Wahlkampf 2013

Was das grüne Whistleblowerschutzgesetz verbessert - Beispiele aus der Praxis

07.11.2014: Der momentan wohl bekannteste Whistleblower (engl. für "Hinweisgeber oder Hinweisgeberin) ist sicher der US-Amerikaner Edward Snowden. Der ehemalige Mitarbeiter der "National Security Agency" (NSA) hatte die verdachtslose Ausspähung von Hunderten von Millionen Menschen durch amerikanische und britische Geheimdienste und damit den größten Spionageskandal der Geschichte öffentlich gemacht.

Sogar das Handy der deutschen Bundeskanzlerin wurde von den US-amerikanischen Diensten abgehört. Um der Öffentlichkeit grobe Verletzungen von Freiheits- und Grundrechten in unvorstellbarem Ausmaß vor Augen zu führen, hat Snowden seine Existenz aufs Spiel gesetzt. In seine Heimat, die USA, kann er nicht zurückkehren, dort würde er ins Gefängnis kommen. Zurzeit lebt er im Exil in Moskau. Ohne die Informationen Snowdens würden wir uns heute nicht so eingehend mit Fragen zu Datensicherheit sowie Verschlüsselungsmöglichkeiten beschäftigen. Aber nicht nur für den Bereich Datenschutz und Geheimdienste gilt: Missstände und rechtswidrige Praktiken in Unternehmen und Behörden werden oft erst durch Hinweise mutiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Hierzulande existieren immer noch keine geeigneten Regelungen zu ihrem Schutz, obwohl selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil gegen Deutschland klare Regelungen verlangt. Die Bundesregierung ignoriert das Problem konsequent - die Absicht den Whistleblower-Schutz auszubauen taucht nicht einmal im schwarz-roten Koalitionsvertrag auf. Stattdessen begnügt sie sich damit, prüfen zu wollen, inwieweit die deutsche Gesetzeslage internationalen Übereinkommen oder Empfehlungen entspricht. Wer den Schritt des "Whistleblowings" erwägt, sollte sich vorher sehr gut überlegt haben, was ihn oder sie im Zweifel erwartet: er oder sie muss nicht nur mit Mobbing rechnen, sondern verstößt oft auch gegen arbeits-, dienst- oder gar strafrechtliche Bestimmungen. Häufig folgt die Kündigung. Momentan gilt leider - insbesondere für Beamte und Beamtinnen oder Angestellte im öffentlichen Dienst- dass es besser ist, zu schweigen, als auf die Missstände oder Straftaten hinzuweisen. Mit dem Gesetzentwurf, den wir an diesem Freitag, 7. November 2014, in den Bundestag einbringen, wollen wir das ändern und den Schutz von Hinweisgebern und -geberinnen - egal ob in privaten Arbeitsverhältnissen oder im öffentlichen Dienst - vor Repressalien des Arbeitgebers und vor Kündigung deutlich verbessern sowie mehr Rechtssicherheit schaffen. Dazu schlagen wir Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz (BBG) und Beamtenstatusgesetz vor, die Hinweisgeber- und -geberinnen arbeits- bzw. dienstrechtlichen Diskriminierungsschutz gewähren und regeln, unter welchen Voraussetzungen sie sich an eine außerbetriebliche Stelle bzw. andere zuständige Behörde oder außerdienstliche Stelle bzw. direkt an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB) stellen Hinweisgeber- und -geberinnen unter bestimmten Bedingungen straffrei.

Was ändert sich konkret in der Praxis?

Beispiel 1: Ein LKW-Fahrer informierte die Polizei über den Transport von verdorbenem Fleisch und brachte damit den Gammelfleisch-Skandal an die Öffentlichkeit. Er wurde dafür mit der "Goldenen Plakette" des damaligen Bundesverbraucherministers ausgezeichnet. Am Arbeitsplatz wurde er allerdings gemobbt und schließlich gekündigt.

