Wahlkampf 2013

Auch die belasten, die Geld haben

07.11.2003: taz-Interview mit Hans-Christian Ströbele zum Thema Vermögensteuer

"Auch die belasten, die Geld haben" Der grüne Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele will die Vermögensteuer wieder einführen. Man könne nicht nur bei den armen Leuten kürzen, ohne die Reichen zur Kasse zu bitten. Schließlich nehme der Reichtum einiger Deutscher rasant zu Interview MATTHIAS URBACH

taz: Sie wollen die Vermögensteuer wiederbeleben. Warum?

Hans-Christian Ströbele: Der letzte Parteitag der Grünen in Cottbus hat mit Zweidrittelmehrheit verlangt, dass die Fraktion einen Antrag für die Vermögensteuer einbringt.

Und da hat sich ausgerechnet der Innenpolitiker Ströbele drangesetzt?

Ich habe mich überhaupt nicht danach gedrängt. Aber als ich gesehen habe, dass niemand aus der Fraktion an einem Gesetzentwurf arbeitete, habe ich mich sachkundig gemacht - unter anderem anhand der 1996 von SPD und Grünen in den Bundestag eingebrachten Gesetzesanträge. Mein Vorschlag liegt jetzt der Arbeitsgruppe der Fraktion vor.

Sie wollen der Basis zu ihrem Recht verhelfen?

Nicht allein. Ich persönlich leide schon lange darunter, dass einerseits Renten und Arbeitslosenhilfe gekürzt werden und andererseits die privaten Vermögen in nur sieben Jahren um über eine Billion Euro gewachsen sind. Das ist sozial ungerecht.

Das klingt so, als müssten Sie nach der Zustimmung zu den Reformgesetzen Ihr Gewissen etwas beruhigen.

Der Grund für die Einschnitte ist ja, dass einfach das Geld nicht mehr da ist - wegen der schlechten Konjunktur. Wenn aber die öffentlichen Kassen leer sind, dann müssen wir alles tun, auch die zu belasten, die Geld haben - um den ärmeren Leuten nicht noch weitere Kürzungen zuzumuten.

Wie soll die Steuer aussehen?

Auf alle Vermögensarten soll eine Steuer von jährlich einem Prozent erhoben werden - bei einem Freibetrag von 200.000 Euro pro Person und 50.000 pro Kind. Bei einer vierköpfigen Familie käme man damit auf einen Freibetrag von einer Million D-Mark. Es handelt sich hier also um eine Millionärssteuer. So könnten wir knapp 16 Milliarden Euro Einnahmen erzielen.

Meinen Sie, dass Ihr Vorschlag in die augenblickliche Steuerreform-Debatte passt?

Ja, weil sie einen Beitrag dazu leistet, dass sich nicht mehr so viele dank des Steuergestrüpps arm rechnen können.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Vorbehalte gegen die Vermögensteuer.

Das Gericht wollte nur eine gerechtere Bewertung von Grundvermögen, vor allem der bislang sehr niedrig angesetzen Immobilienwerte. Es hat aber auch festgelegt, dass nicht mehr als die Hälfte des so genannten Sollertrages an den Staat abgeführt wird. Deshalb schlage ich eine Mindeststeuer-Regel vor.

Das bedeutet konkret?

Wenn man mit dem besteuerten Vermögen, zum Beispiel eine Immobilie, noch Erträge hat, etwa Mieteinnahmen, dann kann man die gezahlte Vermögensteuer auf die Einkommensteuerschuld anrechnen. So wird eine übermäßige Besteuerung vermieden.

Im Wahlprogramm 2002 fordert Ihre Partei noch eine Vermögensteuer, trotzdem wurde nichts getan. Was haben Ihre Kollegen dagegen?

Ich glaube, dass sind eher politische Bedenken. Einige wollen alles vermeiden, was vermeintlich Investoren abschreckt und die Konjunktur bremsen könnte.

Ist es nicht riskant, von Steuererhöhungen zu reden, wo der öffentliche Druck eher in die andere Richtung geht?

Meine Wahrnehmung ist da anders. Die Menschen fordern vehement diese Steuer. Nicht nur die 100.000, die am Wochenende in Berlin gegen die Sozialkürzungen demonstriert haben. In meinem Büro erreichen mich viele Anfragen: Wann macht ihr das endlich? Die Zustimmung reicht in alle Parteien hinein: Eine große Mehrheit in der Bevölkerung will eine Steuer auf Millionärsvermögen.

Wird die Vermögensteuer noch mehr Prominente zur Steuerflucht animieren?

Das ist ein Gespenst, an das ich nicht glaube. Weder sind viele abgewandert, als die Vermögensteuer erhoben wurde, noch ist jemand mit seinem Vermögen zurückgekommen, seit die Steuer ausgesetzt wurde.

taz Nr. 7202 vom 7.11.2003, Seite 9, 129 Interview MATTHIAS URBACH