Wahlkampf 2013

Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung

21.06.2001: Gesetz zur Stärkung der Verletztenrechte

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, dass wir uns endlich einmal alle einig sind. Herr Kollege, da Sie die Koalition und die Bundesregierung angegangen sind - Sie machen immer wieder dasselbe -, muss ich Ihnen einfach sagen: Wenn Ihnen das so am Herzen liegt, dann hätten Sie das schon vor vielen Jahren machen können.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Wir haben doch so viel gemacht! Das wissen Sie doch! - Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie werden doch im Traum nicht so viel erreichen, wie wir erreicht haben! Sie meinen, nach 16 Jahren CDU/CSU-F.D.P.-Re-gierung hört die Justiz auf?)

Wir haben uns mit der Bundesregierung zusammenge-setzt und über eine ganze Reihe von Vorschlägen diskutiert. Nun ist ein Gesetzentwurf in der Mache, der noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Der Gesetz-entwurf, der verabschiedet werden wird, wird wesentliche Teile des Gesetzentwurfs des Bundesrates übernehmen. Die Teile, die wir hinzufügen, sind ein kleines bisschen besser. Genau darauf komme ich nun zu sprechen.

Wir sehen natürlich - gerade die Bündnisgrünen haben das immer gesagt -, dass die Opfer von Straftaten in den Strafverfahren sehr häufig nicht anständig behandelt werden: Sie werden schikanösen Vernehmungen ausgesetzt, sie werden über ihre Rechte und Möglichkeiten im Strafverfahren nicht ausreichend informiert und können sie deshalb nicht wahrnehmen. Daher finden wir es positiv und richtig - auch das gehört in das Gesetz hinein -, dass die Opfer von Straftaten möglichst früh, möglichst bei der ersten Anzeige, über ihre Rechte informiert werden: dass sie natürlich die Möglichkeit haben, sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen, der zur Not vom Staat bezahlt wird. Wir sind ebenfalls dafür, dass die Opfer von Straftaten zu Vernehmungen bei der Polizei oder vor Gericht grundsätzlich Personen ihres Vertrauens mitnehmen können, wenn dem nicht ganz besondere Gründe entgegenstehen. Das hilft ihnen, das stärkt sie, das macht sie sicher. Deshalb ist es gut so.

Wir wollen natürlich auch, dass die Opfer von Straftaten darüber informiert werden, dass ein Strafprozess über das, was sie angezeigt haben, überhaupt stattfindet. Häufig wissen sie das gar nicht. Jahre später - manchmal überhaupt nicht - erfahren sie, dass inzwischen ein Strafverfahren stattgefunden hat. Sie wissen gar nicht, was dabei herausgekommen ist, weil sie daran nicht beteiligt waren. Auch das soll nicht sein. Sie sollen über die Termine informiert werden, damit sie die Gelegenheit haben, zu erfahren, was eigentlich passiert.

Wir sind darüber hinaus dafür, dass Opfer von Straftaten bei körperlichen Untersuchungen, vor allem bei solchen, durch die in den Intimbereich eingegriffen wird, entscheiden können, ob sie - das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer - von einer Ärztin oder einem Arzt oder von einer weiblichen oder von einer männlichen Person untersucht werden. Ich denke, es gehört zur Würde des Menschen, dass er dieses Wahlrecht hat. Es muss ihm also grundsätzlich eingeräumt werden.

Wir wollen auch, dass die Opfer von Straftaten nicht erst in der Hauptverhandlung, wenn sie zum Beispiel als Nebenkläger auftreten, sondern schon im Vorverfahren die Unterstützung eines Rechtsanwaltes haben, dass sie entsprechende Informationen bekommen und beteiligt werden sowie dass sie schon im Vorverfahren Personen ihres Vertrauens hinzuziehen dürfen.

Ein ganz großer Missstand, den ich auch aus meiner Praxis als Strafverteidiger kenne, ist, dass die Opfer von Straftaten nicht nur nichts über die Verfahrenseinstellung erfahren - viele Verfahren werden ja nach § 153 oder § 153 a der Strafprozessordnung eingestellt -, sondern auch nicht am Verfahren beteiligt werden. Sie erfahren vielleicht erst von Nachbarn, wie das Verfahren ausgegangen ist; sie sind völlig überrascht - man hört oft die Frage: Der ist so davongekommen? Es hat noch nicht einmal ein Strafverfahren stattgefunden? - und haben überhaupt kein Verständnis für die Verfahrenseinstellung. Ich denke, es ist im Interesse aller, sowohl der Verletzten als auch der Beschuldigten, wenn die Verletzten schon in einem frühen Stadium, also vor der Hauptverhandlung, über eine beabsichtigte Einstellung des Verfahrens informiert werden, und wenn sie Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen, um dann möglicherweise Argumente vorzubringen, warum diese Geldbuße oder jene Auflage nicht ausreicht, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen.

Das ist eine ganze Reihe von Punkten, die man bedenken muss und die im Gesetz berücksichtigt werden müssen, damit sich die Opfer von Straftaten in Zukunft nicht mehr als Opfer von Strafprozessen fühlen müssen. Das wollen wir nicht. Das entsprechende Gesetz ist in Vorbereitung. Wir haben in zahlreichen Diskussionen weitgehende Einigkeit erzielt. Die Anregungen des Bundesrates sind uns sehr willkommen. Wir werden darüber im Rechtsausschuss beraten. Ich bin sicher, dass wir angesichts des bisherigen Tempos noch in dieser Legislaturperiode einen gemeinsamen Gesetzentwurf verabschieden werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (C)