Nach unserem Gesetzentwurf hätte der LKW-Fahrer umfassenden Schutz genossen und nicht gekündigt werden dürfen: Das neu eingefügte Anzeigerecht, § 612b BGB, regelt in einem gestuften Verfahren, an wen sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin unter welchen Voraussetzungen mit Hinweisen wenden kann. Nach Absatz 1 sollte er oder sie zunächst den Arbeitgeber bzw. eine interne Stelle informieren. Manchen Fällen würde dies aber nicht gerecht, daher darf er oder sie sich unter bestimmten Umständen an eine außerbetriebliche Stelle bzw. direkt an die Öffentlichkeit wenden. Das verdorbene Fleisch stellt eine Gefahr für die Gesundheit einer Vielzahl von Verbrauchern und Verbraucherinnen dar. Der LKW-Fahrer hätte sich daher ohne Weiteres an eine außerbetriebliche Stelle - in dem Fall die Polizei wenden dürfen - und zwar ohne eine Benachteiligung am Arbeitsplatz oder eine Kündigung befürchten zu müssen. Da das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information das betriebliche Interesse an deren Geheimhaltung erheblich überwiegt, hätte sich der LKW-Fahrer sogar direkt an die Öffentlichkeit wenden können.

Beispiel 2: Die Süddeutsche Zeitung berichtete kürzlich, dass der deutsche Geheimdienst jahrelang am Knotenpunkt in Frankfurt das Internet anzapfte und dann wohlmöglich massenhaft auch geschützte Informationen an die USA weitergab. Die Zeitung beruft sich dabei auf streng geheime Dokumente der Operation "Eikonal". Möglich ist, dass jemand aus dem Bundesnachrichtendienst (BND) diese Dokumente an die Presse weitergegeben hat.

Angenommen die Information wurde tatsächlich aus dem BND heraus weitergegeben und dieser hätte herausgefunden, welcher Mitarbeiter oder welche Mitarbeiterindie Dokumente an die Presse gab, dann hätte das nach geltender Rechtslage (Bruch der Verschwiegenheitspflicht, grundsätzliches Verbot der "Flucht an die Öffentlichkeit", besondere Geheimhaltungsverpflichtungen) in der Regel zu sofortigem Verbot der Dienstausübung, disziplinar-und strafrechtlichen Konsequenzen einschließlich Entlassung und Bestrafung wegen Verletzung eines Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) geführt. Würde unser Gesetzesvorschlag umgesetzt, sähe die Sache anders aus: Nach dem neu eingefügten § 67 a BBG haben sich Beamtinnen und Beamte unter bestimmten Voraussetzungen bei Verdacht auf rechtswidrige Diensthandlungen zuerst an ihre Vorgesetzten zu wenden und dann erst das Recht , sich in einem weiteren Schritt an außerdienstliche Stellen zu wenden. Ist aber aufgrund konkreter Anhaltspunkte nach Auffassung der Beamtin oder des Beamten auf diesen Wegen keine oder keine rechtzeitige Abhilfe zu erwarten, dann hätte der Hinweisgeber oder die Hinweisgeberin in dem konkreten Beispiel das Recht, sich unmittelbar an die Öffentlichkeit zu wenden. Jedenfalls, wenn das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information das behördliche Interesse an deren Geheimhaltung erheblich überwiegt. Das ist insbesondere dann gegeben, wenn nach Auffassung der Beamtin oder des Beamten infolge rechtswidriger dienstlicher Handlungen eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für verschiedene Rechtsgüter besteht. Hatte die Beamtin oder der Beamte konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verdacht stimmt, dann musste sie davon ausgehen, dass der BND durch die Weitergabe von Daten massenhaft vorsätzlich gegen Grundrechte verstößt. Sofern die oben genannten Voraussetzungen bestehen, hätte er oder sie sich mit den Informationen direkt an die Öffentlichkeit wenden dürfen, ohne dass deshalb Entlassung oder andere rechtliche oder tatsächliche Nachteiledrohen würden. Auch eine Strafbarkeit aus § 353b StGB käme im Falle des fiktiven BND-Mitarbeiters oder der fiktiven Mitarbeiterin nicht in Betracht. Unser Vorschlag sieht vor, einen § 353c StGB neu einzuführen, der das befugte Offenbaren eines Geheimnisses regelt. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn es - wie im BND-Beispiel- um die Aufklärung bzw. Verhinderung von Grundrechtsverletzungen geht. Da es sich in diesem Kontext sicher auch um Informationen handelt, die als geheime Verschlusssache eingestuft sind, würde ebenso der von uns vorgesehene § 97c StGB greifen, der das Offenbaren von Staatsgeheimnissen unter den identischen Bedingungen wie der § 353c straffrei stellt.