Wahlkampf 2013

Google, Apple, Amazon, Starbucks, Microsoft: obszöne Steuerflucht international tätiger Konzerne und Steueroasen-Wettlauf verhindern

28.02.2013: Finanzminister verweigert Auskunft auf Ströbeles Frage, welche in Deutschland tätigen internationale Unternehmen ihre hiesigen Gewinne findig lieber anderswo zum Dumping-Tarif versteuern (wie Google mit 3% und Microsoft mit 1% Steuersatz)

Frage und Antwort hier im Video des Parlamentsfernsehens: webtv.bundestag.de/player/macros/_v_f_46_de/od_player.html?singleton=true&content=2197804

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Ströbele:

Welche in Deutschland niedergelassenen oder tätigen großen Unternehmen - wie etwa Google, Apple, Amazon, Starbucks-, die in einem der wichtigsten Börsenindizes geführt werden - der Deutschen Börse AG, zum Beispiel DAX, SDAX, MDAX, TecDAX; in EURO STOXX 50, Dow Jones, Nikkei 225, S&P 500, NASDAQ 100, FTSE 100, SMI, AEX oder in RTS -, führen nach Kenntnis der Bundesregierung auf ihre im Ausland und speziell in Deutschland erzielten Unternehmensgewinne Steuern lieber in anderen Staaten nur in Höhe von unter 20 Prozent ab - etwa in den USA, Irland, den Niederlanden, Zypern oder den karibischen Staaten -, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung kurz- und mittelfristig gegenüber diesen Unternehmen (etwa den vom Steuerabteilungsleiter des Bundesministeriums der Finanzen gelisteten und in Vorträgen publizierten US-Konzernen, vergleiche die Welt, 19. Februar 2013) sowie bezüglich der oben genannten Staaten mit solchen Niedrigsteuerangeboten, vor allem der EU-Staaten, die EU-Finanzhilfen erhielten, erhalten bzw. wünschen, ergreifen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:

Herr Kollege Ströbele, ich bedanke mich für diese Frage; denn sie gibt mir die Möglichkeit, hier die umfassenden Aktivitäten des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble im Hinblick auf eine anständige Besteuerung der multinationalen Konzerne deutlich darzulegen. Ich will Sie darauf hinweisen, dass es aufgrund der deutsch-britischen Initiative, bei diesem Thema im Rahmen der G 20 noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung zu kommen, gerade beim letzten Treffen der Finanzminister der G 20 - und dieses Thema wird von den G 20 zu adressieren sein - zu einem erheblichen Fortschritt in der Debatte gekommen ist. Uns geht es um eine faire Besteuerung und ein gemeinsames, international abgestimmtes Vorgehen gegen aggressives Verhalten multinationaler Unternehmen im Hinblick auf Steuern. Deswegen beabsichtigen wir, auf dem nächsten G-20- Finanzministertreffen wichtige Schlussfolgerungen aus dem Projekt "Base Erosion and Profit Shifting" zu ziehen, das die OECD für die G 20 durchführt und sich mit der Erosion der Steuerbasis und der Verlagerung von Profiten beschäftigt.

Wir werden darüber zu diskutieren haben, wie mit unterschiedlichen Fallkonstruktionen des deutschen Steuerrechts umzugehen ist, etwa in Bezug auf ausländische Konzerne, die in Deutschland Leistungen erbringen, aber hier nicht steuerpflichtig sind, oder auf ausländische Konzerne mit Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten in Deutschland. Schließlich müssen wir über Maßnahmen der Bundesregierung gegen Niedrigsteuerangebote von Staaten insbesondere in der EU diskutieren. Wolfgang Schäuble hat diese Themen auf die internationale Tagesordnung gesetzt; die Bundesregierung hat die Debatte vorangetrieben. Insofern bedanke ich mich, dass Sie mir mit Ihrer Frage die Möglichkeit geben, auf diesen Aspekt der Steuergerechtigkeit hinzuweisen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Ströbele, bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Staatssekretär, Ihre Antwort ist keine Antwort auf meine Frage. Lesen Sie doch einmal den ersten Teil meiner Frage durch. Da steht sinngemäß: Welche der aufgeführten DAX-Unternehmen versteuern nach Kenntnis der Bundesregierung ihre Gewinne, die sie auch in Deutschland erzielen, nicht in Deutschland, sondern allenfalls irgendwo im Ausland, und zwar zu einem Steuersatz von unter 20 Prozent? Ich habe jetzt von Ihnen erwartet, dass Sie die einzelnen von mir genannten Unternehmen und auch andere aufführen und sagen, auf welche dies zutrifft, und vielleicht auch gleich die Summe hinzufügen, die hier nicht versteuert wurde und in Sicherheit gebracht worden ist.

Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, da Sie im Zivilberuf Rechtsanwalt sind, wissen Sie aufgrund Ihrer umfassenden juristischen Expertise, dass die Bundesregierung Ihnen aufgrund des Steuergeheimnisses keine Information über eine einzelne in Deutschland ansässige Gesellschaft geben darf. Von daher verwundert es mich, dass Sie von mir hier einen Rechtsbruch vor dem Deutschen Bundestag erwarten. Ich darf Ihnen aber ausdrücklich bestätigen, dass wir die internationale Debatte über die steuerrechtlich offene Bilanzanalyse der internationalen Konzerne zum Anlass genommen haben, das Projekt BEPS auf die Tagesordnung zu setzen. Ich bin gerne bereit, Ihnen die Erkenntnisse der Steueranalysten - nicht die der Bundesregierung - über die erschreckend niedrige Besteuerung von in Europa rwirtschafteten Gewinnen zur Verfügung zu stellen. (27.843 B) In der wissenschaftlichen Literatur wird beispielsweise davon ausgegangen, dass Microsoft den im Ausland erwirtschafteten Gewinn in den USA mit ungefähr 1 Prozent versteuern muss, Google mit 3 Prozent. Dies liegt deutlich unter den von uns angestrebten Unternehmensteuersätzen. Deswegen überprüfen wir im Rahmen des BEPS-Projektes die Angaben der wissenschaftlichen Literatur, um daraus die notwendigen steuerpolitischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn man seine Gewinne lediglich mit 1 Prozent versteuern muss, dann empfinden wir das als unangemessen niedrig. Deshalb werden wir uns von keinem überholen lassen, wenn es darum geht, diese unfaire und ungerechte Benachteiligung, beispielsweise der vielen anständigen, in Deutschland Steuern zahlenden Unternehmen, zu beseitigen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Zweite Nachfrage, Kollege Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie wenigstens ein Unternehmen nennen und auch die Steuersätze benennen, die tatsächlich gezahlt werden, nämlich 1 Prozent. Das ist immerhin eine kleine Anfangsinformation; ich bin damit aber nicht zufrieden. Sind Sie denn wenigstens bereit, Gesamtsummen zu nennen? Wie viele Milliarden an Gewinnen werden ins Ausland transferiert und dort mit 1, 3 oder 15 Prozent versteuert? Wie viele Steuereinnahmen entgehen dem deutschen Fiskus durch diese Steuerflucht?

Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, ich wiederhole, dass ich Ihnen keine Primärerkenntnisse nennen kann. Ich habe nur auf die Analyse von Bilanzen durch Steuerjuristen und Steuerökonomen abgehoben, die in der wissenschaftlichen Literatur bisher vorhanden sind. Wir werden uns dieses Problems innerhalb der G 20 annehmen müssen. Sie sind nicht der Erste, dem das aufgefallen ist. Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht keinerlei Nachholbedarf. Vielmehr haben wir mit unseren europäischen Partnern, die am Anfang der Debatte überhaupt nicht begeistert waren - in Teilen zumindest -, hier die Dinge etwas voranzutreiben, im Rahmen der G 20 einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Wir wollen eine faire Besteuerung. Wir wollen, dass die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne möglichst umfassend durch das deutschen Steuerrecht erfasst werden, sodass es keine Erosion der Steuerbasis und keine von den europäischen Steuerbürgern als illegitim empfundene Verschiebung von Profiten innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union geben wird. Nochmals: Wir bedanken uns für die Möglichkeit, unsere Aktivitäten darzulegen, und hoffen bei unseren internationalen Bemühungen auch auf die Unterstützung der Opposition.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. -