Wahlkampf 2013

Geplanter Einsatz der Bundeswehr beim NATO-Gipfel

30.03.2009: Schon wieder ist ein Einsatz der Bundeswehr geplant. Dieses Mal beim NATO-Gipfel in Straßburg, Kehl und Baden- Baden. Die Beteiligung des Bundestages bei dieser Einsatzentscheidung blieb erneut aus - wie im Jahr 2007 beim G8-Gipfel in Heiligendamm.

Frage an die Bundesregierung:

"Welche Unterstützung durch Soldaten und militärische Gerätschaften der Bundeswehr ist zum Einsatz anlässlich des NATO-Gipfels in Straßburg, Kehl und Baden-Baden im März/April 2009 seitens der Bundesländer oder Frankreichs angefordert worden oder durch die Bundesregierung geplant, und welche Auskunft gibt die Bundesregierung über die Truppenstärken und Truppengattungen, Einsatzzeiten, Einsatzorte sowie Ausrüstung und Bewaffnung einzusetzender Einheiten, über die Rechtsgrundlage und die Kosten des Einsatzes sowie über ihre Absichten zur Beteiligung des Deutschen Bundestages an einer Einsatzentscheidung?"

Antwort durch Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär (Bundesministerium für Verteidigung):

"Sehr geehrter Herr Kollege,

Ihre Frage beantworte ich wie folgt:

Soweit die Bundeswehr im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel 2009 technisch-logistische Unterstützung leistet, wird sie im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit §§ 4 bis 8 des Verwaltungsverfahrensgesetzes tätig. Unbeschadet auch sonst geltender Rechte, insbesondere des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und der Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie ziviler Wachpersonen, übt die Bundeswehr keine hoheitlichen Zwangs- und Eingriffsbefugnisse aus.

Für Unterstützungsleistungen im Rahmen technischer Amtshilfe, die unterhalb der Schwelle eines Einsatzes im Sinne von Art. 87 a Abs. 2 des Grundgesetzes bleiben, ist keine Befassung des Bundestages vorgesehen. Wir gehen nicht davon aus, dass diese Einsatzschwelle überschritten wird; das ist weder angefordert noch beabsichtigt.

Über die Gewährung sämtlicher Amtshilfe, die durch die Bundeswehr im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Gipfels auf Antrag geleistet werden soll, wird im Bundesministerium der Verteidigung entschieden.

Die Bundeswehr nimmt im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit Aufgaben zur Vorbereitung und Durchführung von Teilen des NATO-Gipfels, zur Gewährleistung der Sicherheit der Leitung und der Angehörigen des Bundesministeriums der Verteidigung sowie ihren subsidiären Auftrag zur Wahrung der Sicherheit im Luftraum wahr.

Bei letzterem handelt es sich um eine Dauereinsatzaufgabe der Luftwaffe, die unter Abstützung auf Kräfte und Mittel der integrierten NATO-Luftverteidigung durchgeführt wird. Dazu wird die Luftwaffe - vor dem Hintergrund der grundsätzlich bestehenden abstrakten terroristischen Bedrohung Deutschlands auch mit Tatmitteln des Luftverkehrs - eine angemessene Reaktionsfähigkeit sicherstellen.

Mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Regierungsabkommens zur Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit im Luftraum bei Bedrohungen durch zivile Luftfahrzeuge am 9. März 2009 sind auch die Voraussetzungen geschaffen worden, grenzüberschreitend zu reagieren. Hoheitliche Eingriffsbefugnisse bleiben hiervon unberührt.

Ich darf darauf hinweisen, Herr Kollege, dass sich dieses Regierungsabkommen in Inhalt und Grundsatz an dem Regierungsabkommen orientiert, das zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vorsorge im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft im letzten Jahr getroffen worden war.

Das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg haben anlässlich des NATO-Gipfels 2009 in Straßburg und Kehl bisher 50 Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr gestellt. Davon wurden zwischenzeitlich zehn Anträge durch die Antragsteller zurückgezogen. Alle Anträge wurden durch das Bundesministerium der Verteidigung gebilligt, teilweise mit Einschränkungen.

Die Bundeswehr unterstützt im Rahmen des NATOGipfels vorrangig im Bereich des Lufttransports, der Luftsicherheit, der sanitätsdienstlichen Versorgung, der ABC-Waffen-Abwehr im Falle möglicher Großschadensereignisse sowie der Bereitstellung von Transport- Kfz, Unterkunftsmaterial, optischem und elektronischem Gerät sowie weiterer personeller und materieller Querschnittsfähigkeiten der Bundeswehr. Nach derzeitigem Planungsstand sollen in diesem Rahmen circa 600 Soldaten und zivile Mitarbeiter eingesetzt werden.

Aussagen zu den Gesamtkosten für die Bundeswehr im Zusammenhang mit diesen Aufgaben können erst nach Abschluss des NATO-Gipfels getroffen werden, da Unterstützungsleistungen lageabhängig und damit zeitnah zum Ereignis veränderbar sind.

Frau Präsidentin, ich bitte um Verständnis dafür, dass ich etwas ausführlicher geantwortet habe, aber die Frage hat doch eine Reihe von Detailfragen in sich geborgen."

Zusatzfrage von Christian Ströbele:

"Zunächst danke ich für die Antwort. Sie war aber leider sehr unvollständig und wurde meiner Frage eigentlich überhaupt nicht gerecht, wie das bei Fragen von mir leider häufig der Fall ist.

