Wahlkampf 2013

Ströbele protestiert im Bundestag gegen irreguläre Flüchtlings-Rückschiebungen aus Griechenland in die Türkei mit Billigung der EU-Grenzschutzbehörde FRONTEX

06.07.2016: In der heutigen Fragestunde des Bundestags protestierte Christian Ströbele dagegen, dass die griechische Küstenwache in der Ostägäis offenbar vielfach Bootsflüchtlinge aus griechischen Gewässern auf EU-Gebiet unter Gewaltdrohungen direkt zurückschob an die herbeigerufene türkische Küstenwache. Ströbele: "Das widerspricht allem, was die Bundesregierung uns zur dortigen Praxis zusicherte, und verstößt gegen EU-Recht sowie die Genfer Flüchtlinskonvention."

Zu einem solchen sogar fotografisch dokumentierten Fall vom 11.6.2016, in dem ein rumänisches FRONTEX-Schiff den Vorgang aus unmittelbarer Nähe tatenlos verfolgte, übermittelte Christian Ströbele dem BMI detaillierte Unterlagen. Der BMI-Staatssekretär Krings sagte zu, den Vorgang bei der Warschauer Frontex -Zentrale nochmals überprüfen zu lassen. Auch zwei deutsche Bundespolizei-Schiffe sind an der Frontex-Mission in der Ostägäis beteiligt; die Bundesmarine setzt dort ein Schiff ein.

Fragestunde des Bundestags 6.7.2016 Frage Nr. 5 von MdB Ströbele hierzu an das Bundesministerium des Inneren:

Was teilt die Bundesregierung über ihre Aufklärungsbemühungen sowie deren Ergebnisse dazu mit, dass die griechische Küstenwache zusammen mit Frontex-Schiffen Flüchtlinge schon in EU- bzw. ostägäischen Gewässern mit Waffendrohung gezwungen haben sollen, am 11. Juni 2016 auf herbeigerufene türkische Grenzschutzboote überzuwechseln, bevor sie Asylanträge stellen konnten (vgl. taz 16./17. Juni 2016), insbesondere ob Hinweise deutscher Stellen oder des deutsch geführten dortigen NATO-Flottenverbands dazu beitrugen?

VIDEO aus der Fragestunde
Ab Minute 0:25 - 4:35
(inkl. 2 Zusatzfragen von Christian Ströbele)

Protokoll zum Nachlesen

Hintergrund-Informationen zu dem o.g. Vorfall und zu dieser Rückschiebungspraxis:

Sachverhalt: Seit Jahren berichten Menschenrechtsorganisationen über gewaltsame bis tödliche Pushback-Aktionen durch offizielle Instanzen. Einen nun dokumentierten Vorfall durch die Türkische Küstenwache kritisieren wir scharf. Es ist auch ein Verstoß gegen europäisches und internationales Recht.

WatchTheMed konnte am 11. Juni 2016 gegen 4 Uhr früh eine solche Zurückschiebung dokumentieren, die von der griechischen Küstenwache ausging. Mit Waffengewalt wurde ein Flüchtlingsboot, das sich gerade zwischen Chios (Griechenland) und Cesme (Türkei) befand, an die türkische Küste zurück gedrängt, obwohl sie sich bereits in griechischem Territorium befanden. An Bord waren 53 Personen, darunter 14 Kinder und 3 Alte aus Syrien, Eritrea und dem Irak. Ebenfalls Zeuge dieses illegalen Pushbacks waren zwei Frontex-Schiffe, die sich in unmittelbarer Nähe befanden und nicht zugunsten der Geflüchteten eingriffen. Gegen 5 Uhr erreichte das Boot griechische Gewässer und fuhr auf ein Boot der griechischen Küstenwache zu. Deren Besatzung nahm sie um 4:52 auf behauptete, die Flüchtlinge nach Chios bringen zu wollen: Im Hintergrund ein rumänischen Frontex-Schiff (wie sie seit etwa 2009 im Rahmen gemeinsamer Frontex-Missionen in die Ägäis entsandt werden). Aber um 5:22 zeigten Fotos, dass die griechischen Soldaten die Flüchtlinge unter Androhung von Gewalt** auf ein türkisches Küstenwachboot zu wechseln zwangen. Dies geschah noch innerhalb griechischer Gewässer, ca 500 Meter von der Grenzlinie entfernt. Um 5:36 bestätigten die Flüchtlinge nochmals, nun zurückgewiesen worden zu sein. Um 7:09 übermittelten sie Fotos von sich aus dem türkischen Hafen Cesme. Dort seien die Flüchtlinge zunächst ins Gefängnis gebracht, aber nach und nach freigelassen worden Mehr dazu hier: www.watchthemed.net/reports/view/521

