Wahlkampf 2013

Sie haben/ Ihr habt Post - ein Brief von Ströbele

21.09.2009: Christian Ströbele berichtet von seiner Arbeit als Wahlkreisabgeordneter in der letzten Legislaturperoide und bewirbt sich erneut um Ihre/Eure Erststimme.

  
 

"Christian beim Stecken der Bürgerbriefe in Prenzlauer Berg"

Liebe Wählerin, lieber Wähler,

am 27. September wird der Bundestag neu gewählt. Seit 1998 bin ich Mitglied dieses Parlaments und der bündnisgrünen Fraktion. 2002 hat mich eine Mehrheit der Bevölkerung im Berliner Wahlkreis 84 mit der Erststimme direkt gewählt, 2005 sogar mit 43,3 Prozent der Stimmen. Seither vertrete ich diesen mittlerweile bundesweit berühmten Wahlkreis, zu dem die Stadtteile Kreuzberg, Friedrichshain und der östliche Teil vom Prenzlauer Berg gehören, im Deutschen Bundestag. Dort versuche ich, Ihre Interessen wahrzunehmen und bei Abstimmungen im Sinne der Menschen im Wahlkreis zu handeln. Diese politische Arbeit möchte ich gerne fortsetzen.

Ich habe gelernt, in der Politik braucht man einen langen Atem und Beharrlichkeit. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist noch lange nicht vorbei. Ich fürchte, das dicke Ende kommt nach der Wahl, wenn die Regelungen zur Kurzarbeit auslaufen und neue Kredite und Subventionen benötigt werden. Und dann stellt sich die Frage, wer das alles bezahlt.

Die große Koalition aus Union und SPD hat den Bundestag entmachtet und dem Finanzminister freie Hand gegeben. Die Abgeordneten dürfen über die Verwendung Hunderter Milliarden nicht mitentscheiden, sie werden nicht einmal informiert. Bekommt etwa die Hypo Real Estate Bank, die bereits mehr als 110 Milliarden Euro an Krediten und Garantien erhalten hat, noch mehr Geld? Wann ist Schluss mit staatlicher Hilfe?

Meine parlamentarischen Anfragen dazu hat die Bundesregierung nicht beantwortet. Genauso wenig meine Fragen, welche Auflagen für die Geschäfte, für Zahlungen an Manager und Aktionäre den Banken gemacht wurden, die Staatshilfen erhalten haben. Es ist nicht einzusehen, dass für die Erhöhung vom Arbeitslosengeld II auf 420,- Euro, für Renten, für genug Lehrerkräfte in Schulen, Bildungseinrichtungen sowie für den Klima-schutz kein Geld da ist, während Millionen-Boni an Vorstände von Banken fließen, die mit Steuergeldern vor der Insolvenz gerettet wurden. Dass die Regierung Hunderte von Milliarden ohne Kontrolle des Bundestags für Banken und Konzerne bereitstellt, verstößt gegen Grundsätze der Demokratie und Grundrechte des Parlaments. Das will ich nicht einfach hinnehmen. Ich will eine Änderung dieser Politik erreichen, mit Initiativen im Bundestag, öffentlichem Druck und notfalls durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht.

Beharrlichkeit braucht auch der Widerstand gegen den Afghanistan-Krieg. Von Anfang an habe ich im Bundestag gegen die Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt. Ich sehe mich durch die Entwicklung auf schreckliche Weise bestätigt. Weit über zehntausend Menschen sind in diesem Krieg schon getötet worden, die Zahl der Verletzten liegt weit höher. Trotz immer mehr Nato-Soldaten hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Das gilt auch für den Norden, das Einsatzgebiet der Bundeswehr. Inzwischen sind fast hunderttausend Besatzungssoldaten im Einsatz, so viele wie die Sowjetunion in Afghanistan stationiert hatte - vor ihrem erzwungenen Abzug. Die Bundesregierung aber leugnet den Krieg und hat angekündigt, dass deutsche Soldaten noch 10 Jahre in Afghanistan bleiben müssen.

Dabei gibt es Alternativen: Ich und viele andere setzen sich dafür ein, den Krieg in verantwortbarer Weise zu beenden, und haben dazu eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Als ersten Schritt fordern wir eine Ausstiegsstrategie, die sofortige Beendigung der Bombardements und die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Im Dezember wird der Bundestag über die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes entscheiden. Alle BundestagskandidatInnen sollten deshalb vor der Wahl sagen, wie sie abstimmen werden. Ich jedenfalls werde nicht aufhören, mich für das Ende des Krieges einzusetzen.

