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Rede von Hans-Christian Ströbele zur Telekommunikations- und Postüberwachung

21.10.2004: Zu Protokoll gegebene Rede von Hans-Christian Ströbele zur ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der präventiven Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt (NTPG) (Drucksache 15/3931)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kaum einer weiß es: Nicht nur die Polizei und die deutschen Geheimdienste sondern auch der Zoll - genauer: das Zollkriminalamt - dürfen in Deutschland Telefone der Bürgerinnen und Bürger abhören und die Gespräche aufzeichnen sowie die Post öffnen und kontrollieren.

Allerdings muss ich betonen, entgegen landläufiger Auffassung sind es keineswegs die Geheimdienste und ist es schon gar nicht das Zollkriminalamt, die diese Möglichkeit ausufernd nutzen, sondern die Strafermittlungsbehörden. Hier steigen die Zahlen immer höher. Zweistellige Zuwachsraten jährlich sind zu verzeichnen. Das Zollkriminalamt macht nur in sehr bescheidenem Maße von seinen Befugnissen Gebrauch. In dem Jahrzehnt von 1992 bis heute waren es nur 41 Maßnahmen.

Heute geht es um diese Befugnisse des Zollkriminalamtes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Das Amt durfte und darf abhören, um Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz aufzuklären. Es geht um illegale Ausfuhr von Kriegswaffen, um Güter unter anderem zur Herstellung von chemischen, biologischen oder Atomwaffen und um so genannte Dual-Use-Güter, das heißt um solche, die verschiedenen Zwecken dienen können, aber auch im Zusammenhang mit solchen Waffen Verwendung finden.

Bisher war die Überwachung der Post und des Telefons von juristischen und natürlichen Personen in solchen Fällen auf die §§ 39 ff. des Außenwirtschaftsgesetzes gestützt. Das Bundesverfassungsgericht hatte wesentliche Teile dieser Vorschriften aber im März dieses Jahres für verfassungswidrig erklärt. Ab Ende des Jahres darf sie nicht mehr angewandt werden. Deshalb sollen die neuen gesetzlichen Vorschriften rasch verabschiedet werden. Sie stehen jetzt in einem anderen Gesetz: als §§ 23 a bis 23 f im Zollfahndungsdienstgesetz.

Der Gesetzentwurf versucht, den Vorgaben des Verfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Dieses hatte unter anderem gefordert: Hinreichender Rechtsschutz für sämtliche Betroffenen ist sicherzustellen. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Die Ermächtigung muss erkennen lassen, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten zu einer Überwachung führen kann. Die Regelung darf anders als bisher nicht unbestimmt und unklar werden, durch ein Zusammenwirken verschiedener Tatbestandsmerkmale sowie einer große Zahl von Verweisungen auf andere Normen. Diesen Anforderungen wird der Regierungsentwurf weitgehend gerecht.

Aber im Gesetzgebungsverfahren sollten noch einige Ergänzungen zugefügt werden, denn auch andere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Überwachen von Telefonen und Wohnungen aus der letzten Zeit, wie etwa die zum Großen Lauschangriff, und Bedenken des Datenschutzbeauftragten sind noch zu berücksichtigen. So müssten Äußerungen aus dem Bereich der ganz privaten Lebensgestaltung von der Aufzeichnung und Nutzung ausgenommen werden.

Auch muss der Schutz der so genannten Berufsgeheimnisträger gewahrt werden. Das Vertrauensverhältnis von Ärzten, Verteidigern, Geistlichen und Journalisten, also der Personen die nach § 53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, muss geschützt bleiben, wenn sie nicht selbst zu den Tatverdächtigen gehören. Auch ist nicht einzusehen, warum zwar die Post von Abgeordneten nicht geöffnet, aber ihr Telefon abgehört und die Gespräche mitgeschnitten werden dürfen.

Auch ist sicherzustellen, dass Erkenntnisse aus der Überwachung an andere Stellen nur weitergegeben werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht x-beliebig genutzt werden, sondern nur für Zwecke, für die sie auch vom Zollkriminalamt erhoben werden durften. Gerade bei ausländischen Empfängern solcher Erkenntnisse ist Vorsicht geboten und sind Sicherungen einzubauen.

Auch ist abzugleichen, dass andere Normen zur Telefonüberwachung, also die, die für die Polizei und die Geheimdienste gelten und die derzeit beraten werden oder zur Beratung anstehen, zu den Befugnisnormen für das Zollkriminalamt passen und nicht im Widerspruch dazu stehen. Darüber wird in den Beratungen noch zu reden sein. Nur weil wenig Zeit bleibt bis zum Jahresende, wenn die bisherigen Vorschriften des AWG nicht mehr angewandt werden dürfen, konnte der Gesetzentwurf schon jetzt ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Es bleibt also noch einiges zu tun.