"Keine weiteren Baumfällungen am Landwehrkanal!"
07.06.2007: Aufgrund der derzeitigen Baumfällungen am Landwehrkanal in Kreuzberg durch die Bundesschifffahrtsbehörde wendete sich Hans-Christian Ströbele mit einem Brief an den Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Herrn Wolfgang Tiefensee.
Sehr geehrter Herr Minister Tiefensee,
als Bundestagsabgeordneter des Berliner Wahlkreises Kreuzberg - Friedrichshain - Prenzlauer Berg - Ost schreibe ich Ihnen wegen der Sanierung des Landwehrkanals, der sich in diesem Bezirk Berlins befindet. Am Ufer dieses Kanals sollen ca. 200 alte Bäume gefällt werden. Zuständig ist das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA), über das Sie die Dienstaufsicht ausüben. Das WSA hat angekündigt, 200 zum Teil sehr alte Bäume am Berliner Landwehrkanal zu fällen. Begründet wird dies mit schadhaften Ufermauern, die an einigen Stellen bereits abgerutscht sind. Untersuchungen des WSA ergaben eine Unterspülung durch Schäden an tragenden Teilen der Befestigung, wodurch auch wassernahe Bäume vom Umsturz bedroht seien.
Die Absichten des WSA sind geeignet, dem Landwehrkanal nachhaltigen Schaden zuzufügen. Entlang seiner Ufer befindet sich einer der wenigen Grünzüge, die den Bewohnern der Berliner Innenstadtbezirke zur Verfügung stehen. Die Wanderwege und Bäume besitzen - auch in den Augen vieler touristischer Besucher - ein besonders Flair, sind beliebtes Naherholungsgebiet für Anwohner und wichtig für das Mikroklima des Kanals.
Die Fällpläne des WSA gefährden die besondere Qualität dieses Ortes ohne ausreichenden Grund. Ebenso wie viele Kreuzberger Anwohner habe auch ich den Eindruck gewinnen müssen, dass hier vorschnell abgeholzt werden soll. So hat sich das Amt für eine Fällung von 200 Bäumen entschieden, ohne dass im Einzelfall eine konkrete Gefährdung überhaupt geprüft wurde. Mögliche Alternativen, wie etwa die Einziehung von Spundwänden, wurden gar nicht erst erwogen. Hinzu kommt eine völlig indiskutable Informationspolitik seitens des WSA, so sind die Absichten des WSA den Anwohnern erst durch Zeitungsmeldungen bekannt geworden.
Das WSA hätte Grund zur Selbstkritik wegen der aufgetretenen Schäden am Landwehrkanal. Seit vielen Jahren beklagen Anwohner, dass viel zu große - und vor allem zu schnell fahrende - Schiffe vom WSA auf dem Kanal geduldet werden. Es spricht einiges dafür, dass die entstandenen Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe auch damit im Zusammenhang stehen könnten.
Ich bitte Sie als Dienstherrn des WSA darauf hinzuwirken, dass das Amt von seiner Forderung nach Abholzung der 200 Bäume abgeht. Stattdessen bedarf es einer genauen Begutachtung und der Entscheidung im Einzelfall, ob eine Gefährdung durch einen Baum vorliegt und nicht in anderer Weise als durch Baumfällung beseitigt werden kann. Das WSA sollte dabei die Öffentlichkeit umfassend und nachvollziehbar über ihre Maßnahmen informieren und nach Möglichkeit die Anwohner einbeziehen. Hierzu bieten sich Bürgerversammlungen oder gemeinsame Begehungen am Kanal an. Auch zu einem Gespräch mit Vertretern des WSA bin ich bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Ströbele