Dass man in der Politik einen langen Atem braucht, zeigt auch der CDU-Spendenskandal und der Fall des Waffenlobbyisten Schreiber. Dieser hatte in den 90er Jahren die politische Landschaft mit "Spenden" an die CDU/CSU gepflegt. Einen Koffer mit 1 Million DM in bar erhielt der Schatzmeister für die Partei, 100 000 DM landeten beim heutigen Innenminister Schäuble und 3,8 Millionen auf einem Konto für den damaligen CSUStaatssekretär Pfahls. Herr Schreiber wollte Hilfe für Waffengeschäfte. 2002 befragte ich als Mitglied in einem Untersuchungsausschuss Herrn Schreiber in Kanada. Damals fühlte er sich noch sicher. Jetzt sitzt er nach seiner Auslieferung in Augsburg im Gefängnis. Vielleicht macht Herr Schreiber seine Ankündigung wahr und packt nach der Wahl mit der vollen Wahrheit über die Korruptionsaffäre aus.

In den vergangenen drei Jahren habe ich in einem anderen Untersuchungsausschuss des Bundestags intensiv daran gearbeitet, die Geheimdienstaffären aufzuklären. Wir haben viel herausgefunden, unter anderem dass die Rückkehr des Guantanamo-GefangenenKurnaz nach Bremen von der Bundesregierung abgelehnt wurde und dass der Bundesnachrichtendienst heimlich die USA im Irak-Krieg unterstützt hat. Aber wir konnten nicht feststellen, wer genau in der früheren Regierung die Verantwortung für diese Hilfe im Krieg trägt. Denn die Regierung hat die Herausgabe wichtiger Akten verweigert und Unions- und SPD-Fraktionen haben sie unterstützt. Dagegen habe ich mit anderen Abgeordneten beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Wir haben Recht bekommen. Die Verweigerung der Akteneinsicht war verfassungswidrig. Jetzt könnten wir die noch offenen Fragen klären. Dank unserer Klage und des Urteils wird es zukünftig auch einfacher sein, Skandale aufzudecken und die Geheimdienste zu kontrollieren.

In der grünen Bundestagsfraktion bin ich für Bürgerrechte, für die Innen-, Rechts- und Frauenpolitik zuständig. Wir haben gegen immer neue Gesetze zur Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten gekämpft. Häufig vergeblich. Union und SPD haben mit ihrer satten Mehrheit im Bundestag beschlossen, dass das Bundeskriminalamt private Computer online durchsuchen, Wohnungen videoüberwachen darf und Telekommunikationsdaten auch von Unverdächtigen gespeichert werden. Der Staat und private Konzerne sammeln und verarbeiten immer größere Mengen unserer aller Daten. Ich will die Rechte der Bürgerinnen und Bürger wieder herstellen und die Rechte der Verbraucher stärken. Deshalb streite ich auch für ein modernes Datenschutzgesetz und dafür, den Datenschutz im Grundgesetz zu verankern.

Noch kurz vor den Sommerferien hat die große Koalition ohne Not ein Stück moderner Kommunikationsfreiheit geopfert. Sie hat den Einstieg in ein System zur Sperrung von Internetseiten beschlossen. Der Widerstand dagegen muss fortgesetzt werden. Unsere Anträge auf Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene lehnte die Koalition ab. Grüne Forderungen im Bundestag nach mehr Frauen in den Aufsichtsräten der Großunternehmen sowie nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit von Frauen und Männern scheiterten ebenfalls an Union und SPD. Obgleich in Deutschland Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger Geld erhalten für dieselbe Arbeit wie Männer!

Neben meiner Arbeit im Parlament kann ich im Wahlkreis die Möglichkeiten als Abgeordneter nutzen, um mit Rat und Tat zu helfen. Mit den Mitarbeitern in meinen beiden Wahlkreisbüros habe ich für Bürgerinnen und Bürger beim JobCenter und bei Behörden interveniert, Stadtteil-Initiativen und Bildungseinrichtungen unterstützt oder bei Visa- und Aufenthaltsproblemen geholfen. In manchen Fällen konnte ich helfen oder durch Initiativen auf Bundesebene dazu beitragen, Probleme vor Ort zu mindern oder zu lösen.

