Sinti und Roma-Denkmal: würdig gedenken statt heutige Diskriminierung schönreden
24.10.2012: Zur heutigen Einweihung des Mahnmals für die 1933 - 1945 in Europa ermordeten Sinti und Roma erklärt Hans-Christian Ströbele: Es ist gut, dass es jetzt dieses Mahnmal gerade an diesem Ort zwischen Reichstag und Brandenburger Tor in Berlin gibt - endlich. [Mehr:]
Ich begrüße, dass den mehr als 500.000 Menschen, Sinti, Roma und anderer Minderheiten, die in Deutschland und Europa von 1933 bis 1945 unter der Herrschaft der Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, nun - fast 70 Jahre später - würdig gedacht wird. Die Gestaltung des Denkmals durch den Künstlers Dani Karavan ist eindrucksvoll gelungen.
Doch über einige Reden, die anlässlich der Einweihung gehalten wurden, habe ich mich geärgert.
Die Formulierung, dass diese Menschen "im Nationalsozialismus ermordet" wurden, ist zu allgemein und verharmlost die deutsche Schuld. Der Völkermord wurde auf Befehl und durch deutsche Nationalsozialisten begangen.
Auch die Kanzlerin ließ in ihrer Rede unerwähnt, dass die Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland durch staatliche Stellen auch nach Ende der Nazi-Herrschaft anhielt und viele Jahrzehnte die uneingeschränkte Anerkennung dieses Völkermordes und Entschädigungszahlungen staatlicherseits abgelehnt wurden und tabu waren.
Um diese zu beenden , habe ich mich schon Mitte der 80er Jahre mit Anträgen der grünen Fraktion im Bundestag engagiert, damals gegen heftige Widerstände aus anderen Fraktionen. Erst 1992 erkannte die Bundesregierung an, dass mindestens ein solches Denkmal geschaffen werden müsse.
Und bis heute gibt es diese Diskriminierung in Deutschland und Europa. Es fehlt an ausreichendem Schutz gerade auch durch die Bundesregierung.
Vermisst habe ich konkrete Stellungnahmen der Kanzlerin und anderer Redner zu andauernder Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland und dazu, dass sie- unter den Augen von NATO und deutscher Bundeswehr zu Zehntausenden im Kosovo gewaltsam und mit Feuer und Mord vertrieben wurden;
- als Flüchtlinge durch Deutschland noch heute in den Kosovo in Not, Elend und Verfolgung abgeschoben werden;
- im EU-Mitgliedstaat Ungarn nicht nur diskriminiert, sondern auf Straßen gejagt und getötet werden, oft unter Hinnahme durch den Ministerpräsidenten Orbán, Parteifreund der Kanzlerin und Vizepräsident der christdemokratischen Internationale (IDC-CDI);
- in vielen Staaten Europas wie Serbien und Mazedonien rassistischer Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt sind und Innenminister Friedrich die Ablehnung von Asylanträge aus diesen beiden Ländern stammender Flüchtlinge noch jüngst guthieß.