Wahlkampf 2013

Rede von Hans-Christian Ströbele zum Zollfahndungsdienstgesetz

22.03.2007: Rede zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 16/4663)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen hierüber diskutieren, weil die FDP das gesprochene Wort haben wollte; das kann sie haben. Das ist jetzt der dritte Versuch, ein verfassungsgemäßes Zollfahndungsdienstgesetz auf den Weg zu bringen.

(Joachim Stünker [SPD]: Nein, nein, nein!)

Doch, der dritte Versuch. Beim zweiten Versuch waren wir dabei. Danach, bei dem halben Versuch im Dezember 2005, waren wir schon nicht mehr dabei. Jetzt sind wir jedenfalls so auch nicht dabei, obwohl wir einsehen - das haben wir immer gesagt; wir halten das für richtig und notwendig -, dass der Zoll damit zu beauftragen ist, zu verhindern, dass von deutschen Firmen etwa Teile ins Ausland geliefert werden, aus denen man Giftgasfabriken oder Ähnliches herstellen kann. Das ist nicht reine Fantasie, sondern das war Realität, beispielsweise in Libyen in den 80er Jahren. Ähnliche, vielleicht nicht ganz so bekannte und dramatische Beispiele gibt es auch aus der Zeit danach. Wir sind uns einig: Das darf nicht sein. Da muss man in Deutschland rechtzeitig Vorsorge treffen, und zwar nicht in erster Linie deshalb, weil sonst der Ruf der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt werden könnte - das ist ein Nebenaspekt -, sondern weil es völlig unerträglich ist, wenn wir nicht alles tun, um zu verhindern, dass Menschen in anderen Ländern gefährdet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun haben Sie einen neuen Entwurf vorgelegt. Herr Kollege Stünker, ich darf Sie an all die Diskussionen erinnern, die wir geführt haben. Sie hätten sich diesen neuen Gesetzentwurf ersparen können - das muss man hier einmal ganz klar sagen -, wenn Sie damals auf uns gehört hätten.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Wir haben damals nach langem Hin und Her ein Gesetz verabschiedet, das wirklich sehr viel besser ist als das, was vorher da war, vor allen Dingen sehr viel schlanker und ein bisschen verständlicher, wenn auch nicht voll verständlich. Das war ein großer Fortschritt. Wir waren auch stolz darauf, dass wir das geschafft haben. Aber was fehlte, war eine ausreichende datenschutzrechtliche Regelung. Wir haben eine solche Regelung immer angemahnt. Wir haben gesagt: Gerade der Kernbereich privater Lebensführung muss tabu sein. Uns wurde dann immer entgegengehalten: Wenn die vom Zoll losgehen, dann wollen die sowieso nicht in Wohnzimmer oder in Schlafzimmer, sondern in Fabriken; deshalb ist da der Schutz nicht notwendig. Das haben wir schon damals nicht eingesehen. Wir haben dem Gesetz dann aber zugestimmt, um keine Schutzlücke entstehen zu lassen. Wir waren uns darüber einig, dass da nachgebessert werden muss, um eine bessere allgemeine datenschutzrechtliche Regelung für die Telekommunikationsüberwachung zu erlangen. Was Sie jetzt vorgelegt haben, ist aus mehreren Gründen nicht ausreichend: Erstens fehlt - das haben wir immer wieder angemahnt - das Zahlenmaterial darüber, welche Erfahrungen mit dem Gesetz in der letzten Fassung eigentlich gemacht worden sind. Sie sind verpflichtet, das bis zum Jahr 2008 vorzulegen. Das könnten Sie jetzt vorlegen. Die datenschutzrechtlichen Regelungen, die Sie hier vorsehen, werden durch eine massive Ausweitung der Überwachung der Bürgerinnen und Bürger bzw. der Möglichkeiten dazu eigentlich völlig aufgehoben. Sie wollen jetzt nicht nur den Großen Lauschangriff einführen, sondern auch den großen Guckangriff. Es steht im Entwurf: In Zukunft soll es möglich sein, heimlich nicht nur abzuhören, sondern auch in Wohnungen, in Geschäftsräumen, in Büros usw. zu sehen, das aufzunehmen und festzuhalten. Das ist ein riesiger Schritt. Dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht noch gar nicht verhalten können, weil es so etwas in anderen Bereichen bisher noch gar nicht gibt. Auf einen zweiten erheblichen Mangel ist bereits hingewiesen worden. Im Gesetz steht: Geschützt werden sollen die Zollfahnder, die unterwegs sind, wenn sie in erhebliche Lebensgefahr oder so etwas kommen. Aber Sie schränken überhaupt nicht ein, wann denn dann abgehört oder geguckt werden darf, ob das schon Wochen vorher, einen Tag vorher, danach noch oder nur dann, wenn die Zollfahnder in den jeweiligen Räumen sind, möglich sein soll. Uns reicht das nicht aus. Wir wollen mit Ihnen darüber diskutieren. Wir wollen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang umsetzen. Deshalb muss im Kernbereich mehr getan werden. Deshalb muss vor allen Dingen für die Berufsgeheimnisträger viel mehr gemacht werden. Es ist überhaupt nicht einsichtig, warum Verteidiger geschützt sind, aber Rechtsanwälte weniger und Journalisten noch weniger. Dafür gibt es keine ausreichende sachliche Begründung.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Ströbele!

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das machen wir nicht mit. Wir sind aber bereit, bei der Novellierung dieses Gesetzes mitzuwirken, weil auch uns der Schutz der Bevölkerung in anderen Ländern, möglicherweise auch im eigenen Land, vor den Folgen unerlaubter Exporte -

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Ströbele! Ich erinnere Sie jetzt an Ihre Zeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind schon am Ende!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):- von Waffenfabriken genauso wichtig ist wie Ihnen allen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)