Schärfere Waffengesetze für sichere Schulen? - der ZDF Live Chat
15.03.2009: Christian Ströbele stellte sich Sonntag Abend den ZuschauerInnen der Sendung "Berlin direkt" im Live Chat.
Berlin direkt: "Guten Abend! Wir begrüßen Sie im Chat von Berlin direkt und freuen uns auf Ihre Fragen!"
Olivander: "Weshalb macht sich niemand für ein generelles Waffenverbot in Haushalten mit Kindern stark? Wer Kinder hat, ist schließlich auch in anderen Aspekten der Lebensführung stark eingeschränkt. Monatelange Weltreisen sind etwa auch nicht mehr realisierbar."
Hans-Christian Ströbele: "Auch ich bin dagegen, dass in Haushalten scharfe Waffen mit Munition vorrätig sind. Das gilt grundsätzlich aber natürlich insbesondere dann, wenn sich dort halbwüchsige Kinder aufhalten."
Edi45 (Gast): "Gibt es überhaupt Argumente, die gegen eine Sicherheitsverwahrung sprechen?"
Hans-Christian Ströbele: "Das Hauptargument dagegen soll sein, dass dann Waffenlager angelegt werden, meist außerhalb der Ortschaften, weil dort die Schützenhäuser stehen. Dieses Argument teile ich aber überhaupt nichtt, weil solche große Tresore in Schützenhäusern besonders gesichert und bewacht werden können, aber zwei Millionen Haushalte sind nicht sicher zu machen."
Fritzchen109 (Gast): "Was halten Sie von dem Vorschlag, die Munition von Schützenvereinen getrennt bei Polizei, Zoll, BGS o.ä.zu lagern?"
Hans-Christian Ströbele: "Das wäre ein erster wichtiger Schritt. Es gibt noch einen weitergehenden Vorschlag, nämlich Waffen schießunbrauchbar zu machen, wenn sie doch zu Hause gelagert werden. Etwa indem man schießwichtige Teile, wie Bolzen, dann zentral aufbewahrt."
Berti107 (Gast): "Guten Abend! Welche Chancen hat ein Verschlußgesetz für Waffen (kontrollierte Ausgabe nur innerhalb des Vereins) für Hobbyschützen überhaupt? Ich vermute, Konservative mögen sich mit den Schützenvereinen nicht anlegen, das sind ja fast immer die Honoratioren der Orte."
Hans-Christian Ströbele: "Sie haben völlig recht. Millionen Mitglieder von Schützenvereinen sind ein Wählerreservoir, vor allem für Konservative, auf das Rücksicht genommen wird. Wir sind im Deutschen Bundestag Kummer mit Lobbyisten gewöhnt, aber der Ansturm von Lobbyisten, der über uns kam bei der letzten Waffenrechtsverschärfung war einmalig."
Edi88 (Gast): "Wäre es nicht sinnvoller, über mehr Sicherheit an Schulen nachzudenken. Z.B. über den Umstand, dass Tag für Tag Klassenzimmer von außen vollkommen unverschloßen sind."
Hans-Christian Ströbele: "Nachdenken soll man immer, aber ich halte nichts davon Schulen zu Trutzburgen auszubauen. Das hätte übrigens auch den Zutritt der letzten Amokschützen nicht verhindert, sie waren Schüler oder ehemalige Schüler der Schule."
Neil1: "Warum dürfen Sportschützen überhaupt Großkaliberwaffen erwerben? Eine Beschränkung auf Luftgewehr-und Kleinkalibereinzellader reicht doch aus?warum dürfen Sportschützen fast unbegrenzt Waffen erwerben?"
Hans-Christian Ströbele: "Die Frage ist völlig berechtigt. Auch für mich ist es ein Rätsel, dass hier offenbar Sportschützen 15 Waffen zu Hause horten, zum Teil großkalibrige Pistolen mit unendlich viel Munition - dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung."
andre k82: "Was denken Sie denn überhaupt, welche Relevanz der freie Zugang zu Waffen für diese Taten hat? Ist nicht eher die Gesellschaft teilweise mit Schuld und Waffenverbote und die Diskussionen darum eher Alibis, um sich der Realität nich stellen zu müssen?"
