Wahlkampf 2013

Haltung der Bundesregierung zur öffentlichen Kritik am Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Nutzungsentgeltverordnung

05.07.2000: Zweifel an der Repräsentativität einer Umfrage zur Begutachtung der Nutzungsentgeltverordnung - Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schuldrechtsanpassungsgesetz vom November 1999

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Voßhoff, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie dieses Gutachten zur Grundlage machen wollen oder nicht. Zunächst sagten Sie, die Politik der alten Regierung sei bei der Bemessung der Nutzungsentgeltverordnung durch das Gutachten bestätigt worden, und danach erklärten Sie, Sie hielten das Gutachten für zweifelhaft und wollten es erst einmal überprüfen.

Das Problem ist hier, dass seit Jahren immer wieder Beschwerden von Grundstückspächtern kommen. Die Gebäude auf diesen Grundstücken werden zumeist Datschen genannt - ein Ausdruck, der nicht aus der deutschen Sprache kommt. Die Datschen hatten in der DDR eine ähnliche Funktion wie in der früheren UdSSR: Das Privatleben vieler Bürgerinnen und Bürger hat sich auf Datschengrundstücken, also auf Kleingarten- oder ähnlichen

Grundstücken, abgespielt. Dies sollten wir achten. Hier geht es nicht um ein paar Hundert oder ein paar Tausend Menschen; davon sind mehr als eine Million Personen betroffen. Es gab immer wieder Klagen darüber, dass diese Datschengrundstücke nicht gehalten werden können, weil die alten Eigentümer, die jetzt wieder Eigentümer geworden sind - es sind übrigens immer noch überwiegend Kommunen, die die Datschen vergeben -, die Entgelte so erhöht haben, dass die Leute die Grundstücke verlassen und dadurch einen Teil ihres mühsam aufgebauten Privatlebens aufgeben müssen.

In dieser Situation hat man das Richtige beschlossen, und eine Bestandsaufnahme gemacht. Die Bundesregierung hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Sie hat also die Bestandsaufnahme nicht selber vorgenommen, sondern ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, was an diesen Beschwerden dran ist. Sie wollte klären, ob man der Sache nachgehen und möglicherweise zu neuen Überlegungen kommen und Gesetze ändern muss. Das Gutachten des unabhängigen Instituts liegt uns, glaube ich, seit Februar dieses Jahres vor.

Nun kann man sagen - das wird von den Vertretern der Grundstücksnutzer auch vorgetragen -, dass das Gutachten nicht in Ordnung ist, dass es auf einer unzureichenden Grundlage basiert und dass man daher die Schlussfolgerung nicht teilen kann. Solche Äußerungen sind von denjenigen verständlich, die dem Ergebnis dieses Gutachtens letztlich ausgesetzt sind.

Das nimmt aber uns und die Bundesregierung nicht aus der Pflicht, trotzdem ganz genau zu prüfen, ob Fehler in den Gutachten vorhanden sind, ob die Statistiken auf einer ausreichenden Grundlage beruhen oder ob man noch einiges gründlicher und gezielter hätte untersuchen müssen. Das werden wir auch tun, und zwar in den Ausschüssen. Wir werden das Ergebnis dem Plenum zur Kenntnis bringen.

Schon jetzt ist aber klar - darauf hat der Kollege Hacker bereits hingewiesen; insofern haben auch Sie Recht -: Es gibt nicht eine Entscheidung, es gibt mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die besagen, dass das Recht des Grundstückseigentümers nicht über die Maßen eingeschränkt werden darf. Da heißt es zum Beispiel: Die öffentlichen Lasten müssen - anders als es der Gesetzgeber bisher vorgesehen hatte - bei der Bemessung der Entgelte, die die Nutzer der Grundstücke zu zahlen haben, berücksichtigt werden. Es gibt dazu inzwischen insgesamt, wenn ich es richtig sehe, vier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die alle in die Richtung gehen, die Rechte der Eigentümer stärker zu betonen und die Rechte der Nutzer auf Entrichtung eines geringen Entgelts und auf Bestandsschutz geringer zu bewerten. Diese Abwägung müssen wir berücksichtigen; denn das Bundesverfassungsgericht würde ein anderes, noch so schönes Gesetz in ein, zwei Jahren wieder rückgängig machen. Damit wäre den Nutzern überhaupt nicht geholfen. Deshalb ist es fahrlässig, den Nutzern heute zu sagen: Die Bundesregierung und die Koalition versäumen das und deshalb steht ihr ganz schlecht da; ihr könntet, wenn es hier eine andere Regierung oder eine andere Mehrheit gäbe, mit euren Entgelten viel günstiger dastehen. - Es stellt sich die große Frage, ob das, wenn es einfach umgesetzt würde, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben würde.

Deshalb sagt die rot-grüne Koalition: Wir prüfen das Gutachten genau. Wir alle erhalten auch Beschwerdebriefe, denen wir selbstverständlich nachgehen werden. Möglicherweise muss eine neue Entscheidung aufgrund einer veränderten Grundlage getroffen werden. Eines ist ganz sicher: Wir werden die Rechte der Nutzer und das legitime emotionale Festhalten an solchen Grundstücken und dem Leben auf den Grundstücken besonders im Auge haben, und zwar gerade deshalb, weil sehr viele Grundstücksnutzer offenbar ältere Menschen sind. Über 70 Prozent der Grundstücksnutzer sind über 60 Jahre alt und wollen das, was sie zu DDR-Zeiten häufig sehr mühsam aufgebaut haben, jetzt noch einige Jahre genießen. Wir wollen ihnen den Lebensabend nicht kaputtmachen, indem wir zulassen, dass sie ohne Not von diesen Grundstücken vertrieben werden.

Wir werden das Gutachten prüfen, Überlegungen anstellen und Änderungsvorschläge vorlegen. Wir werden dabei genau hinsehen, ob wir den Nutzern wirklich helfen oder ob wir ihnen nur Steine statt Brot geben, indem wir ihnen etwas geben, von dem das Bundesverfassungsgericht anschließend sagt: Das haut nicht hin; hier werden die Rechte der Eigentümer zu gering bewertet. Davon haben sie nichts.

Hören Sie also auf mit Versprechungen! Schließen Sie sich uns an! Lassen Sie uns das ganz genau überprüfen und dann im Interesse dieser über 1 Million Menschen in den neuen Bundesländern zu einer vernünftigen und gerechten Regelung kommen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)