Wahlkampf 2013

Verstößt das afghanische Amnestiegesetz gegen das Völkerrecht? - Frage an die Bundesregierung

Frage (Nr. 2/187) von Christian Ströbele an die Bundesregierung:

"Teilt die Bundesregierung meine Auffassungen, dass das afghanische Amnestiegesetz, welchem im März 2007 auch dortige Abgeordnete zustimmten, "die sich selbst verziehen haben" (so Ex-Abgeordnete Malalai Joya) sowie selbst an schwersten Kriegsverbrechen wie Massenvergewaltigungen und der Tötung zehntausender Menschen beteiligt gewesen sein sollen, gegen das Völkerrecht sowie insbesondere gegen die UN-Resolution 1325 (2000) verstößt, und was wird die Bundesregierung in Afghanistan durch geeignete Maßnahmen gemeinsam mit anderen europäischen Staaten gegenüber der Regierung Karzai sowie in Deutschland durch Initiativen zur Einleitung von Strafverfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch unternehmen, um die Straffreiheit für Kriegsverbrecher zu beenden und damit die Forderungen afghanischer Opferangehörigen-Verbänden sowie Menschenrechts-Aktivistinnen zu erfüllen?"


Antwort durch Reinhard Silberberg, Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt:

"Aus Sicht der Bundesregierung ist die Aufarbeitung der vergangenen 25 Jahre (Transitional Justice") ein zentrales Thema für den Friedensprozess in Afghanistan. Der Versöhnungsprozess und die damit im Zusammenhang stehende Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen ist aber eine innerafghanische Angelegenheit. Die Bundesregierung respektiert die Beschlüsse der gewählten afghanischen Volksvertreter, solange diese nicht gegen internationale Verpflichtungen Afghanistans im Menschenrechtsbereich verstoßen. Nachdem das Parlament zunächst ein Amnestiegesetz beschlossen hatte, das Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen zusicherte, die im Zusammenhang mit bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan begangen wurden, wurde nach Ablehnung durch den afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karzai eine überarbeitete Version des Gesetzes beschlossen, nach der individuelle Strafverfolgung nach wie vor möglich ist. Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit europäischen Staaten, Drittstaaten sowie der Unabhängigen Menschenrechtskommission gegenüber der afghanischen Regierung regelmäßig für eine Weiterentwicklung des "Transitional Justice" - Prozesses ein und fordert die Umsetzung des Aktionsplanes ein. In Kabul ist die Bundesrepublik Deutschland, gemeinsam mit dem Büro des UN-Sonderbeauftragten, Niederlande, Kanada, der EU-Kommission und UNAMA Mitglied der sogenannten "Transitional Justice"-Kerngruppe.

Gemäß der Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen achtet die Bundesregierung bei Projekten im Rahmen des politischen Wiederaufbaus auf die größtmögliche Beteiligung von Frauen. Dieses betrifft die Partizipation von Frauen an politischen Prozessen, die Aufklärung über den Wahlprozess und die Verbesserung des Zugangs von Frauen im Justizbereich, aber auch individuelle Rechtsberatung. Diese Projekte werden nach Möglichkeit mit lokalen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten durchgeführt.

Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Frage 8h) der kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Der zivile Aufbau in Afghanistan und die Lage der Frauen" (Bundestagsdrucksache 16/6593 vom 09.Oktober 2007) und die Antwort auf Frage 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Zur Menschenrechtslage und zu den zivilen Opfern in Afghanistan" (Bundestagsdrucksache 16/10804 vom 06.November 2008) hingewiesen.

Die Entscheidung über die Einleitung von Ermittlungsverfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch obliegt dem Generalbundesanwalt (§142a Abs. 1 GVG i.V.m. §120 Abs. 1 Nr.8 GVG)."