Hans-Christian Ströbele: "Das stimmt. Mit dem zentralen Wegschließen der Waffen wird man nicht alle Amokläufe verhindern, denn illegal kann man sich doch Waffen besorgen. Aber wie in den letzten Fällen wurde es hier doch den Tätern unendlich leicht gemacht, eine tödliche Waffe mit hunderten Schuss Munition fast wie ein Schulbrot von zu Hause mitzunehmenn."
Conni193 (Gast): "Denken Sie, dass sogenannte Ego-Shooter Menschen zum Töten verleiten können?"
Hans-Christian Ströbele: "Das glaube ich nicht. Trotzdem fürchte ich, dass mit solchen Spielen Hemmungen abgebaut werden und sich die User an den Gebrauch von Schusswaffen gewöhnen und übrigens auch faktisch Trockenübungen durchführen."
Shanya: "Guten Abend! Was halten Sie von dieser überboardenden Berichterstattung auf allen Kanälen. Dies zeugt für mich nur von extremer Sensationslust. Konstruktive bzw. präventive Massnahmen wird man dadurch wohl nicht erreichen."
Hans-Christian Ströbele: "Das ist richtig. Weniger, besser recherchierte Berichterstattung wäre hier mehr gewesen und sicher schonender für die betroffene Bevölkerung."
Det170 (Gast): "Die Politik hat nur wenig nach dem Amoklauf in Erfurt gemacht,wird sie jetzt anders reagieren und vor allem wie?"
Hans-Christian Ströbele: "Ich fürchte, der Einfluss der Schützenvereine ist wieder mal so groß, dass weiterhin in Millionen Haushalten scharfe Waffen und Munition verwahrt werden. Wir von der Opposition versuchen trotzdem immer wieder durch Anträge das Thema auf der Tagesordnung zu halten."
ogilvy: "Sie meinen, dass Waffen nicht in Privathaushalten aufbewahrt werden dürfen. Was sagen Sie denjenigen Waffenbesitzern, die ihre Waffen zur Selbstverteidigung auch Nachts bei sich haben wollen? Denen helfen abgegebene Waffen nix."
Hans-Christian Ströbele: "Das ist das Argument, das wir aus den USA kennen, wonach möglichst jeder volljährige Bürger sich frei eine Waffe kaufen können muss. Das Ergebnis solcher Gesetze ist, wie wir aus den USA wissen, dass unendlich viel mehr Schreckliches mit Schusswaffen angerichtet wird. Die Bevölkerung wird nicht sicherer, wenn sie möglichst viele Waffen zu Hause haben, sondern dramatisch unsicherer."
Antrios: "Denken Sie, dass Schützenvereine Menschen zum Töten verleiten können oder zumindest die Gewaltbereitschaft in solchen Vereinen deutlich höher ist?"
Hans-Christian Ströbele: "Das Verhältnis zu Waffen und deren Gebrauch ist sicher weniger distanziert als sonst in der Bevölkerung. Übrigens lernt man dabei auch, Waffen effektiv zu nutzen und etwa, immer auch sehr schnell und reibungslos nachzuladen. Vielleicht wäre in Winnenden nicht so viel Schreckliches passiert, wenn der Täter vorher nicht mit seinem Vater den Umgang mit einer Waffe geübt hätte."
Fritzchen173 (Gast): "Herr Ströbele, wieso haben Sie eigentlich der Waffenrechtsänderung 2003 zugestimmt, wenn Sie das Gesetz nicht für ausreichend halten?"
Hans-Christian Ströbele: "Wir haben nach heftigen Auseinandersetzungen erhebliche Verschärfungen des Waffenrechts durchsetzen können und deshalb zugestimmt, wenn wir uns auch mit der Forderung nach einer zentralen Aufbewahrung und Sicherung nicht durchsetzen konnten."
Fritzchen256 (Gast): "Zur Zeit wird den Biathleten zugejubelt. Auch das sind Sportschützen. Dabei sagt keiner etwas. Ihnen müßte doch bekannt sein, welche Waffen in Deutschland besitzt werden dürfen. Was wollen Sie wegen der Jäger und Reservisten unternehmen ? Wieso wundern sich alle über die Menge der Munition ? Je mehr Munition man kauft, desto billiger wird es."
