Mündliche Frage: Mitwirkung an den "Todeslisten" der USA
09.06.2010: Mitwirkung der Bundeswehr am Targeting-Prozess in Afghanistan und Verbleib der auf der Joint Effects List ("Todeslisten") verzeichneten Personen
Frage: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Menschen, die seit Juni 2009 auf Initiative oder unter Mitwirkung der Bundeswehr oder anderer deutscher Stellen in Afghanistan in ISAF-Listen wie "JEL" (Joint Effects List) mit oder ohne Zusätze wie "capture or kill" aufgenommen wurden, über deren Festsetzung und ihr weiteres Schicksal oder ihre Tötung, und wie viele Angehörige oder andere Menschen kamen bei Operationen gegen die Gelisteten ums Leben?
Antwort: Die Beteiligung der Bundeswehr an der International Security Assistance Force, ISAF, in Afghanistan schließt auch die nationale Teilhabe am Verfahren des sogenannten Targeting ein. Die Mitwirkung am Targeting-Prozess und dessen Durchführung richten sich nach den einschlägigen Verfahrensregeln der ISAF sowie nach der geltenden nationalen und NATO-Befehls- und Weisungslage. Der Targeting-Prozess umfasst zunächst die Identifizierung und die Auswahl potenzieller militärischer Ziele, gegen die im Sinne des Auftrages eine beabsichtigte Wirkung erzielt werden soll. Die Wirkungsempfehlungen des Targeting umfassen dabei die gesamte Bandbreite des militärischen Handelns vor Ort und beschränken sich nicht ausschließlich auf die Anwendung militärischer Gewalt. Ziele, deren Verfolgung mit militärischen und nichtmilitärischen Mitteln gebilligt ist, werden auf der sogenannten Joint Prioritized Effects List, JPEL, aufgeführt. Geplanten militärischen Maßnahmen gegen Einzelpersonen geht dabei eine eingehende Prüfung und Bewertung sowie ein komplexes Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren voraus. Zielnominierungen und Zugriffsoperationen, bei denen deutsche Kräfte die Verantwortung für die Anwendung militärischer Gewalt haben, die Ausführung übernehmen oder sich daran beteiligen, erfolgen ausschließlich mit dem Ziel, die Zielperson festzusetzen. Seit Juni 2009 wurden von deutscher Seite insgesamt acht Personen, denen nach vorliegender Erweislage ein konkretes Gefährdungspotenzial gegenüber ISAF und den afghanischen Sicherheitskräften zugeordnet werden konnte, über den Befehlshaber im ISAF Regionalkommando Nord als zuständiger Instanz zur Nominierung auf der JPEL vorgeschlagen. Von diesen Personen, ihren Angehörigen und anderen Menschen in unmittelbarer Umgebung konnte in Verantwortung oder unter Beteiligung von Kräften der Bundeswehr bisher niemand festgesetzt werden.