Deshalb die folgende Nachfrage: Ist vonseiten der Bundeswehr vorgesehen, die Luftwaffe nicht nur zur Sicherung des Luftraums, etwa gegen mögliche Angriffe ziviler Flugzeuge, einzusetzen, sondern auch in der Weise, wie das beispielsweise in Heiligendamm geschehen ist, wo Tornados im Tiefflug angeblich Aufklärungsarbeit geleistet haben, auf Camps von Demonstranten zugesteuert sind, in einer Höhe von weniger als 150 Metern - in mindestens einem Fall wurden sie auch angeflogen -, dort Aufnahmen von Demonstranten gemacht haben und Ähnliches? Sind solche Einsätze schon im Vorhinein durchgeführt worden, sind solche Einsätze geplant, wenn ja, wie viele und unter Beteiligung welcher Kampfflugzeuge der Bundeswehr?"

Antwort durch Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

Herr Kollege Ströbele, Sie gestatten, dass ich der Beantwortung eine Bemerkung voranstelle. Ihrem Text war nicht zu entnehmen, dass Ihre eigentliche Intention ist, Heiligendamm zu diskutieren.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Aber wir haben gelernt!)

Man kennt sich, und man vermutet das eine oder andere. Für die Bundesregierung darf ich sagen, dass entsprechende Anträge bis dato nicht vorliegen. Ich kann keine abschließende Antwort geben. Die kann ich erst nach Ende des Gipfels, der sich ja zu einem sehr großen Teil in Frankreich abspielt, geben. Bei der Gelegenheit will ich auch darauf hinweisen, dass ich hier über das berichte, was von deutscher Seite auf oder über deutschem Grund und Boden an Amtshilfe geleistet wird. Eine der Auftragslage in Heiligendamm vergleichbare Anfrage ist bisher nicht eingegangen."

Zweite Nachfrage durch Christian Ströbele:

"Sie haben ja geschildert, dass Bundeswehrsoldaten zum Einsatz kommen sollen und dass sie offenbar auch mit Aufklärungsgerätschaften ausgestattet sind. Deshalb liegt gerade auch nach den Ereignissen rund um Heiligendamm die Frage nahe: Beabsichtigt die Bundeswehr, Panzerspähfahrzeuge oder anderes militärisches Gerät zur Aufklärung von Demonstrationen, Demonstrationsteilnehmern oder anderen Versammlungen der freien Willensbekundung einzusetzen?"

Antwort durch Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

"Es ist aufgrund der bisherigen Anfragen der Einsatz von militärischem Gerät - infrage käme ja nach Ihren Ausführungen das Aufklärungsfahrzeug Fennek - bisher nicht geplant. Das entspricht auch nicht dem Aufgabenbereich, der abgedeckt werden soll. Aufklärung wird allerdings in der Tat stattfinden müssen. Ich darf darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Gipfel um eine sicherheitsmäßig hochsensible Veranstaltung handelt, weil sich ja nun dort alle Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten einschließlich des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika aufhalten werden. Deswegen ist eine gewisse Sicherheitsvorsorge unabdingbar. Inwieweit hier im Rahmen der Amtshilfe Aufklärungsmittel des Bundesministeriums der Verteidigung hinzugezogen werden, wäre dann noch konkret zu entscheiden. Bis zum heutigen Tage ist eine entsprechende Nutzung des von Ihnen beschriebenen Fahrzeugs nicht beabsichtigt."


Die Bundesregierung hat auf die Frage von Christian Ströbele unter anderem erklärt:

  • Anlässlich des NATO Gipfels 2009 sollen bis zu 600 Soldaten und Zivilisten der Bundeswehr eingesetzt werden.
  • Daneben soll optisches und elektronisches Gerät eingesetzt werden. Fennek Spähpanzer seien nach Angaben der Bundesregierung noch nicht geplant. Laut Bundesregierung wird aber "Aufklärung" seitens der Bundeswehr "stattfinden müssen".
  • Daneben werde sich die Bundeswehr bei Lufttransporten und Luftsicherheit beteiligen sowie Transport-Kfzs bereitstellen.
  • usw.

Nach unserer Auffassung können diese Maßnahmen rechtswidrig sein! Wir bitten deshalb schon jetzt darum, auf Auffälligkeiten zu beachten und Bundeswehrmaßnahmen zu dokumentieren.

Wichtig sind Ort und Zeit (am besten sofort aufschreiben!) Bei Flugzeugen Flughöhe schätzen! Gut wäre es auch, Zeugen zu sammeln (z.B. e-mail auszutauschen).

Bei Fotos und Videos bitte darauf achten, dass möglichst deutlich wird, dass es sich um Bundeswehr (Schriftzug oder Eisernes Kreuz, Nummernschild) -Transporter, -Helikopter und so weiter handelt. Gerade Bundespolizei-Helikopter sind schlecht von Bundeswehr-Helikoptern zu unterscheiden (Gleiches gilt für Kfz). Wenn möglich sollen hier, etwa Polizeitransport durch Bundeswehr oder eine andere polizeiliche Betätigung der Bundeswehr (etwa Gefangenentransport) dokumentiert werden.

Neben den Fotos sind natürlich auch Zeugenaussagen usw. willkommen.

Die Materialien bitte möglichst schnell an das Büro mailen: hans-christian.stroebele[@]bundestag.de [Betreff: "NATO GIPFEL"]

Auch das Handeln der Bundeswehr in Frankreich interessiert uns!

Vielen Dank, Vergnügen und hoffentlich gutes Wetter!

Zugehörige Dateien:
Das Plenarprotokoll zum Nachlesen: S. 23.069 d - 21.071 ADownload (846 kb)