Mit FOTOS von dem Vorgang: ffm-online.org/2016/06/16/die-folgen-des-tuerkei-deals-alarm-phone-presseerklaerung/

"Sie halten Waffen auf unsere Köpfe und drohen zu schießen, wenn wir nicht auf das türkische Boot umsteigen‘ ", habe einer der Syrer ihm berichtet, sagt R.. Der (griechische) Einsatzleiter habe jene Flüchtlinge, die Englisch können, aufgefordert, den folgenden Satz zu übersetzen: "Sag ihnen, dass ich euch umbringe, wenn ihr noch einmal hierherkommt."

PRESSE dazu (TAZ 16./17.6.2016)

17.6.16: "Bundesregierung weiß von fast nichts": www.taz.de/!5314336/ _> Die Bundespolizei stellt Frontex derzeit zwei Boote samt Besatzung zur Verfügung, um gemeinsam mit der griechischen Küstenwache die Hoheitsgewässer in der Ägäis zu überwachen. Die Bundeswehr hat ein Schiff in der Region im Einsatz. Im Auftrag der Nato beobachtet es Flüchtlingsbewegungen zwischen der Türkei und Griechenland und meldet sie an die Küstenwachen beider Länder.

16.6.16: "Rabiater Rechtsbruch": www.taz.de/EU-schiebt-Fluechtlinge-illegal-zurueck/!5310727/

17.6.16 "Unter den Augen der EU": www.taz.de/Kommentar-Pushbacks-von-Fluechtlingen/!5310748/ …Praxis, ankommende Flüchtlinge auf dem Meer zu stoppen und zur Umkehr zu zwingen. Dass dies gegen EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 im sogenannten Hirsi-Urteil entschieden. Griechenland hat das nicht interessiert. Hunderte Berichte über solche Zurückschiebungen in die Türkei sind dokumentiert. Im Januar 2014 starben dabei elf Menschen. Die EU-Grenzschützer von Frontex sind seit Jahren von Ort, das Unwesen der griechischen Küstenwache haben sie mindestens toleriert - und jede Verantwortung dafür bestritten.

FRÜHERE Vorfälle: In einem AI dokumentierten Fall Ende Februar 2013 schob die griechische Küstenwache ein mit 42 Flüchtlingen besetztes Schlauchboot zurück in türkische Gewässer, schlug sie und nahm ihnen den Motor, alles Geld und Habe ab (www.euronews.com/2015/08/25/greece-routinely-pushes-back-immigrant-boats-out-to-sea-says-amnesty/) . Schon im November 2013 hatten UN und EU-Kommission Griechenland wegen vieler solcher Fälle aufgefordert, an dessen Seegrenze zur Türkei nicht länger v.a. syrische Flüchtlinge direkt dorthin zurückzuschieben. Gleichwohl forderte im Januar 2016 der belgische Innenminister die griechische Grenzpolizei unverhohlen auf, genau diese Praxis fortzuführen. www.keeptalkinggreece.com/2016/01/28/2013-eu-commission-warns-greece-refugees-push-backs-illegal-2016-belgium-begs-greece-to-push-back-refugees-let-them-drown/ Zwischen November 2014 bis August 2015 wurden allein Amnesty International 11 weitere Fälle solcher Zurückschiebungen an den griechisch-/türkischen See- und Landgrenzen gemeldet, woraufhin die Staatsanwaltschaft Thessaloniki die Polizei zu internen Ermittlungen gegen daran beteiligte Grenzpolizisten verpflichtete: www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/greece/report-greece/ EU-Kommissions-Vizepräsidentin Mogherini antwortete am 4. Juli 2016 auf Anfrage einer MdEP, bei der NATO-Marinemission in der Ostägäis unter Beteiligung von Frontex beachteten alle Beteiligten Schiffs-Steller internationales und ihr nationales Recht beim Umgang mit Flüchtlingen: www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2016-001773&language=EN