So habe ich mich beim Bundesbauministerium für die ökologische Sanierung des Landwehrkanals eingesetzt und eine Zusage erhalten, dass Geld zur Verfügung stehe. Ich habe mit Zwischennutzern und Investoren über die Bauplanungen am Spreeufer und Möglichkeiten, den Bürgerentscheid zu "Mediaspree" umzusetzen, gesprochen. Die Verlängerung der Autobahn A 100 durch Friedrichshain lehne ich ab. Ich habe mich an denProtesten gegen den Weiterbau beteiligt. Ich unterstütze eine überparteiliche Initiative für eine Aussetzung der Zwangsmaßnahmen gegen Hartz-IV-Empfänger. Und ich habe im Bundestag einen Vorschlag gemacht, wie Bundesgesetze verändert werden müssen, um Mieterhöhungen begrenzen und Mietobergrenzen einführen zu können. Das könnte explodierenden Mietkosten und der Verdrängung von Menschen mit geringem Einkommen aus den Innenstadtbezirken entgegenwirken.

Mir ist es wichtig, den Kontakt und das Gespräch mit Ihnen im Wahlkreis zu suchen. Unterwegs auf dem Fahrrad und in der Bahn begegne ich vielen. Ich informiere mich vor Ort und ich unterstütze politische Anliegen, auch indem ich an Demonstrationen teilnehme. Etwa wenn ich nicht nur Anträge im Parlament zur besseren Finanzierung von Jugend- und Anti-Rechts-Projekten mitinitiiere, sondern auch gegen rechte Gewalt und die Ausbreitung von Nazistrukturen im Wahlkreis demonstriere. Über meine Arbeit im Parlament habe ich regelmäßig in Bürgerbriefen berichtet, die alle zwei Jahre an die Haushalte im Wahlkreis verteilt wurden. Der letzte vom Oktober 2007 ist auf meiner Homepage zu finden oder wird auf Wunsch auch nochmals zugeschickt.

Bei dieser Wahl haben Sie wieder zwei Stimmen. Mit der Zweitstimme wählen Sie eine Partei. Da bitte ich Sie, den Bündnisgrünen Ihre Stimme zu geben. Wir haben ein gutes Wahlprogramm beschlossen, das in allen wichtigen Politikbereichen Alternativen aufzeigt, besonders für die Bewältigung der Wirtschaftskrise. Das grüne Konjunkturprogramm im Bereich von Umwelt, Bildung, Erziehung und Pflege bringt auch Arbeitsplätze in Berlin.

Mit der Erststimme wählen Sie die Person Ihrer Wahl. Nur wenn ich die Mehrheit der Erststimmen im Wahlkreis erhalte, kann ich meine Arbeit fortsetzen und Sie im Bundestag vertreten. Für die Landesliste meiner Partei habe ich nicht kandidiert, weil ich mein Verbleiben im Parlament von Ihrer Bewertung meiner Tätigkeit im Bundestag abhängig machen will.

Ich bitte Sie, mich mit der Erststimme zu wählen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr/Euer Hans-Christian Ströbele


Kritik an Verwendung des Briefpapiers:

Die KonkurrentInnen von Christian behaupten, er hätte das Briefpapier des Bundestages genutzt und damit mit Bundestagsmitteln Wahlkampf gemacht.

Richtig ist, dass Christian Ströbele den Briefkopf verwendet hat, jedoch hat er das Briefpapier aus eigenen Mitteln bezahlt, also es wurden keine öffentlichen Mittel für den Wahlkampf genutzt. Hinzu kommt, dass er bereits 2002 den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse zwecks Verwendung des Bundesadler-Briefkopfes angeschrieben und um Stellungnahme gebeten hat: dieser hat ihm versichert, dass der Bundesadler zum Zwecke der Mandatswerbung genutzt werden darf und dass keine Bedenken gegen dieses Vorhaben bestehen. Denn laut Bundestag können Abgeordnete bei "mandatsbedingten Angelegenheiten" ihren offiziellen Briefkopf verwenden, müssen die Kosten aber selber tragen. Dies ist bei Christian der Fall.

Zugehörige Dateien:
Anfrage von Christian an den Bundestagspräsidenten zwecks Verwendung des Bundesadlers und die Antwort von ThierseDownload (102 kb)