Wahlkampf 2013

Bericht der Netzzeitung zum BND-Untersuchungsausschuss

Der BND, Bagdad und noch viele Fragen 26. Nov 15:51

Ein Ritual setzt sich fort: Ex-Außenminister Fischer und sein Nachfolger Steinmeier sind beim BND-Untersuchungsausschuss zu Gast. Doch auch die Agenten im Kosovo drängen auf die Tagesordnung.

Angesichts der übermächtigen Großen Koalition ist er für die Opposition ein wichtiges Werkzeug: Der Untersuchungsausschuss des Bundestages, zu dem sich die Abgeordneten am Donnerstag zum 107. Mal versammeln. Flankiert von Assistenten und Aktenordnern befragen die elf Parlamentarier und ihre Stellvertreter im Bundestagsgebäude vier Nachrichtendienstler und einen Unterabteilungsleiter des Bundeskriminalamts, um herauszufinden, was zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes im Irak taten. Insbesondere ist von Interesse, ob das dort 2003 installierte Duo durch die Weitergabe von Gelände-Koordinaten den US-geführten Anti-Terror-Truppen half, im Luftkrieg gegen Saddam Hussein Bomben zu platzieren. Allgemein geht es um die Frage, ob Deutschland entgegen allem politischen Willen am Irak-Krieg beteiligt war.

Reihum fragten in 106 Sitzungen Koalitionsabgeordnete und Oppositionsmitglieder, manchmal bis in die Nacht. Oft überwiegen in dem repräsentativen Europasaal des Paul-Löbe-Hauses am Berliner Spreebogen Geheimhaltungsinteressen gegen das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit: Kommen im Sitzungssaal allzu geheime Akten auf die Tische, schickt der Ausschusschef die Journalisten vor die Tür.

Nach 106 Runden ist das öffentliche Interesse am BND-Ausschuss stark erschlafft. Nur wenige Zeugenauftritte schafften es auf die ersten Zeitungsseiten, darunter die der Geheimdienstpräsidenten, der von Ex-Außenminister Fischer (war schon zweimal da) und seinem Amtsnachfolger Steinmeier (der frühere Kanzleramtschef kommt zum fünften Mal).

Dazwischen liegt hingegen mühsame Kleinarbeit: Journalisten mussten während geschlossener Sitzungen stundenlang vor den Türen ausharren. Oft folgte dem ein dürres Mikrofon-Statement der Ausschuss-Obleute, mit dem meist von Opposition und Koalition jeweils zu erwartenden Inhalt.

Insofern ist Michael Hartmann froh, für Donnerstag ankündigen zu können, dass bei der Befragung zweier mittlerweile pensionierte Informationsbeschaffer die Journalisten zuhören dürfen - zunächst. Wenn die beiden für danach geladenen anonymen BND-Lagestabsoffiziere ans Mikrofon gehen, müssen die Reporter wieder raus. Viele der geheimen Sitzungsprotokolle, so lockt Hartmann, werde der Bundestag später hoffentlich herabstufen, so dass sie jedermann lesen dürfe.

Für den SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss steht das Ergebnis der Irak-Komplexes schon seit Wochen fest: "Deutschland hat sich am Irak-Krieg nicht beteiligt", auch nicht durch seinen Auslandsgeheimdienst. Er beruft sich unter anderem auf den anonymen Ausschusszeugen "38b", ein "Schlüsselzeuge". Der Agent war der Verbindungsmann des BND zur US-Seite in deren Quartier in Doha. Er habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Partner Koordinaten von Gebäuden, Stellungen oder anderen aufgeklärten Orten nur zeitverzögert erhalten hätten. Zudem seien die übermittelten Positionsdaten nur in Längen- und Breitengraden, -minuten und -sekunden übermittelt worden. Präziser als auf 700 Quadratmeter lasse sich ein Ziel so nicht beschreiben - für gezielte Bombardements zu ungenau. Generell seien die BND-ler stets gehalten gewesen, nichts zu übermitteln, was sich im Kampf gegen Saddams Leute militärisch hätte nutzen lassen.

Unsinn, sagt Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele. Die Daten reichten aus, Stadtbilder und Positionen zu veranschaulichen. Die Agenten hätten die Koordinaten ja auch mit Ortsbeschreibungen ergänzt und somit für Zielbeschreibungen "allemal tauglich" gemacht. Und, so ergänzen Ströbeles Mitarbeiter, sei das US-Militär ja nicht nur an Bombenzielen, sondern auch an Informationen über die Stärke gegnerischer Stellungen interessiert gewesen. Und jene erwähnte Weisung, nichts Kriegsrelevantes zu übermitteln, habe die Bundesregierung nachweisbar nur mündlich erteilt.

Einig wird man sich nie sein, soviel steht fest. Dreimal versammeln ich die Abgeordneten noch dieses Jahr, um neben Steinmeier und Fischer noch den früheren Außenstaatssekretär Jürgen Chrobog zu befragen, auch BND-Chef August Hanning und sein Nachfolger Ernst Uhrlau stehen auf der Zeugenliste. Ob Altkanzler Gerhard Schröder eine Einladung erhält, hängt für Grüne und SPD von den Ergebnissen der terminierten Sitzungen ab und könnte sich schon am Donnerstag entscheiden.

Parallel soll, aus aktuellem Anlass, auch das Parlamentarische Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages tagen. Die neun Abgeordneten verlangen vom BND Informationen über eine mögliche Verstrickung dreier Agenten in einen Sprengstoffanschlag auf die EU-Niederlassung im Kosovo. In Pristina sitzen die Geheimdienstler seit letzter Woche in Untersuchungshaft. Die Bundesregierung schloss ein Mitwirken der Agenten an dem Anschlag aus, auch Hartmann ist überzeugt, dass das Trio lediglich aufklären wollte, als es am Tatort gesehen wurde.

Im September 2009 ist Bundestagswahl. Bis zu seiner finalen Sitzung Anfang Juli will der BND-Untersuchungsausschuss nunr noch einen letzten Themenkomplex erhellen: die Bespitzelung von Journalisten durch den BND. Möglicherweise bekommen die Parlaments-Aufklärer aber noch mehr zu tun.

Autor: Tilman Steffen

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