Wahlkampf 2013

Libyen: Bundestags-Zustimmung erforderlich - trotz Tarnmanöver des Verteidigungsministeriums

20.08.2011: Hans-Christian Ströbele äußert sich zu den heute publizierten Erklärungen des Bundesverteidigungsministers zum Einsatz deutscher Soldaten im Libyen-Krieg.

Herr de Maiziere wirft Nebelkerzen zum tarnen und täuschen, um vom Kern des politischen und Verfassungsproblems bei diesem Einsatz abzulenken.

Ich habe gestern von dem Minister keinen NATO-Austritt gefordert, sondern nur die Beachtung des Grundgesetzes.

Ich äußerte mich auch nicht zu Neapel. Welche Soldaten die Bundeswehr wann nach Neapel geschickt hat zur "Verstärkung" des schon vor Kriegsbeginn "bestehenden Stabs" im dortigen NATO-Hauptquartier ("Allied Joint Force Command", FFCN), das weiß ich nicht; das sollte der Minister dem Parlament und der Öffentlichkeit noch genauer berichten.

Meine Kritik richtet sich vielmehr primär auf die Entsendung 11 deutscher Luftwaffensoldaten in eine NATO-Dienststelle in Poggio Renatico 650 Kilometer entfernt von Neapel, und zwar in einen dort bei Kriegsbeginn neu geschaffenen separaten Kriegs-Gefechtsstand beim "Combined Air Operations Center 5/ CAOC", von wo aus sie militärische Ziele in Libyen auswählen. Auf diese Einheit bezog sich auch meine vorangegangene Anfrage an die Bundesregierung.

Herr de Maiziere ist selbst Jurist und sollte das maßgebliche "Parlamentsbeteiligungsgesetz" genau kennen. Nach dessen § 2 ist die Zustimmung des Bundestages einzuholen, wenn " Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind". Darum handelt es sich im Fall des Libyen-Kriegs zweifellos. Dies gilt laut Gesetzesbegründung insbesondere bei einer Verwendung "in eigens für konkrete bewaffnete Einsätze gebildeten Stäben". Um einen solchen handelt es sich bei dem Gefechtsstand / Luftplanungsstab in Poggio Renatico, der erst mit Kriegsbeginn seine Arbeit aufnahm.

Auf parlamentarische Zustimmung ausnahmsweise zu verzichten, ist laut Gesetzesbegründung allein zulässig, wenn Bundeswehr-Soldaten in einem "STÄNDIGEN integrierten Stab" der NATO eingesetzt werden bzw. bleiben, der also bereits vor Kriegsbeginn bestand. Das mag in Neapel so sein.

Doch jedenfalls bezüglich der nun in Poggio Renatico eingesetzten Bundeswehr-Soldaten war eine Zustimmung des Bundestages erforderlich.

Quellen: a) Bundestags-Drucksache 15/2742, Seite 5 dipbt.bundestag.de/doc/btd/15/027/1502742.pdf

b) § 2 ParlBG: www.gesetze-im-internet.de/parlbg/__2.html

c) Ulrich Scholz, (Oberstleutnant a.D., Tornado-Pilot, Piloten-Ausbilder, Planer für Luftkriegsoperationen in NATO Hauptquartieren und Dozent für Luftkriegsoperationen an der Führungsakademie der Bundeswehr) in Heute-Journal 19.8.2011 /22:00 :

"Wenn die Nato- eine Kriegsoperation im Rahmen der UNO unternimmt, dann geht sie mit ihrer Kommandostruktur von der Friedens- in eine Kriegsstruktur. Und diese Kriegsstruktur oder Einsatzstruktur beinhaltet unter anderem diese Planungsstäbe. DIE SIND IM FRIEDEN NICHT VORHANDEN. Der Luftplanungsstab oder JFAC hat Hunderte von Leuten Planung. Die machen nichts anderes als targeting, targeting, targeting. Und den gibt es nur im Einsatz. Wenn in so einem JFAC deutsche Stabsoffiziere jetzt arbeiten, obwohl Deutschland gesagt hat, wir stimmen einem Krieg nicht zu, dann haben wir ein Dilemma."

www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/228#/beitrag/video/1415786/Libyen:-Streit-um-deutsche-Beteiligung (Minute 2:00 - 3:00)