Mündliche Frage: Einsätze der TF 47 und Antwortpflicht der Bundesregierung
03.03.2010: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet ist, die Fragen der Abgeordneten zu beantworten. Trotzdem sind viele Antworten der Bundesregierung, gerade was den Einsatz der TF-47 angeht, unvollständig oder zumindest der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Frage:
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2009 (Az. 2 BvE 5/06), wonach angesichts des "Frage- und Informationsrechts des … einzelnen Abgeordneten … grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung" besteht, nun - entgegen ihrem bisherigen Verweis auf ersatzweise vertrauliche Unterrichtung nur von Fraktionsvorsitzenden etc. - meine Frage 90 vom 11. Februar 2010 auf Bundestagsdrucksache 17/702 sowie Frage 54 vom 18. Februar 2010 (Plenarprotokoll vom 24. Februar 2010, Anlage 31, Seite 2012 D) nach Einsätzen der Bundes-"Task Force 47" in Afghanistan sowie deren Folgen zu beantworten, und inwieweit wirkte diese Einheit mit an der Benennung verdächtiger Personen zur Tötung oder Festnahme (vergleiche Stern 7/2010, Seite 33)?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Ich erlaube mir, folgendermaßen zu antworten: Die Bundesregierung folgt ihrer Pflicht und beantwortet in der Regel alle Fragen von Abgeordneten offen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Die Antwortpflicht ist nur dann ausnahmsweise begrenzt, wenn dies aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist. Sie haben in Ihrer Frage auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, dessen Genese Ihnen, Herr Kollege, nicht unbekannt ist, hingewiesen.
In diesen Ausnahmefällen, in denen die Bundesregierung entscheidet, eine Frage nicht zu beantworten oder in vertraulicher Form Informationen weiterzugeben, wird dies, außer in offenkundig - das Bundesverfassungsgericht spricht von "evident" - geheimhaltungsbedürftigen Fällen, nachvollziehbar und plausibel begründet.
Darüber hinaus wird auch im Einzelfall geprüft, ob Formen der vertraulichen Beantwortung möglich sind, die dem Informationsanspruch des Parlaments und einem berechtigten Diskretionsinteresse der Regierung oder Dritter gleichermaßen Rechnung tragen. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in beiden Beschlüssen, zum BND-Untersuchungsausschuss und zu den Kleinen Anfragen, wird damit Rechnung getragen.
Soweit Sie im Zusammenhang mit der Beantwortung von Fragen über den Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr auf das mit den Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen im Jahr 2008 abgestimmte Verfahren hinweisen, das Sie als nicht ausreichend betrachten, will ich auf Folgendes aufmerksam machen: Der Deutsche Bundestag hat mit einem Beschluss vom 3. Dezember 2008 im Hinblick auf Sensibilitäten und schutzwürdige Kernbereiche ein Verfahren zur Unterrichtung über den Einsatz aufgestellt und der Bundesregierung gegenüber die Bitte geäußert, man möge sich dieser Verfahrensweise entsprechend verhalten. Wichtig für uns ist im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages das Verständnis der Konkretisierung der Informationen, die geliefert werden müssen. Dementsprechend werden über den Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr die Vorsitzenden, die stellvertretenden Vorsitzenden sowie die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses unverändert regelmäßig auf vertraulicher Basis informiert. Sie wissen, dass ein halbjährlicher Turnus vereinbart ist, der auch eingehalten wird. Darüber hinaus wird nicht nur über abgeschlossene, sondern auch über bevorstehende Operationen informiert.
Die parlamentsfreundliche Information ist aus den guten Gründen, die im Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11230 vom 3. Dezember 2008 seitens des Deutschen Bundestages festgehalten worden sind, und wegen der Schutzbedürftigkeit in Form einer Unterrichtung in geschlossenen Ausschüssen des Deutschen Bundestags erfolgt. Das war zum letzten Mal der Fall in der 16. Sitzung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages am 24. Februar dieses Jahres durch meinen Kollegen, den Parlamentarischen Staatssekretär Kossendey.
Ströbele:
Herr Staatssekretär, in der Antwort der Bundesregierung steht auch, dass die Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen unterrichtet werden können. Können Sie sagen, wann eine solche Unterrichtung über die Tätigkeit der Task Force 47 stattgefunden hat?
Schmidt: Zur Konkretisierung darf ich auf Ihren Hinweis Abschnitt II. Nr. 1 des Entschließungsantrags zitieren: Die Obleute sind ermächtigt, diese Informationen vertraulich an die Fraktionsvorsitzenden weiterzugeben. Es gibt also eine Informationskette bis hin zu Fraktionsvorsitzenden. Die Unterrichtung über die Maßnahmen von Spezialkräften, die sich in Einsatzländern befinden, ist nach meiner Kenntnis nicht sehr lange vor dem 24. Februar erfolgt. Ich bitte aber darum, dass ich Ihnen das genaue Datum und die Bestätigung über das, was der Kollege Kossendey im Verteidigungsausschuss vorgetragen hat- er hat über die Tätigkeit einzelner Task Forces, auch der Task Force 47, berichtet -, nachliefern kann.
Ströbele:
Herr Staatssekretär, gibt die Bundesregierung mir darin recht, dass hier eine Lücke in der Kontrolle durch den Deutschen Bundestag entsteht, da es sich bei der Task Force 47 ganz offensichtlich um eine Einheit handelt, der sowohl Angehörige der Bundeswehr als auch Angehörige des Bundesnachrichtendienstes, also eines Geheimdienstes, angehören? Denn auf der einen Seite sagt man in dem Kontrollgremium für die Geheimdienste, es könne nicht über die Tätigkeit der Bundeswehr informiert werden. Auf der anderen Seite sagt man im Verteidigungsausschuss hinsichtlich der Bundeswehr, man könne nicht darüber informieren, was Mitarbeiter oder Zuarbeiter der Geheimdienste machen. Aufgrund der Zusammensetzung solcher Einheiten gibt es also kein Gremium, das sich mit beiden Teilen beschäftigen kann, und dadurch entsteht eine Informationslücke.
Schmidt: Herr Kollege Ströbele, ich gebe Ihnen zwar grundsätzlich gerne recht, aber nicht immer.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bedauerlich!)
Ich meine, dass für beide Elemente eine entsprechende Unterrichtung stattfindet, und zwar hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit in dem Gremium, dem meiner Kenntnis nach auch Sie angehören. Hinsichtlich der Spezialkräfte der Bundeswehr sind, soweit es sich um Operationen handelt, die in den militärischen Bereich gehören, andere Wege zu gehen.
Der Bundesregierung ist sehr an der Information des Parlaments gelegen. Das ist keine Nebensache, sondern eine zentrale Verpflichtung der Bundesregierung. Ich nehme an, dass die Initiative aus den Kreisen des Bundestages kommen wird; denn der Bundestag konkretisiert in wesentlichen Teilen - siehe die Beschlussfassung vom 3. Dezember 2008 -, wie er die Informationspflicht erledigt haben will; dies gilt auch im Hinblick auf das Parlamentsbeteiligungsgesetz. Sofern es eine Informationslücke, die dem Grundsatz der Informationsbereitschaft widerspricht, geben sollte, muss man über geeignete Wege der Abhilfe nachdenken.