Wahlkampf 2013

Kaum Auflagen der Bundesregierung für die 15 Banken mit beantragten staatlichen Garantien und Eigenkapitalhilfen sowie keine Kontrollrechte der Abgeordneten

17.12.2008: In der 195. Plenarsitzung des Bundestages (16. WP) stellte Christian Ströbele folgende Frage an die Bundesregierung:

Frage an die Bundesregierung:

"Welche Auflagen gemäß § 5 Absatz 2 bis 4 der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) - insbesondere zu Vergütungshöhe, Abfindungen, Boni und anderen Vergütungsteilen von Organmitgliedern sowie zu Beschränkungen und Gestaltungen der Geschäftstätigkeit - hat die Bundesregierung nach ihren eigenen dahingehenden Ankündigungen ("höchstens 500 000 Euro"; vgl. taz, 21. Oktober 2008) konkret denjenigen 15 Banken auferlegt bzw. wird dies tun, die seither staatliche Garantien sowie Eigenkapitalhilfen beantragten (vgl. Frankfurter Rundschau, 11. Dezember 2008), und ist die Bundesregierung gewillt, nach ihrer ablehnenden Antwort auf meine entsprechende Frage in der Fragestunde des Bundestages am 12. November 2008 (Plenarprotokoll 16/186, S. 19.924 D) nun zu beachten, dass derlei Auskünfte gemäß § 10a Absatz 2 Satz 1 FMStFG keineswegs aus-schließlich dem "Soffin"-Kontrollgremium des Bundestages zustehen, sondern die gesetzlichen Kontrollrechte aller Abgeordneten und sonstigen Ausschüsse uneingeschränkt bestehen bleiben, zumal die Bundesregierung zu solchen Nachfragen Anlass gibt, etwa indem sie trotz Rüge der EU-Kommission der Commerzbank zu wenig Kreditzinsen abverlangen wollte (Handelsblatt, 9. Dezember 2008)?"

Antwort von Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

"Sehr geehrter Herr Kollege, bislang sind Garantien gemäß § 6 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes zugunsten der Hypo Real Estate Holding AG, der HSH Nordbank sowie der Bayern LB gewährt worden. Entsprechend sollen den Antragstellern bei Stabilisierungsmaßnahmen in Form der Garantie Auflagen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 der entsprechenden Verordnung aufgegeben werden. Auflagen zu Vergütungshöhe, Abfindungen, Boni und anderen Vergütungsteilen von Organmitgliedern sind für Garantien hingegen nicht vorgesehen.

Zu den konkreten Vertragsgestaltungen der bereits abgeschlossenen oder künftigen Stabilisierungsmaßnahmen darf sich die Bundesregierung - insoweit bleiben wir bei unserer Position - nur gegenüber dem eigens dafür eingerichteten Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds gemäß § 10 a des Gesetzes äußern. Dieses Gremium ist eingerichtet worden, um die Mitglieder des Deutschen Bundestages über die konkrete Ausgestaltung von Stabilisierungsmaßnahmen informieren zu können, ohne dabei die berechtigten Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Unternehmen zu verletzen. Diese Regelung des § 10 a wurde nach ausführlicher Debatte des Gesetzgebers, also dieses Parlaments, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen des Parlaments auf der einen Seite und der Antragsteller auf der anderen Seite getroffen. Der verfassungsgemäße parlamentarische Informationsanspruch ist im Übrigen selbst durch die Verfassung begrenzt, in diesem Fall durch den in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Zusatzfrage von Christian Ströbele:

"Frau Kollegin, können Sie mir sagen, wie ich als Bundestagsabgeordneter mein Kontrollrecht gegenüber der Bundesregierung ausüben soll, wenn ich überhaupt keine Informationen über die Ausgestaltung der geforderten Auflagen oder Ähnliches bekomme? In dem Gesetz steht ja nicht, dass nur dieses Gremium Informationen bekommen darf. Es heißt dort, dass dieses Gremium Informationen bekommt und die Mitglieder dieses Gremiums zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet sind.

Also auch mir darf mein Kollege nicht mitteilen, was er dort erfahren hat. Wie kann ich dann noch meiner parlamentarischen Pflicht - so fasse ich es jedenfalls auf - zur Kontrolle dieser Abgabe von Garantieerklärungen in Milliardenhöhe nachkommen?"

Antwort Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

"Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben sich wieder auf Garantieerklärungen, also Bürgschaften, bezogen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass dafür diese Auflagen nicht gelten. Dies wollte ich zunächst fachlich klarstellen. Gerade Sie wissen doch, dass es auch bei anderen Themenfeldern zur Geheimhaltung verpflichtete Gremien gibt, die den Kontrollauftrag des gesamten Parlaments sicherstellen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es im Gesetzgebungsverfahren eine Abwägung zwischen den verschiedenen Pflichten gibt. Da wir aber grundgesetzlich auf die von mir angesprochene Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verpflichtet sind, hat sich der Gesetzgeber - die Mehrheit dieses Parlaments - nun eben dafür entschieden, Detailinformationen, also die konkreten Vertragsgestaltungen, nach denen Sie gefragt haben, ausschließlich dem zur Geheimhaltung verpflichteten Gremium zu geben."

Weitere Zusatzfrage von Christian Ströbele:

"Frau Kollegin, ich nehme einmal an, Sie stimmen mit mir darin überein, dass das Recht zur Kontrolle des Haushalts eines der wichtigsten, vielleicht das wichtigste Recht des Parlaments gegenüber einer Regierung ist. Wenn jetzt beschlossen worden ist, dass ein Betrag - ich meine den Gesamtbetrag: die Garantieerklärungen und alles andere - in mehrfacher Höhe des Bundeshaushalts vergeben werden kann, ohne dass über 90 Prozent der Abgeordneten wissen können, unter welchen Voraussetzungen Gelder vergeben werden, dann kann das Haushaltsrecht der Abgeordneten nicht mehr wahrgenommen werden. Dies unterscheidet sich grundlegend von der Kontrolle der Geheimdienste.

Mir ist auch bewusst, dass die Bestimmung, die Sie ins Gesetz aufgenommen haben, zum Teil wörtlich den Bestimmungen des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, also des PKG-Gesetzes, nachgebildet worden ist. Beim einen Fall geht es um die Kontrolle von Geheimdiensten, beim anderen Fall um das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages, das praktisch für obsolet erklärt worden ist."

Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

"Herr Kollege, ich stimme Ihnen in keiner Weise zu. Es geht nicht um das Haushaltsrecht. Über die Frage, wie viele Mittel insgesamt zur Verfügung gestellt werden, wird natürlich auch im Haushaltsausschuss entschieden. Aber Ihre Frage bezog sich nicht auf die Zurverfügungstellung eines bestimmten Mittelvolumens, sondern auf die konkrete Ausgestaltung von Verträgen zwischen Unternehmen. Daraufhin habe ich Ihnen die grundgesetzliche Verpflichtung sowohl der Bundesregierung als auch des Parlaments beschrieben. Ich will in meiner dritten Antwort noch einmal darauf hinweisen, dass sich das Parlament selbst in seiner Funktion als Gesetzgeber und nicht die Bundesregierung - Sie wissen doch, wie es funktioniert - für dieses Geheimgremium entschieden hat."


Die Fragen an die Bundesregierung können Sie/ könnt Ihr direkt nachlesen ab Seite 42.

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