Wahlkampf 2013

Rede von Ströbele im Deutschen Bundestag zum Thema "Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus"

09.06.2016: Im Zuge der ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus hielt Hans-Christian Ströbele eine Rede im Deutschen Bundestag. Lesen Sie hier seine Anmerkungen und Kritik an der Gesetzesinitiative:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister und auch Herr Grötsch, ich will das Selbstverständliche vorwegsagen: Niemand hier im Raum und, ich glaube, niemand in Deutschland will, dass ein Anschlag deshalb nicht verhindert werden kann, weil ein Datenaustausch nicht möglich ist, obwohl Daten vorliegen, mit denen man ihn möglicherweise verhindern könnte. Grundsätzlich ist es ja richtig, sich immer wieder zu überlegen: Wie kann man den Datenaustausch organisieren, auch mit dem Ausland? Wir haben da anlässlich des Versagens im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris und Brüssel natürlich Grund, darüber nachzudenken.

Aber wenn wir das tun, dann müssen wir doch eine Regelung schaffen, die innerhalb der Grenzen unseres Grundgesetzes funktioniert und die die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfange erfüllt. Wir können nicht einfach "Bekämpfung des internationalen Terrorismus" obendrüber schreiben, und dann kommt der Begriff "internationaler Terrorismus" in dem ganzen Gesetzeswerk überhaupt nicht mehr vor.

So geht es nicht. Herr Minister, an der Stelle will ich Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben: Es geziemt sich nicht für einen Verfassungsminister, das Bundesverfassungsgericht, wie es nach der Entscheidung vom April geschehen ist, in der Weise anzugehen, ihm zu unterstellen, es habe nicht in ausreichendem Maße den Kampf gegen den internationalen Terrorismus im Blick. Das gehört sich nicht. Hier in diesem Gesetz, mit dem Sie jetzt eine gemeinsame Datei mit ausländischen Partnern in der EU und in der NATO auf den Weg bringen, fehlt die Definition, in welchen Fällen und wie eingeschränkt dieser Austausch in den anzulegenden Dateien stattfinden soll. Ich habe darauf hingewiesen: Der Begriff "internationaler Terrorismus" fehlt im Gesetzeswerk. - Nun sagen Sie vielleicht: Er gehört nicht in das Gesetzeswerk. - Aber schauen Sie doch mal ins Grundgesetz! In Artikel 73 Absatz 9a des Grundgesetzes steht genau so etwas drin: dass die Bundespolizei zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus eingesetzt werden kann. Warum übernehmen Sie so etwas nicht in Ihr Gesetzeswerk? Dann könnten Sie sich den Vorwurf ersparen, dass wir hier ein Gesetz beschließen sollen, das uferlos ist und eine Datensammlung weit über diesen Zweck hinaus zulässt. Denn im Gesetzentwurf selber findet sich keinerlei Einschränkung, keinerlei Einhegung, sondern danach ist es zulässig, eine solche Datei einzurichten, wenn "die Erforschung von erheblichem Sicherheitsinteresse für die Bundesrepublik Deutschland" ist. Sie verlangen in dem Gesetzentwurf - das ist auch löblich -, dass eine solche gemeinsame Datei nur mit verlässlichen Partnern eingerichtet wird.

Das ist ja nett; aber was sind "verlässliche Partner"? Wir haben gelernt - diese Erfahrung berücksichtigen Sie in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht -, dass leider auch die USA keine verlässlichen Partner sind, auch Großbritannien kein verlässlicher Partner ist, sondern sie entgegen ihren Zusicherungen in Verträgen deutsches Recht brechen und Daten zweckentfremdend nutzen, die ihnen im Sicherheitsbereich übergeben worden sind. Das müssen Sie doch berücksichtigen. Sie können doch nicht so tun, als wenn da nichts gewesen wäre. Selbst der Europäische Gerichtshof hat das bereits zum Gegenstand einer Entscheidung gemacht und hat gesagt: Deshalb dürfen Daten nicht so ohne Weiteres an die USA weitergegeben werden. Sie verlangen eine verlässliche schriftliche Vereinbarung. Ja, aber Sie müssen auch das tun, was das Bundesverfassungsgericht erstmalig in die Entscheidung hineingeschrieben hat. Die Vereinbarung muss auch überprüft werden. Sie haben die Verpflichtung - und das gehört in das Gesetz -, zu überprüfen, ob die Vereinbarung verlässlich ist, ob die Zweckbindung wirklich eingehalten wird oder ob die Daten nicht vielleicht doch - wie das beispielsweise im Drohnenkrieg der Fall ist oder bei anderer Gelegenheit - für ganz andere Zwecke genutzt werden. Sie müssen hinfahren. Sie müssen alle paar Jahre nachsehen, ob eine solche Zusicherung überhaupt noch Gültigkeit hat. So verlangt es das Bundesverfassungsgericht. Sie berücksichtigen nicht - davon steht im Gesetzentwurf nichts -, wer eigentlich kontrollieren soll. Welche Stelle ist zuständig für die Kontrolle, dass die Daten nicht zweckentfremdend gebraucht werden? Die Datenschutzbeauftragte weiß ein Lied davon zu singen, dass der Versuch, den Datenaustausch mit den USA zu kontrollieren, beispielsweise in Bad Aibling, mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden war. In bestimmten Bereichen konnte eine Überprüfung überhaupt nicht stattfinden. Sie wurde ganz einfach verweigert, weil die USA das nicht machen wollen und weil der BND das auch nicht zulässt. Sie müssen eine entsprechende Regelung ins Gesetz schreiben, dass der Datenschutzbeauftragte in Deutschland für die Kontrolle zuständig ist.

Ich sage abschließend: So geht es nicht. Ein besserer Datenaustausch mit ausländischen Behörden ja, aber nur eingehegt auf den Bereich des internationalen Terrorismus, und zwar explizit, selbstverständlich rechtsstaatlich eingegrenzt und - ganz wichtig - unabhängig kontrolliert.

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Den angesprochenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung können Sie hier lesen!