Wahlkampf 2013

Ermittler müssen Achtung vor den Bürgerrechten neu lernen

24.01.2012: Erklärung von Hans-Christian Ströbele zu der nun bekannt gewordenen regelmäßigen Praxis der Berliner Polizei, massenhaft Handydaten zu erheben und auszuwerten.

Rasterfahndung zulasten vieler Unbeteiligter und gar Rasterung-Nutzung von Millionen Telekommunikations-Daten verstößt gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist mit den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nicht zu vereinbaren.

Für diese offenbar ständige Praxis auch jenseits von Autobränden durch Berliner Polizeibehörden sehe ich keine Rechtfertigung. Die Verantwortlichen müssen noch viele Fragen dazu beantworten. Sie haben offenbar jedes Maß und Bewusstsein dafür verloren, dass jeder Einzelfall ein Grundrechtseingriff ist, sie also tausendfach die Telekommunikations- und Handlungsfreiheit beeinträchtigt haben. Die Verantwortlichen müssen offensichtlich die Achtung vor Bürgerrechten erst wieder erlernen.

Die solchen Ermittlungsmaßnahmen zugrunde liegende, verfassungsrechtlich fragwürdige Rechtsgrundlage muss dringend geändert werden. Dazu hat die grüne Fraktion im Bundestag unter dem Eindruck der Funkzellenauswertung in Dresden letzten Februar bereits im September 2011 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Darüber findet am 8.2.2012 eine Anhörung im Bundestag statt.

Eine Auswertung von Funkzellen-Daten darf nur richterlich angeordnet werden, wenn es auch im Einzelfall um Aufklärung besonders schwerer Straftaten (Mord, Totschlag etc.) geht, deren Ausklärung sonst aussichtslos ist, die Handydaten-Auswertung konkret Erfolg verspricht und absehbar nur wenige Unbeteiligte davon mitbetroffen wären. Über die Durchführung und Ergebnisse ist den Parlamenten regelmäßig zu berichten, und die Betroffenen sind nachträglich tatsächlich zu benachrichtigen.

Ich persönlich habe bereits letzten Donnerstag bei Bekanntwerden der Funkzellenabfrage in meinem Wahlkreis Friedrichshain brieflich umfassende Auskunft vom Berliner Justizsenator und der Staatsanwaltschaft gefordert. www.stroebele-online.de/show/5467802.html

Nach den gestrigen Eingeständnissen der Polizeipräsidentin will ich nun weitere detaillierte Informationen über die Praxis in ganz Berlin:

a) aus (welchen?) Anlässen jenseits von Autobränden wurden die Daten erhoben? Auch über Demonstrationen o.ä. wie in Dresden ? Wenn ja: wie lauten die Details? b) wurden von Providern übermittelte Daten - wie in Dresden - auch zur Ermittlung anderer Delikte verwendet als dem Ur-Delikt, das der Anordnung zugrunde lag ? ggf. auch politischer + Demonstrations-Delikte c) Auf welche Stadtbezirke verteilen sich je: Fallzahlen, ausgewertete Funkzellen, erlangte Verbindungsdaten, betroffene Personen, identifizierte Personen? -> Trifft meine Befürchtung einer Häufung in Kreuzberg-Friedrichshain zu? d) In welchem Umfang wurden nach dem BVerfG-Urteil bzgl. Vorratsdaten vom 2./8.3.2010 noch Verbindungsdaten aus dem 6-Monats-Zeitraum davor ausgewertet, obwohl diese Daten nicht von Providern hätten so lange aufbewahrt + folglich auch nicht an Polizei übermittelt werden dürfen?