Wahlkampf 2013

Rede zur Änderung der Strafprozessordnung

30.11.2001: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!.

Weniger wegen der Union - obwohl der Kollege Kauder mir gerade reichlich Gelegenheit gegeben hat, ihm zu antworten -, sondern wegen alle der beiden kleineren Parteien habe ich Wert darauf gelegt, heute hier noch einmal zu diesem Gesetzentwurf zu sprechen.

Herr Kollege Funke, ich verstehe überhaupt nicht, wie ein gestandener Abgeordneter aus einer sich liberal nennenden Fraktion dafür sein kann, dass die alte Regelung des § 12 FAG erneut verlängert wird, von der Sie selber und eigentlich alle sagen, dass sie nicht nur alt ist - sie stammt aus dem Jahre 1927 -,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Alt ist noch kein Grund! Das sieht man an Ihnen!)

sondern auch die moderne Telekommunikation nicht berücksichtigt. Vor allen Dingen aber engt sie eine Reihe von Freiheitsrechten unzulässigerweise viel zu weit ein, weil der Eingriff in das Telefongeheimnis, nämlich die Feststellung, mit welcher Telefonnummer jemand eine Verbindung hatte, bei jeder x-beliebigen Straftat vorgenommen werden soll, auch dann, wenn es vielleicht nur um einen kleinen Diebstahl, einen kleinen Betrug oder eine Sachbeschädigung geht. Diesen Teil der alten Regelung wollen wir im Gegensatz zu Ihnen nicht beibehalten.

(Rainer Funke [FDP]: Ich will nur eine andere Beratung haben!)

Zur PDS kann ich nur feststellen, dass sie überhaupt keine Änderung will. Sie hat im Rechtsausschuss alle Anträge abgelehnt. Ich bin nun wirklich kein großer Freund repressiver Strafverfolgungsmaßnahmen. Aber auch Sie müssten einsehen, dass es hin und wieder ein Interesse der Strafverfolgungsbehörden gibt, zu wissen, wer mit wem telefoniert hat. Wenn wir beispielsweise - Ihnen passiert das sicherlich wie mir auch - nachts am Telefon beschimpft und beleidigt werden,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das passiert uns nicht!)

dann haben wir und auch die Strafverfolgungsbehörden das Interesse, zumindest zu wissen, von welcher Telefonnummer der Anruf kam. Das ermöglicht diese Vorschrift. Dasselbe gilt, wenn festgestellt werden soll, wer zuletzt mit einem Ermordeten telefoniert hat. So etwas festzustellen ist doch ein berechtigtes Anliegen der Strafverfolgungsbehörden. Es geht überhaupt nicht um die Gesprächsinhalte, sondern nur um die Daten der Telekommunikationsverbindungen. Wie man angesichts dessen sagen kann, man wolle und brauche dies alles nicht, verstehe ich nicht.

Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, das die Möglichkeit aufrechterhält und sogar noch ein bisschen ausbaut, Telekommunikationsverbindungen im Rahmen des Notwendigen festzustellen. Die Erweiterung bezieht sich zum einen auf die Daten, die aufgezeichnet werden können, zum anderen auf den Zeitraum, für den eine solche Maßnahme zulässig sein soll. Den Zeitraum haben wir auf drei Monate begrenzt. Das ist richtig und vernünftig. Wenn man erkennen will, ob und von wem ein Telefonanschluss angewählt wird, dann standen die Richter auch in der Vergangenheit immer wieder vor der Notwendigkeit - darauf hat der Datenschutzbeauftragte hingewiesen -, solche Ermächtigungen für einige Wochen zu erteilen. Wurden sie nicht erteilt, hat die Staatsanwaltschaft sie alle paar Tage oder Wochen neu gefordert. Jetzt dehnen wir das auf drei Monate aus; das ist richtig und vernünftig und notwendig, weil es einem berechtigten Bedürfnis der Strafverfolgungsbehörden entspricht.

Aber, Herr Kollege Kauder, nicht alles, was möglich ist, um den Terrorismus zu bekämpfen, ist richtig. Unsere Fraktion und unsere Koalition bestehen auf der Einhaltung der rechtsstaatlichen Regeln und der Freiheitsrechte,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das erfüllt unser Vorschlag auch!)

die wir doch verteidigen wollen. Wir können nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, indem alle möglichen Formen polizeilicher Repression zugelassen werden. In den USA treibt das ganz schreckliche Blüten; es wird über Folter und über monatelange Festnahme ohne jede Beschuldigung und ohne jedes Verdachtsmoment gesprochen. Das wollen wir nicht.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das gab es auch unter dem alten § 12 FAG nicht! Malen Sie keine Gespenster an die Wand!)

Vielmehr wollen wir uns in den Bahnen bewegen, die richtig und vernünftig sind und zugleich die Freiheitsrechte sichern.

Die wichtigste Bestimmung, um die wir die frühere Regelung erweitert haben, ist, dass die Vorschrift nur für erhebliche Straftaten gilt. Es ist doch zwingend, dass erstens die Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dass zweitens die Richter die Maßnahmen anordnen. Wenn Staatsanwälte das im Einzelfall wegen Gefahr im Verzuge machen, dann muss unverzüglich die nachträgliche richterliche Genehmigung eingeholt werden. Anders geht das vor allen Dingen in Zukunft nicht.

Wir wollen drittens ebenfalls nicht - Herr Pick hat bereits darauf hingewiesen -, dass im Stand-by-Verkehr, wenn also ein Handy nur da liegt, aber keine Verbindung besteht, für die so genannten Bewegungsbilder festgestellt und aufgezeichnet werden kann, wo es sich befindet.

Wir haben viertens im Anschluss an die Diskussion über dieses Thema in der letzten Legislaturperiode von Anfang an verlangt und großen Wert darauf gelegt - das war tatsächlich einer der Gründe, warum es so lange gedauert hat -, dass die Berufsgeheimnisträger geschützt bleiben, weil wir es für richtig halten, dass Anrufe bei Geistlichen, beispielsweise Beichtvätern - Beichtmütter gibt es wohl gar nicht -,

(Alfred Hartenbach [SPD]: Demnächst vielleicht auch!)

Verteidigern und Abgeordneten nicht festgehalten, sondern geschützt werden sollen, weil diese Vertrauenssphäre schützenswert ist. Wir haben die Diskussion darüber, ob auch die anderen Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Ärzte, aber auch vor allen Dingen Journalisten in gleicher Weise geschützt werden sollen, noch nicht abgeschlossen. Das wollen wir nachbessern, sobald das in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen wird, was bisher leider daran scheiterte, dass die dazu erforderlichen Daten von den von Ihnen regierten Ländern noch nicht geliefert worden sind. Eigentlich sollte dieses Gutachten im September vorliegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Deshalb konnten wir diesen Punkt noch nicht klären und erledigen. Das wird nachgeliefert werden.

Wir haben hiermit ein sehr wirksames, aber den rechtsstaatlichen Grundsätzen und Freiheitsrechten verpflichtetes Gesetz geschaffen. Es ist ein recht gutes Gesetz, das weiter verbessert werden kann. Auf jeden Fall ist es viel besser als die Regelung, die wir damit ablösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Rainer Funke [FDP]: Das so genannte Ströbele-Gesetz! - Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Lex Ströbele!)