Wahlkampf 2013

Wer macht das Rennen im Wahlkreis 84?

16.09.2009: Ein ausführliches Porträt des Deutschlandfunks über Alle Kandidaten und den Wahlkreis 84 Friedrichshain-Kreuzberg/ Prenzl Berg Ost

  

Grünes Urgestein, DDR-Bürgerrechtlerin, linke Juristin und Ex-Juso-Chef stellen sich zur Wahl Von Claudia van Laak

Der Bundestagswahlkampf ist langweilig. Die Kanzlerin schwebt über allen und allem, und der SPD-Herausforderer reißt das Publikum auch nicht mit. Doch es gibt auch einen Wahlkreis, in dem alles anders ist.

Die Bundestags-Kandidatin hat zur Podiumsdiskussion ihren Hund mitgebracht. Vera Lengsfeld heißt die Politikerin, Aimie ihre Labrador-Hündin. Es ist eine Veranstaltung ganz im Sinne der CDU-Politikerin und DDR-Bürgerrechtlerin: "Aufarbeitung zwischen Unrechtsstaat und DDR-Nostalgie."

Ort der Podiumsdiskussion ist die Galiäa-Kirche in Berlin-Friedrichshain. Ein Verein nutzt die Kirche, um in einer Ausstellung die Oppositionsarbeit der Galiäa-Gemeinde vor der Wende und den Jugendwiderstand in der DDR zu dokumentieren. Vereinsmitglied Andi Hehmke zeigt auf einen Ordner, der kopierte Stasi-Unterlagen über die Gemeinde enthält.

Hehmke: "Hier haben Punks Zuwendung gefunden, Menschen, die alternative Lebensentwürfe hatten, politisch verfolgt waren, hier gab es Jugendarbeit und Angebote abseits der staatlich reglementierten Freizeitangebote und diese Geschichte passt auch gut zur heutigen Bevölkerungszusammensetzung, weil dieser Bezirk auf seine spezielle Art auch unter anderen Systemvoraussetzungen immer noch anders und alternativ ist und sich hier alternative Lebensformen hier heute wohl fühlen. Damals hatten sie es sehr schwer."

Für Vera Lengsfeld ein Thema, in dem sie zu Hause ist. Sie kämpft an gegen das Vergessen, führt Interessierte durch die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, steht mit dem Theaterstück "Staats-Sicherheiten" derzeit in Potsdam auf der Bühne.

Vera Lengsfeld wurde jahrelang von ihrem Mann bespitzelt, was sie erst nach der Wende erfuhr - diese Erfahrung bestimmt ihr Leben auch im Jahr 20 der friedlichen Revolution. Zunächst für die Grünen im Bundestag, wechselte sie dann gemeinsam mit anderen DDR-Bürgerrechtlern zur CDU. Vier Jahre lang saß sie nicht im Parlament - jetzt bewirbt sie sich im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost um ein Direktmandat.

Lengsfeld: "Ich gehöre ja zu den heute sogenannten Bürgerrechtlern. Wir nannten uns damals in der DDR nicht so, wir waren Leute, die ab Beginn der Achtzigerjahre in den Räumen von evangelischen Kirchen in schneller Folge Friedens- und Umweltkreise, später ab Mitte der Achtzigerjahre auch Menschenrechtskreise gegründet haben. Wir nannten uns unabhängige Friedens- und Menschenrechtsbewegung der DDR, Opposition durfte man ja per Gesetz nicht sein."

Die Kirchenbänke sind gut besetzt. Knapp 100 Interessierte wollen die Meinung der Bundestagskandidaten zur DDR-Aufarbeitung hören, mehr als die Veranstalter erwartet hatten. "Die Geschichte auch der Bundesrepublik ist massiv von der Staatssicherheit beeinflusst worden" - sagt Vera Lengsfeld. Einige Zuhörer blicken der Rednerin auf das Dekollete statt ins Gesicht - aber dazu später mehr.

Lengsfeld: "Also wir haben ja erst vor kurzem den Fall Kurras diskutieren müssen, weil herauskam, dass der Mörder von Benno Ohnesorg ein inoffizieller Mitarbeiter der Stasi war, aber die Stasi hat auch auf die Bundespolitik massiv Einfluss genommen."

Neben Vera Lengsfeld sitzen die anderen Direktkandidaten im Wahlkreis 84. Ein schlacksiger junger Mann in T-Shirt und Jeans - Björn Böhning von der SPD. Eine ebenfalls junge Frau, die große Sonnenbrille in die kurzen blonden Haare geschoben - Halina Wawzyniak von der Linkspartei.

Ein schmaler alter Mann mit schlohweißen Haaren und buschigen Augenbrauen - Christian Ströbele von den Grünen. "Ströbele kommt schon wieder zu spät" wird Vera Lengsfeld später spöttisch in ihrem Internet-Blog vermerken.

Ströbele: "So war ich damals etwa bei dieser ganz großen Demonstration am 9. November am Alexanderplatz, habe überlegt, ob ich da mitdemonstrieren kann, aber irgendwie passte ich nicht dazu, ich war ja Vorsitzender der Grünen, ob ich da ein Grußwort der Grünen geben könnte, Solidarität oder Ähnliches erklären, dass habe ich dann gelassen."

Die Audio-Version der Sendung gibt es hier im Deutschlandradio als Podcast.

Die komplette Reportage als Text

Fotos von der Podiumsdiskussion

Zugehörige Galerien:
2009.08.26 20 Jahre Mauerfall
Zugehörige Termine:
26.08.2009: "20 Jahre nach Mauerfall - Was müssen Jugendliche heute über die DDR wissen?"