Wahlkampf 2013

Persönliche Erklärung zur Abstimmung zur Entsendung deutscher Streitkräfte in den Kongo

29.06.2006: Persönliche Erklärung zur Abstimmung zum "Antrag der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter Streitkräfte an der EU-geführten Operation EUFOR RD Congo" (Drucksache 16/1507) am 1. Juni 2006

Ich habe dem Antrag der Bundesregierung nicht zugestimmt, obwohl ich die Entsendung einer militärisch bewaffneten EU-Truppe mit Beteiligung des Bundeswehr zur Unterstützung der ca. 17.000 UN-Soldaten MONUC bei der Sicherung der Bevölkerung während des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo grundsätzlich für richtig und verantwortbar halte. Aber die Wahlen müssen so fair wie möglich und das Mandat für die Bundeswehr muss ausreichend und ehrlich sein.

Ich kritisiere nicht, dass der Bitte der UNO nachgekommen und die UN-Friedenstruppe verstärkt werden soll. Am Kongo konnte mit Hilfe der UN-Soldaten nach einem fürchterlichen Krieg seit einigen Jahren der Friede weitgehend gesichert werden. Ich sehe auch, dass zur Absicherung von fairen freien Wahlen die Verstärkung benötigt wird. Die Entsendung der Bundeswehr ist grundsätzlich verantwortbar, weil sie nicht in einen Kriegseinsatz erfolgt und UN- und EU-Truppe mit einem einstimmig erteilten UNO-Mandat handeln. Die kongolesische Regierung und die der afrikanischen Staaten sind einverstanden. Vor allem wünscht die Bevölkerung im Land den Schutz ihrer Sicherheit während der Wahlen auch durch europäische Soldaten. Das war das Ergebnis meiner Reise in die Hauptstadt Kinshasa und nach Bukavu im Ostkongo Ende April diesen Jahres. Aber ich kann nicht übersehen, dass ein fairer Wahlprozess derzeit nicht ausreichend gesichert ist.

1. Der Wahlkalender hat eine schwerwiegende Lücke. Lediglich der Termin für den ersten Wahlgang ist für Ende Juli festgelegt, aber immer noch unsicher. Ein Termin für den zweiten Wahlgang fehlt entgegen der festen Vorgabe. Dieser zweite Wahlgang ist aber genauso wichtig wie der erste Wahlgang. Im zweiten Wahlgang soll nicht nur der Präsident gewählt werden, wenn kein Kandidat die absolute Mehrheit erzielt hat, sondern auch die Provinzgouverneure und Provinzparlamente. Viele Wählerinnen und Wähler gerade in den Krisenprovinzen im Osten sehen diese Wahl als fast noch wichtiger an als die Nationalwahlen. Der zweite Wahlgang kann wegen wahltechnischer Gründe frühestens 100 Tage nach dem ersten stattfinden. Nicht wenige befürchten, dass der zweite Wahlgang in immer weitere Ferne wegrückt.

2. Die Situation im Land und vor allem in der Hauptstadt Kinshasa spitzt sich zu. Befürchtete Unruhen schon im Wahlkampf zeichnen sich ab. Nur der Übergangspräsident und zugleich aussichtsreichste Kandidat verfügt über eine eigene bewaffnete Garde von 15.000 Mann, die auch in der Hauptstadt überall präsent ist. Zwei Vizepräsidenten und ebenfalls Kandidaten sollen eigene Truppen von einigen tausend Kämpfern nahe der Hauptstadt unterhalten. Noch geben Sie sich friedlich, aber nach dem ersten Wahlgang kann es schnell anders sein. Für den Krisenfall wie jetzt sieht der Friedensvertrag die Einberufung der CIAT-Dialoggruppe vor. Die Forderung nach der Wiederaufnahme des Dialoges unterstützen inzwischen nicht nur die größte Oppositionspartei, sondern fast alle Wahlparteien - mit Ausnahme der des Präsidenten - und nicht nur einzelne Kirchenvertreter, wie die Bundesregierung heute auf meine parlamentarische Anfrage behauptet, sondern die nationale Bischofskonferenz CENCO. Sie ruft auf zu einem "positiven und konsensorientierten Dialog" und verlangt die Initiative von einer internationalen Organisation (AU oder EU oder UNO). Dieser Dialog soll den Wahlprozess nicht stoppen, sondern rechtmäßig, transparent und fair gestalten. Gleichwohl unterstützt die Bundesregierung die Einsetzung der Dialoggruppe ausdrücklich nicht.

Ich stelle fest, das Mandat für die Bundeswehr ist nicht ehrlich und nicht ausreichend.

3. Der Einsatz soll auf vier Monate begrenzt sein, beginnend ab dem ersten Wahlgang am 30. Juli. In diesem Zeitraum soll auch die neu gewählte Regierung im Amt sein. Schon heute ist abzusehen, dass diese Zeit schon wegen der Zeitspanne zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang nicht reicht. Aus Rücksicht auf Stimmungen in der Koalition wurde eine Einsatzdauer festgelegt, von der die Verantwortlichen jetzt schon wissen, dass sie nicht eingehalten werden kann. Wieder wird ein Einsatz der Bundeswehr verlängert werden.

4. Der Einsatz der deutschen Kräfte ist auf den Raum Kinshasa begrenzt. Auch Nothilfeeinsätze außerhalb dieses Raumes sind danach nicht erlaubt. Die Menschen gerade in den unsicheren Provinzen des Ostkongo haben kein Verständnis dafür, dass ihnen in einer Notsituation selbst dann nicht geholfen werden darf, wenn es der in Kinshasa stationierten Bundeswehr möglich wäre, nur weil das Mandat dies nicht erlaubt.

Solange die Zweifel daran überwiegen, dass die Wahlen am Kongo so weit wie möglich fair sein werden, und solange das Mandat für die Bundeswehr nicht ausreichend bestimmt und klar ist, halte ich die Zustimmung zur Entsendung der Bundeswehr an den Kongo nicht für verantwortbar. Stattdessen soll die Bundesregierung das ihr Mögliche tun, dass die Dialoggruppe einberufen wird, dass weiter durch ein eindeutigeres Mandat für die UN-Truppe MONUC auch im Ostkongo mehr Sicherheit geschaffen wird und dass somit in die Infrastruktur des Landes Entwicklungshilfe gezielt fließen kann.

Hans-Christian Ströbele

Einen ausführlichen Bericht über seine fast zweiwöchige Reise in den Kongo (Ende April) finden Sie unter: www.stroebele-online.de/dokumente/132091.html