mündliche Frage: Anzahl und Kriterien für Tötung durch US-Drohnen oder "Kill Team"
13.04.2011: Frage über die Auswahlkriterien und Anzahl der Personen, die auf Grundlage einer Ziel-Liste von US-Drohnen oder "Kill-Team" im ISAF-Kommandobereich getötet wurden.
Was ist der Bundesregierung bekannt über die Auswahlkriterien und konkrete Anzahl der Personen, die seit Anfang 2010 im unter deutscher Verantwortung stehenden ISAFKommandobereich Nord in Afghanistan durch US-amerikanische Drohnen oder sogenannte Kill-Teams aus einer der infrage kommenden Ziellisten gezielt getötet worden sind, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass die seither zugenommenen dortigen Anschläge, die den Aufständischen zugeschrieben werden, mit zahlreichen - auch deutschen - Verletzten und Getöteten Reaktionen auf diese US-amerikanischen Tötungspraktiken darstellen?
Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper: Zunächst folgende Klarstellung: Es gibt keine Verbindung zwischen den gemäß Völkerrecht sowie Operationsplan und Einsatzregeln der NATO ausgeführten Gefechtshandlungen von ISAF-Kräften bzw. unter nationalem Kommando stehenden Kräften einerseits und den kriminellen Aktivitäten einzelner US-Soldaten des sogenannten Kill-Teams andererseits. Den Mitgliedern dieses "Kill-Teams" wurde oder wird wegen ihrer Verbrechen der Prozess gemacht. Die US-Armee hat sich dafür entschuldigt. Die Morde des "Kill-Teams" stehen in keinem Zusammenhang mit der Operation von ISAF. Nun zu Ihrer Frage: Unter nationaler Führung der USA eingesetzte Streitkräfte gehen gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften seit 2009 zur Unterstützung im ISAF-Regionalkommando Nord gegen die regierungsfeindlichen Kräfte vor. Nach Angaben der USA sind bei diesen Operationen mehrere Personen, die auch auf der sogenannten Joint Prioritized Effects List, JPEL, der ISAF aufgeführt waren, getötet worden. Die Bundesregierung hat weder Kenntnis über eine gezielte Tötungsabsicht im konkreten Einzelfall noch über die möglicherweise ursächlich dafür zugrunde gelegten Auswahlkriterien. Ihre Annahme, dass die "Anschläge" im Regionalkommando Nord seit Anfang 2010 zugenommen hätten, ist in dieser pauschalen Form nicht zutreffend. Die im Verlauf des Jahres 2010 angestiegene Zahl der sogenannten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Norden Afghanistans steht nach den vorliegenden Erkenntnissen zudem in keinem direkten Zusammenhang mit dem Vorgehen der US-Streitkräfte. Vielmehr hat vor allem der zahlenmäßige Aufwuchs und das insgesamt erhöhte Operationstempo der afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte im Einsatzgebiet sowie ihr Vordringen in die bisherigen Rückzugsräume der regierungsfeindlichen Kräfte den Anstieg der Sicherheitsvorfälle verursacht. Die Sicherheitslage im Einsatzgebiet wird durch ein komplexes Beziehungsgeflecht unterschiedlicher Faktoren bestimmt. Die Absicht der regierungsfeindlichen Kräfte, Stabilität und Wiederaufbau zu verhindern und darüber hinaus die örtlich jeweils vorherrschende soziale und wirtschaftliche Situation der Bevölkerung spielen dabei die wichtigste Rolle. In den Gebieten, in denen unter anderem mit gezielten Zugriffen auf regierungsfeindliche Kräfte die staatliche Kontrolle durch die afghanischen Sicherheitskräfte wiederhergestellt wurde, ist im ersten Quartal 2011 sogar erstmals eine leicht verbesserte Sicherheitslage zu konstatieren: Stabilisierungsund Entwicklungsprojekte können wieder ausgeführt werden. Dies führt in vielen Fällen zu einer deutlich verbesserten Gesundheits- und sanitären Versorgung der Menschen, zum Beispiel im südlichen Chahar Darah. Schließlich möchte ich auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion zum Thema "Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz" (Bundestagsdrucksache 17/2884) hinweisen. Das komplexe Zielauswahlverfahren von ISAF und die Haltung der Bundesregierung dazu sind dort ausführlich dargelegt.