Rede zum MAD-Gesetz
15.01.2004: Rede von Hans-Christian Ströbele im Rahmen der zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des MAD-Gesetzes (1. MADGÄndG) (Drucksachen 15/1959, 15/2274)
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Raidel, ich kann überhaupt nicht verstehen, wie Sie dieses Gesetz und vor allen Dingen den Bundesnachrichtendienst so schlecht machen können. Ich komme ja in eine ganz verzwickte Rolle, wenn ich hier nun den Bundesnachrichtendienst in seiner Arbeit verteidigen soll.
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN und bei der SPD)
Sie sollten sich etwas mehr informieren, bevor Sie so eine Rede halten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Dann wüssten Sie nämlich, dass es sehr wohl auch Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist, sich im Ausland mit militärischen Verhältnissen, mit militärischen Gefahren - auch für die Bundeswehr - und mit militärischen Aktivitäten zu befassen.
(Hans Raidel [CDU/CSU]: Habe ich ja gesagt! - Rainer Funke [FDP]: Tut er ja auch!)
Der Bundesnachrichtendienst hat extra dafür ausgebildete Leute. Das wollen wir hier aber nicht im Einzelnen ausführen.
(Hans Raidel [CDU/CSU]: Sie tun es aber! Sie haben nicht zugehört, das ist das Problem!)
Das heißt, Ihre Kritik liegt völlig neben der Sache.
Auch wir haben zur Kenntnis genommen - ich sehr leidvoll -, dass die Bundeswehr im Ausland in vielen Bereichen tätig ist. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass der Militärische Abschirmdienst, der Sicherheit für die Soldaten und den Schutz der Soldaten vor Infiltration, vor Spionage, vor möglichen terroristischen Angriffen und Ähnlichem gewährleisten soll, dies in der Vergangenheit auf halb legaler Basis gemacht hat. Wir sind uns ja einig, dass das nicht ganz in Ordnung gewesen ist. Deshalb hat das Bundesverteidigungsministerium nun diesen Vorschlag vorgelegt. Sie haben Recht, es gab vorher einen anderen Vorschlag. Wir haben gesagt: Aus gutem Grund ist in der Bundesrepublik Deutschland, ganz anders als in vielen anderen Ländern, die Tätigkeit der Nachrichtendienste, der Geheimdienste, ganz besonders geregelt. Eine der ganz wichtigen Regelungen, die wir auch nicht ändern wollen und nicht ändern dürfen, ist, dass die auslandsgeheimdienstliche Tätigkeit und die inlandsgeheimdienstliche Tätigkeit streng getrennt sind. Das sind ganz unterschiedliche Organisationen mit ganz unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen.
(Hans Raidel [CDU/CSU]: Alles bekannt!)
Wir haben gesagt: Wir wollen diesen Grundsatz nicht deshalb, weil nun die Bundeswehr im Ausland tätig ist, durchbrechen. Vielmehr wollen wir diesen Grundsatz möglichst aufrechterhalten. Deshalb haben wir - Vertreter unserer Fraktion, Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums und andere - uns zusammengesetzt, nachdem der neue Vorschlag vorlag, und haben diesen Gesetzentwurf geboren. Ich finde, das ist genau der richtige Weg, wie man die Arbeit dieser Dienste nach wie vor ganz sauber trennen kann.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Soweit die Bundeswehr im Ausland tätig ist und sich dort in Unterkünften und in anderen Einrichtungen tummelt, wird auch der MAD tätig.
(Hans Raidel [CDU/CSU]: Soldaten tummeln sich nicht!)
Es gab ja in der Zeitung den Vorwurf bzw. das Gerücht - oder wie auch immer ich das bezeichnen soll -, dass ein Koch, der aus dem einheimischen Bereich gekommen ist, die Bundeswehr irgendwie unterwandern wollte. Um dem vorzubeugen, haben wir gesagt: Der Sachverstand des MAD muss in die dortige Kaserne bzw. Einrichtung hinein, um das zu verhindern, um zu kontrollieren, Gespräche zu führen und die Leute zu überprüfen. So weit sind wir mitgegangen. Wir haben aber nicht eingesehen, warum der MAD in Afghanistan oder anderen Ländern, im Kosovo oder wo auch immer, ein eigenes Informationsnetz aufbauen soll. Das ist Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes. Der Bundesnachrichtendienst hat immer wieder betont - Herr Hanning hat das auch in der Öffentlichkeit getan -, dass er sich durchaus in der Lage sieht, diese Aufgabe wahrzunehmen. Wenn gefährdende Erkenntnisse vorliegen, dann kann der Bundesnachrichtendienst sie an den MAD oder die dortigen Mitarbeiter weitergeben. Für uns war es ganz entscheidend, dass die Regelungen bezüglich der Liegenschaften keinesfalls zur Folge haben dürfen, dass der MAD dort im Land ein Zelt oder eine konspirative Wohnung einrichtet, von der aus er mit nachrichtendienstlichen Mitteln selbst Informationen aus dem Land einholt. Seine Tätigkeit - soweit sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln betrieben wird - muss sich auf die Einrichtungen oder Liegenschaften - diesen Begriff haben wir gewählt - reduzieren. Der MAD kann darüber hinaus natürlich Informationen von anderen öffentlichen Stellen - aus dem Land, von Partnerdiensten oder wem auch immer - einholen, um seine Aufgaben wahrzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine saubere Trennung, die sich, so hoffe ich, bewähren wird. Wenn daran festgehalten wird, dann wird auch weiterhin auseinander gehalten werden können, dass wir Inlandsgeheimdienste, den MAD, das Bundesamt für Verfassungsschutz, und einen Auslandsgeheimdienst, den Bundesnachrichtendienst, haben.
Neben der Tatsache, dass wir grundsätzliche politische Bedenken hätten, das zusammenzuführen, gibt es ja auch ganz pragmatische Überlegungen. Wenn es mehrere Auslandsgeheimdienste gibt, die nebeneinander Netze und Konkurrenzen entwickeln, führt das zu Schwierigkeiten. Ein schlechtes Vorbild sind beispielsweise die USA. Ich glaube, sie haben 17 solcher Geheimdienste. Sie benötigen inzwischen eine eigene Behörde, um die Tätigkeiten der Geheimdienste untereinander zu koordinieren, da es ansonsten unüberschaubar wäre. Davor wollen wir bewahrt sein. Wir wollen auch nicht, dass die Geheimdienste sich gegenseitig Konkurrenz machen. Deshalb sind die Aufgabenbereiche sehr sauber getrennt. Ich hoffe, das reicht. In Liegenschaften wird der MAD tätig. Darüber hinaus kann er bei öffentlichen Stellen nachfragen. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass das von uns zur Kontrolle auch des MAD geschaffene Parlamentarische Kontrollgremium vor dem Einsatz des MAD unterrichtet werden muss. Ich hoffe, dass sich alle Betroffenen an diese Regelung halten. Ich bin mir sicher, dass dann all die Gefahren, die sonst mit einer Vermengung der Aufgaben der verschiedenen Geheimdienste verbunden wären, nicht entstehen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege!
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Es reicht!)
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich denke, wir haben hier ein Gesetz geschaffen, durch das sowohl den bürgerrechtlichen Vorstellungen und Kriterien der Grünen als auch den Notwendigkeiten der Praxis Rechnung getragen wird. Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hans Raidel [CDU/CSU]: Der erste Entwurf wäre richtig gewesen! Den zweiten haben Sie verstümmelt! Deswegen reicht es eben nicht!)