Interview im Deutschlandfunk: "Eingriff in die Grundrechte aller"
26.03.2012: Am 23. März wird Hans-Christian Ströbele im Deutschlandfunk zur Debatte über die Vorratsdatenspeicherung und zu den Folgen der Terrorserie in Toulouse interviewt.
Das Interview in Auszügen:
"Nach der Terrorserie in Toulouse hat die EU-Kommission die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung in der Koalition neu entflammt. Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, hält die Forderung nach Fluggastdatenspeicherung für falsch: Im Fall des Täters in Toulouse hätte diese Speicherung überhaupt nichts bewirken können.
Dirk-Oliver Heckmann: Die EU-Kommission hat gestern dafür gesorgt, dass ein alter Streit in der Koalition neu aufflammt: der um die vorsorgliche Speicherung von Telekommunikationsdaten, der sogenannten Vorratsdatenspeicherung, etwa zur Terrorabwehr. Denn Brüssel hat Berlin eine letzte Frist gesetzt, eine entsprechende Richtlinie in nationales Recht umzusetzen - Wasser auf die Mühlen der Union, die das bereits seit geraumer Zeit einfordert.
Am Telefon begrüße ich dazu Hans-Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Tag!
Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Tag.
Heckmann: Herr Ströbele, gibt es Anlass, über unsere Sicherheitsgesetze nachzudenken, nach der Terrorserie in Toulouse?
Ströbele: Ja, natürlich. Da gibt es immer Anlass dazu, darüber nachzudenken. Das ist nie falsch. Das tun wir, das tun aber auch die Franzosen völlig zurecht. Nur dass man gleich jetzt neue rechtseinschränkende, grundrechtseinschränkende Forderungen stellt, das halte ich nicht für richtig, zumal diese Fluggast-Datenspeicherung ja hier überhaupt nichts bewirkt hätte. Das war ja möglicherweise ein einsamer Wolf, wie man so sagt, der Täter oder der mutmaßliche Täter von diesen schrecklichen Morden, aber der war ja bekannt. Er war ja den französischen Behörden bekannt. Denen war auch bekannt, dass er ins Ausland reist, auch ohne eine Fluggast-Datenspeicherung.
Heckmann: Aber in den USA stand er auf einer Einreise-Verbotsliste und in Europa lief er frei herum.
Ströbele: Ja, aber das ist doch eine Frage, die Sie an die französischen Behörden stellen. Dass er nicht nach Europa einreisen dürfte, das wäre auch nicht gewesen, wenn es eine Fluggast-Datenspeicherung gegeben hätte und wenn er da draufgestanden hätte auf der Liste. Er war französischer Staatsbürger und durfte deshalb selbstverständlich nach Europa einreisen, ganz egal was in irgendwelchen Listen steht. Und die französischen Behörden haben ja offenbar auch gewusst, dass er erstens auf der Liste der Amerikaner stand, und zweitens auch, dass er in Afghanistan gewesen ist, dass er da sogar festgenommen worden ist.
Das heißt, alles das, was möglicherweise aus einer Fluggast-Datenspeicherung hätte bekannt werden können, das wussten die französischen Behörden. Warum sie trotzdem ihn aus den Augen verloren haben und trotzdem ihn auch nach den ersten Morden nicht schneller identifiziert haben, das kann ich natürlich nicht beurteilen, weil ich die Unterlagen nicht kenne."
Das volle Interview ist hier nachzulesen und anzuhören: www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1712049/