Wahlkampf 2013

Abrissmoratorium für den Palast der Republik

09.11.2005: Am 08. November verabschiedete die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen von Anna Lührmann und Hans-Christian Ströbele eingebrachten Antrag zum Erhalt des Palastes der Republik.

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli 2002 den Bericht der Internationalen Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" zur Kenntnis genommen und das von der Kommission vorgeschlagene Nutzungskonzept für das Areal des ehemaligen Berliner Schlosses befürwortet. Auch in der Frage der architektonischen Gestaltung hat sich der Bundestag der Expertenkommission angeschlossen. Er hat deshalb eine Überprüfung der Konzepte, der Bauvolumina, des Flächenbedarfes auf ihre Angemessenheit hin gefordert und eine Klärung der künftigen Trägerschaft verlangt (Drucksache 14/9660). Er hat die Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge zu einer privat-öffentlichen Finanzierung auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Alternativen zu entwickeln.

Die in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie liegt inzwischen vor, hat aber deutlich gemacht, das die Empfehlung der Internationalen Expertenkommission in wesentlichen Teilen nicht realisierbar ist: Das Programm des Humboldtforums müsste halbiert und 60% aller Nutzungen außerhalb des Schlossnachbaus untergebracht werden - Humboldtforum und Schlossnachbau sind kaum miteinander vereinbar. Jegliche Beteiligung von Privaten - ob als Nutzer oder Investoren - entlastet die öffentliche Hand nicht finanziell, sondern birgt allenfalls zusätzliche Risiken. Die Belastung für die öffentliche Hand, verteilt über 30 Jahre (900 - 1200 Mio. €), entsprechen in etwa der Summe, die der Bund für den Umbau der gesamten von der Schrumpfung gezeichneten Städte in Ostdeutschland von 2002 - 2009 auszugeben bereit ist. Das Gebäude wäre mit Abstand das teuerste öffentliche Bauwerk jemals in Berlin.

Die Realisierung des Schlossneubaues ist heute unsicherer als je zuvor. Es gibt bis heute weder einen Bauherren, noch ein belastbares und konkretisiertes Nutzungskonzept, weder eine Finanzierung, noch einen architektonischen Entwurf, nicht einmal einen gangbaren Realisierungspfad. Ein Baubeginn wird nicht vor 2012 zu realisieren sein.

Ohne gesicherte Planung für die zukünftige Gestaltung ist ein Abriss des verbliebenen Kerngebäudes des Palastes der Republik in mehrfacher Hinsicht problematisch:

Ohne konkrete und zu realisierende Planung für eine Neugestaltung droht mit dem Abriss des Palastgebäudes eine leere, zugige Brache, wie sie nach dem Schlossabriss durch Ulbricht 23 Jahre lang bestand. Die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner - hierunter auch Schlossbefürworter - sprechen sich deshalb dafür aus, den Palast bis zum Neubau des Schlosses stehen zu lassen (Emnid Umfrage Januar 2005, siehe Welt 31.1.2005) und keine Grünfläche als Zwischenlösung anzulegen. Das Gutachten macht deutlich, dass Abrissplanung, Neuplanung des künftigen Gebäudes und Streckenplanung der U-Bahn U5 in integrierter Form erfolgen müssen, weil in erheblichem Umfang Steuergelder eingespart werden können, wenn man im Rahmen einer integrierten Planung Synergieeffekte positiv nutzt (Bulwien-Gutachten, Pkt. 4.1.2., S. 38). Darüber hinaus macht das Gutachten einen Neubauvorschlag für den Ostabschluss des künftigen "Schlossgebäudes", der im Wesentlichen dem Grundriss des Palastes bzw. der östlichen Hälfte des Palastes folgt. Dies entspricht auch einigen bisherigen Vorschlägen, die ebenfalls als östlichen Abschluss Teile des "Palastes" vorsehen. Ein Abriss oder Teilabriss des Palastes heute, um in einigen Jahren einen ganz ähnlichen Baukörper an die gleiche Stelle zu setzen, ist insbesondere im Zusammenhang mit den vom Gutachten deutlich gemachten Gründungsproblemen zu finanziell nicht zu verantworten. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Der Palast der Republik sollte nicht abgerissen werden, solange nicht eine realistische und durchführbare Neubebauung des Schlossplatzes planerisch konkretisiert und von den notwendigen politischen Gremien beschlossen worden ist.

2. Bis dahin sollten das Gebäude und die für den Abriss eingeplanten Mittel einem vertrauenswürdigen kulturellen Träger übergeben werden, um hier in provisorischer Form Programmelemente eines ausgearbeiteten, durchdachten und zukunftsweisenden Konzepts eines Humboldtforums experimentell zu realisieren, zu erproben und zu entwickeln.

3. Die Planung für die langfristige Neugestaltung ist zügig voranzutreiben. Nachdem bekannt geworden ist, dass der Bundestagsbeschluss vom Juli 2002 nur mit unerwarteten Einschränkungen und Schwierigkeiten in Hinsicht auf Nutzung, Baukörper und Kosten realisierbar wäre, sind für das Programm des Humboldtforums andere bauliche Varianten als die vom Bundestag empfohlene in Hinsicht auf ihre jeweiligen Vor- und Nachteile zu prüfen.