Wahlkampf 2013

Schriftliche Anfrage: Hilfslieferungen für Somalia

23.04.2010: Die deutsche Beteiligung an der ATALANTA-Mission zur Bekämpfung der Piraterie wird mit dem Schutz von Hilfslieferungen begründet. Es liegen jedoch Erkenntnisse vor, dass große Mengen der Nahrungsmittelhilfe vor Ort in falsche Hände geraten. Eine wirkungsvoller Schutz der Hilfslieferungen kann im Rahmen von ATALANTA daher nicht geleistet werden.

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht der von der UNO eingesetzten Beobachtergruppe für den UN-Sicherheitsrat, wonach regelmäßig etwa die Hälfte der Nahrungsmittelhilfen vom UN-Welternährungsprogramm (WFP) für Somalia in falschen Händen landen (nämlich 30 Prozent bei Verteilerorganisationen oder WFP-Angestellten, 10 Prozent bei Transportunternehmen sowie 10 Prozent bei Milizen; vgl. taz vom 12. März 2010: "Hilfe für Hungernde abgezweigt") angesichts dessen, dass nach Piratenangriffen auf 3 WFP-Schiffe 2008 zahlreiche Kriegsschiffe gerade mit der Rechtfertigung entsandt wurden, die Nahrungsmittelhilfe gesichert an die Bedürftigen gelangen zu lassen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für die weitere deutsche Beteiligung an der ATALANTA-Mission aus dem Umstand, dass Kenia kürzlich das Abkommen mit der EU zur Übernahme festgehaltener Piraten aufkündigte,insbesondere hinsichtlich dadurch künftig notwendig werdender deutscher Auslieferungsanträge wie kürzlich im Fall der "Taipan" (vgl. sueddeutsche.de, 13. April 2010), anschließender Asylanträge der Piraten Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 5 - Drucksache 17/1535 in Deutschland sowie notwendiger Präsenz von Staatsanwälten oder Haftrichtern an Bord der deutschen Schiffe?

Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolf-Ruthart Born vom 23. April 2010:

Die Bundesregierung hat den Bericht der Überwachungsgruppe der Vereinten Nationen zu Somalia vom 10. März 2010, der - in einem Kapitel - Unregelmäßigkeiten in der vom Welternährungsprogramm (WFP) verantworteten Nahrungsmittelhilfe in Somalia zum Inhalt hat, mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung hat ebenso die Reaktion der WFP-Führung zur Kenntnis genommen, in der diese ausführlich auf die Vorwürfe eingeht, diese weitgehend als unzutreffend bewertet, aus Gründen der Vorsicht aber dennoch die Zusammenarbeit mit drei der wichtigsten somalischen Subunternehmer vorläufig eingestellt hat. Die Bundesregierung begrüßt die schnelle Reaktion des WFP, insbesondere die Bereitschaft, die im Raum stehenden Vorwürfe im Rahmen einer unabhängigen Untersuchung aufzuklären. Zugleich ist sich die Bundesregierung des Dilemmas einer reduzierten WFP-Tätigkeit in Somalia bewusst. Nachdem das WFP bereits Anfang 2010 aus Sicherheitsgründen die Nahrungsmittelverteilung in Süd-Somalia eingestellt hat, sind durch die jetzt erfolgte weitere Reduzierung fast die Hälfte der insgesamt 3,2 Millionen von Nahrungsmittelhilfe abhängigen Menschen ohne regelmäßige Versorgung. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen (u. a. mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, WorldVision, der Deutschen Welthungerhilfe, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH sowie den lokalen Partnern der Diakonie) leistet die Bundesregierung auch weiterhin humanitäre Hilfe in Somalia. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage sowie begrenzter Kapazitäten dieser Organisationen kann dies aber nur unter erschwerten Bedingungen in eingeschränktem Umfang erfolgen. Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung über die Zusammenarbeit mit dem WFP in Somalia unter Berücksichtigung der Ergebnisse der angekündigten Untersuchung sowie des humanitären Bedarfes entscheiden. Die maritime GSVP-Operation EUNAVFOR ATALANTA hat seit Beginn des Einsatzes neben dem Schutz von Schiffen des WFP die Aufgabe, Schiffe, die vor der Küste Somalias fahren, zu schützen sowie zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias beizutragen. Diesen Auftrag erfüllt die Operation, an der die Bundeswehr beteiligt ist, mit Erfolg. Bezüglich der Strafverfolgung somalischer Piraten antworte ich wie folgt: Die Sicherung einer effizienten und rechtsstaatlichen Grundsätzen genügenden Strafverfolgung mutmaßlicher Piraten ist von zentraler Bedeutung für die Effektivität von EUNAVFOR ATALANTA. In diesem Rahmen spielt auch der am 6. März 2009 unterzeichnete Briefwechsel zwischen der EU und Kenia eine wichtige Rolle. Ein ähnlicher Briefwechsel besteht seit dem 30. Oktober 2009 auch zwischen der EU und den Seychellen; die EU strebt weitere Drucksache 17/1535 - 6 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode Vereinbarungen mit anderen Staaten dieser Region an, darunter Tansania und Mauritius. Die Kündigungsfrist des Briefwechsels mit Kenia beträgt sechs Monate. Der Briefwechsel sieht vor, dass eine Kündigung der Übereinkunft keine Vorteile oder Pflichten berührt, die sich vor der Kündigung aus der Anwendung der Übereinkunft ergeben haben, einschließlich der Vorteile im Zusammenhang mit allen übergebenen Personen, solange diese von Kenia in Gewahrsam gehalten oder strafrechtlich verfolgt werden. In der EU besteht im Übrigen Einigkeit darüber, bei Kenia für die Fortsetzung der Absprache zu werben. So sehr die Bundesregierung die Kündigung des Briefwechsels durch Kenia auch bedauert, so wenig macht sie daher derzeit eine Änderung der Vorgehensweise von ATALANTA notwendig. Der (noch nicht abgeschlossene) Fall der MV "Taipan" war jedoch anders gelagert. Der Piratenüberfall und die anschließende Befreiung des Schiffes durch die niederländische Fregatte "Tromp" erfolgten außerhalb des Einsatzgebietes von EUNAVFOR ATALANTA und folglich unter nationalem Kommando, nicht unter den für EUNAVFOR ATALANTA geltenden Regelungen. Es schloss sich ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg an, das in den Erlass von Haftbefehlen und die Stellung von Auslieferungsersuchen im Wege europäischer Haftbefehle an die niederländischen Behörden mündete. Zurzeit wird in den Niederlanden ein Auslieferungsverfahren durchgeführt. Asylanträge Piraterieverdächtiger liegen derzeit nicht vor.