Wahlkampf 2013

Tollhaus BND

02.06.2006: Stellungnahme von der Homepage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema BND und El-Masri-Entführung

Tollhaus BND "Sauladen" BND durchleuchten, personelle Konsequenzen bei den Verantwortlichen ziehen und Geheimdienstkontrolle verbessern. 2. Juni 2006

Das Eingeständnis des Bundeskanzleramts, ein Mitarbeiter des BND habe von der Festnahme des deutschen Staatsbürgers El Masri schon seit langem und noch während dessen Haft gewusst, verdeutlicht nach dem Bericht über die Journalisten-Bespitzelung einmal mehr: beim BND und im aufsichtsführenden Kanzleramt ist vieles außer Kontrolle geraten.

Über Monate hinweg wurden - trotz entsprechender Nachfragen - sowohl das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKG) wie auch die Öffentlichkeit irregeführt mit der unwahren Behauptung, von el Masris Haft erst nach dessen Freilassung erfahren zu haben. Und selbst jetzt will man der Öffentlichkeit weismachen, lediglich ein "kleiner BND-Beamter" persönlich habe früh und ganz zufällig von einem Unbekannten in einer Kantine davon erfahren, aber dies bis gestern nicht seinen Vorgesetzten mitgeteilt. Das ist unglaubwürdig und lebensfremd, insbesondere weil diese Frage wochenlang die Schlagzeilen beherrschte.

Es ist anzunehmen, dass die genauen Umstände und der Zeitpunkt, zu dem der BND Kenntnis hatte von der Verhaftung El Masris spätestens im Zusammenhang mit den Vernehmungen des Präsidenten des BND, den Koordinatoren der Dienste und dem zuständigen Kanzleramtsminister im Rahmen des Untersuchungsausschusses herauskommen werden. Konsequenzen

Die bislang angekündigten organisatorischen Konsequenzen im BND reichen nicht weit genug. Es muss sichergestellt sein, dass Journalisten deutscher Medien im In- und Ausland grundsätzlich vor Geheimdienst-Überwachung geschützt sind.

Eine rasche Reform der Geheimdienst-Kontrolle des Bundestages muss - wie von der grünen Fraktion beantragt und im Plenum debattiert - sicherstellen, dass das Parlamentarische Kontrollgremium wirklich über alle wichtigen Vorgänge der Dienste zeitnah und wahrheitsgemäß unterrichtet wird. Die Mitarbeiter der Dienste müssen sich mit brisantem Wissen direkt an PKG-Mitglieder wenden dürfen - statt wie bisher nur über den abschreckenden Dienstweg. Und die PKG muss untersuchte brisante Vorgänge nebst Bewertung sowohl den Fraktionsvorsitzenden, als auch der Öffentlichkeit mitteilen dürfen (wie aktuell die Journalisten-Bespitzelung oder zuvor den BND-Einsatz im Irakkrieg), statt einer absoluten Geheimhaltungspflicht zu unterliegen. Auch sollte die von der rot-grünen Regierungskoalition geschaffene Befugnis der PKG, einen Sonderermittler mit bestimmten Recherchen beauftragen zu können - wie gerade zum Journalistenthema geschehen - institutionalisiert werden.

Wir Grünen haben beschlossen, mit den Mitteln des Untersuchungsausschusses auch die geheimdienstliche Bespitzelung von Journalisten weiter aufzuklären. Dabei sollte - anlässlich entsprechender Hinweise im Bericht des Sonderermittlers Schäfer - nach unserer Auffassung neben dem BND auch die Überwachung durch andere Geheimdienste wie das Bundesamt für Verfassungsschutz untersucht werden. Schließlich muss geklärt werden, ob neben Journalisten auch zum Beispiel Abgeordnete des Bundestages abgehört worden sind. Der BND ließ laut Schäfer-Bericht etwa den SPD-Abgeordneten Karsten Vogt ausforschen. Schließlich sollte auch Einflussnahmen der Dienste auf Medienberichte weiter untersucht werden, nachdem der Schäfer-Bericht auch hierfür Beispiele nannte.