinen Unterschied machen zwischen dem einen und dem anderen, wollen hier nicht die Abwägung vornehmen müssen, ob nun das periodische Druckerzeugnis wichtiger und wertvoller ist als das einmalig erscheinende. Wenn ein Journalist

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Es geht um einen Journalisten!)

ein Buch über Fakten, Tatsachen, beispielsweise jetzt über bestimmte Affären, die das Land beschäftigen, schreibt, dann soll er genauso geschützt sein, als wenn er einen Artikel in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder im Rundfunk veröffentlichen würde. Deshalb ist es richtig und wichtig, das Zeugnisverweigerungsrecht darüber hinaus auszudehnen. Es soll jetzt für alle berufsmäßig als Journalisten arbeitende Personen gelten. Das ist die Einschränkung, Herr Kollege Geis. Insofern stimmt Ihr Argument nicht, dass wir jedem dieses Zeugnisverweigerungsrecht zubilligen. Vielmehr kommt es auf das berufsmäßige Ausüben an.

Ich verhehle nicht, dass ich in der Anhörung zusätzliche Argumente von Sachverständigen vernommen habe, die wir in die Diskussion im Rechtsausschuss einfließen lassen sollten, etwa jenes, dass ein Verwertungsverbot dann nicht gelten sollte, wenn Gegenstände beschlagnahmt worden sind, weil ein Journalist im Verdacht stand, an einer Straftat beteiligt gewesen zu sein. Anders ist es, wenn aber der Tatverdacht später entfällt, wenn er beispielsweise freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege!

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sollten uns auch überlegen, ob die Anordnung für Durchsuchungen von einem Einzelrichter vorgenommen werden kann oder ob es nicht richtiger und wichtiger ist, dass dies Strafkammern tun.

Letztlich will ich den Gedanken aufnehmen, der schon im F.D.P.-Entwurf enthalten ist, ob für die Beschlagnahme nicht tatsächlich ein dringender Verdacht, der Verdacht der Teilnahme des Journalisten an einer Straftat, gegeben sein muss.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist vorbei.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über all diese Vorschläge werden wir Überlegungen anstellen.

Ich möchte einen bekannten Ausspruch des Fraktionsvorsitzenden der SPD aufnehmen und hoffe: Ein Gesetz geht in den Bundestag, kommt aber nicht so heraus, wie es hineingekommen ist. Ich wünsche uns allen gute Beratung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD.)