Offener Brief: M99 "Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf" und HG eine Perspektive geben!
06.07.2016: Seit über 30 Jahren gibt es den Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf in der Manteuffelstraße 99. Nun soll das Haus saniert werden und der Laden sowie sein Betreiber "HG" Hans-Georg Lindenau weichen.
M 99 Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf (CC-3.0-BY-SA Paul David Doherty) |
Die M99 ist eine weit über Friedrichshain-Kreuzberg hinaus bekannte Institution im Kiez. Seit öffentlich wurde, dass sie demnächst gekündigt und wegsaniert werden könnte, gab es viele Solidaritätsbekundungen von verschiedensten Organisationen und Initiativen.
In den letzten Monaten gab es mehrere Vermittlungsgespräche bei der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Aber trotz großer Zugeständnisse durch HG wollten sich die Hauseigentümer nicht auf eine einvernehmliche Lösung einlassen, die es HG erlaubt im Haus zu verbleiben, zusammen mit dem Laden, der auch seine Lebensgrundlage ist. HG sitzt aufgrund seiner Gehbehinderung seit Jahren im Rollstuhl und hat sich die Wohnung in der M99 entsprechend umgestaltet. Hier kann er sich unabhängig bewegen und daneben seinen Lebensunterhalt erwirtschaften. Wenn er raus muss, wird er diese Unabhängigkeit verlieren.
Mittlerweile wurde für den 9. August 2016 die Räumung angekündigt.
Darum haben alle Bundestagsabgeordneten, die in Friedrichshain-Kreuzberg für das Direktmandat angetreten waren, noch einmal einen Appell an den Hauseigentümer verfasst:
"Sehr geehrte Familie H., sehr geehrter Herr Rechtsanwalt W.,
die Stadt ist ein Ort der permanenten Veränderung und die Stadt ist ein Raum, in dem berechtigte Interessen miteinander in Einklang gebracht werden müssen. In ihrem Haus - Manteuffelstr. 99 Ecke Waldemarstr. 108 - in Berlin-Kreuzberg spitzt sich seit vielen Monaten eine Situation zu, die wir mit großer Sorge betrachten. Der langwierige Prozess der Auseinandersetzung zwischen Ihnen und ihrem Mieter Hans-Georg Lindenau ist uns bekannt -und auch, dass die rechtliche Situation, Ihnen ermöglicht eine Räumung durchzusetzen.
Wir erkennen ihr Interesse, ihr Haus zu sanieren und bestmöglich nutzbar zu machen, sehen aber auch einen Bewohner, der nicht nur seit über 30 Jahren im Haus wohnt, sondern wegen seiner Behinderung und seiner Tätigkeit als Ladenbetreiber in besonderem Maße an die gegebene Örtlichkeit gebunden ist.
Wir sahen die Bemühungen der Nachbarschaftsinitiativen eine Zukunft für Herrn Lindenau mit seinem Wohnladen in Ihrem Haus im Dialog und Kompromiss mit Ihnen zu organisieren und hören die Einschätzung der Lage von der Bürgermeisterin von Kreuzberg-Friedrichshain sowie von der Beauftragten für Menschen mit Behinderung im Bezirk.
Dies alles verstärkt unsere Sorge, dass hier die wirtschaftliche und praktische Existenz eines Menschen durch eine Räumung in höchstem Maße bedroht ist. Leider wird es kaum möglich sein, Herrn Lindenau eine passende andere Räumlichkeit zu verschaffen, die sowohl behindertengerecht ist, als auch den Betrieb eines Ladens und somit die Sicherung seines Lebensunterhaltes erlauben würde.
Durch die Festsetzung eines Räumungstermins scheint die Zerstörung der Existenz eines Menschen und eines Unternehmens nun besiegelt.
Wir appellieren an Sie, es nicht soweit kommen zu lassen. Bitte gehen Sie auf die Kompromissvorschläge Ihres Mieters ein. Sein Angebot, die Räume im 1. OG und damit den überwiegenden Teil der bisher von ihm belegten Fläche zu räumen, sowie die Duldung aller geforderten baulichen Maßnahmen und die Zustimmung zu einer deutlichen Erhöhung der Miete sind weitgehende Angebote, die wir Sie bitten noch einmal in Betracht zu ziehen.
So wäre eine Zukunft für Herrn Lindenau und sein lebensnotwendiges Wohnladenkonzept in den angestammten Wohnräumen auf 75 qm und dem jetzig genutzten Keller als Warenlager Ihres Hauses möglich.
Sollten Sie dazu nicht bereit sein, bitten wir Sie Ihrem Mieter ein weiteres großzügiges Zeitfenster zur Verfügung zu stellen, in dem er und seine Unterstützer*innen weiter für einen zumutbaren Ersatz für Herrn Lindemann suchen können.
Gerne stehen wir auch für Vermittlungsgespräche zu Verfügung, um einen angemessenen Interessenausgleich zu finden.
Mit freundlichen Grüßen,
Cansel Kiziltepe
Halina Wawzyniak
Hans-Christian Ströbele"
Hintergundinformationen zur M99 findet Ihr zum Beispiel HIER bei BIZIM KIEZ. |