Hans-Christian Ströbele: "Es gibt Berufe, wie die etwa 300.000 Jäger, die für ihre Berufsausübung bzw. "Landschaftspflege" Waffen benötigen. Aber deshalb muss man nicht das Risiko eingehen, dass in weiteren Millionenhaushalten Waffen und Munition aufbewahrt werden."
Edi21 (Gast): "Glauben Sie, dass eine Konsequente Reduktion der Gewaltdarstellung, insbesondere in den Medien (Nachrichten, "unterhaltungs"-Krimis, etc.. nicht einen wesentlich größeren Effekt erzielen würde, als einzelne Computerspiele zu verbieten?"
Hans-Christian Ströbele: "Ich kann persönlich nur schwer nachvollziehen,dass in Filmen oder im Fernsehen Tötungsszenen ausführlich, zum Teil zelebriert werden. Aber ich bin auch vorsichtig mit Einschränkungen in die Kunst- und Gestaltungsfreiheit von Medienproduzenten."
tomcat2013: "Ist im Moment nicht die Justiz gefragt, die den Vater des Amokschützen anklagen müsste?"
Hans-Christian Ströbele: "Da sind ganz dringende Fragen angebracht. Nicht nur warum die Mordwaffe im Schlafzimmer gelegen haben soll, sondern auch, warum die Eltern auf den doch sehr intensiven Umgang mit Waffen, nicht nur durch den Sohn, sondern auch durch den Vater, nicht anders reagiert haben und nicht tausende von Schuss Munition zu Hause verfügbar hatten."
Anton287 (Gast): "Herr Ströbele, ich meine hier als entscheidende Frage bleibt "die Verantwortung zur Erziehung" durch die Eltern, die hier völlig unterbelichtet ist? Wie sehen Sie dies?"
Hans-Christian Ströbele: "Das stimmt. Eltern sollten alarmiert sein, wenn ihre Kinder sich ständig mit Waffen beschäftigen, nicht nur in Videospielen, sondern in etwa auch durch den Besitz von immer mehr zugelassenen, angeblich harmlosen Waffen, wie die Softairgewehre."
Berti275 (Gast): "Waren Sie jemals in einem Schützenverein zu Gast, um sich ein Bild von der hier diskutierten Thematik zu machen?"
Hans-Christian Ströbele: "Nein. Ich war noch nicht in einem Schützenhaus und habe jetzt mit Erstaunen Fernsehbilder aus einem Schützenhaus gesehen, dass dort offenbar durchaus Waffen in großen Tresoren sicher aufbewahrt werden und zwar sehr viele. Ich kann deshalb noch weniger verstehen, dass man nicht die Waffen der anderen Vereinsmitglieder dort aufbewahren kann, etwa indem man im Keller einen großen Tresor anlegt."
Hansematz2009: "Herr Ströbele, stimmt es, dass Sie während Ihrer Bundeswehrdienstzeit ein vielfach ausgezeichnet Schütze waren, sich also durchaus mit der Materie auskennen?"
Hans-Christian Ströbele: "Das stimmt. Ich war/bin Kanonier der Reserve. Ich habe mit der Kanone treffsicher geschossen, verwahre aber mit Sicherheit keine solche bei mir zu Hause."
Fritzchen149 (Gast): "Hallo Herr Ströbele, würden Sie eine Ampelkoalition nach der Bundestagswahl mittragen?"
Hans-Christian Ströbele: "Derzeit sehe ich, nach allem was ich von der FDP höre, keine inhaltliche Grundlage für die Durchsetzung wichtiger grüner Ziele."
Berlin direkt: "Wir bedanken uns bei Herrn Ströbele und wünschen allen Chattern noch einen schönen Abend!"
Hans-Christian Ströbele: "Ich bedanke mich bei allen Fragestellern und fordere Sie auf, solche dringenden Fragen auch an alle ihre Wahlkreiskandidaten weiter zu stellen."
Hier den Chat nochmal direkt nachlesen