Wahlkampf 2013

Politische Lösung für den Westsaharakonflikt

29.01.2004: Bundestagsrede zum Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP: Eine politische Lösung für den Westsaharakonflikt voranbringen - Baker-Plan unterstützen (Drucksache 15/2391)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihr Lob nehme ich gerne entgegen, Herr Kollege Helias. Ihre Kritik kann ich allerdings nicht akzeptieren. Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - Sie waren nicht dabei - waren wir von Anfang an mit Vertretern der FDP-Fraktion im Gespräch und haben Neuformulierungen des Antrags immer wieder abgestimmt. Das hatte sachliche Gründe.

(Siegfried Helias [CDU/CSU]: Natürlich!)

Natürlich hatte das sachliche Gründe. Deutschland hatte zu der Zeit den Vorsitz im Weltsicherheitsrat, als der Baker-Plan geboren war und angenommen werden sollte. Wir wollten die entsprechenden Gespräche abwarten, um entscheiden zu können, wie wir die Entwicklung unterstützen könnten.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem der Baker-Plan jetzt auf dem Tisch liegt, nachdem die Sahraouis, die POLISARIO und auch die UNO den Plan akzeptiert haben und Marokko signalisiert hat, dass es trotz einiger kritischer Punkte dem Grunde nach ähnlich denkt, ist es jetzt tatsächlich an der Zeit, der UNO und auch der Bundesregierung einen zusätzlichen Anstoß zu geben, möglichst viel zu tun, damit dieser Plan umgesetzt und Wirklichkeit werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Auch ich war - es ist noch nicht allzu lange her, es war im letzten Jahr - in der Westsahara, Frau Kollegin Hoffmann, und habe dort die gegenwärtige Situation erlebt. Die Westsahara ist heute durch unendlich lange Mauern, Wälle und durch Stacheldraht in mehrere Teile geteilt. Um von einem Teil in den anderen zu kommen, kann man nicht durch irgendein Tor gehen, sondern man muss Tausende von Kilometern über Algerien oder über andere Nachbarstaaten zurücklegen und dann über den Atlantik oder über Marokko in den anderen Teil fahren. Das sind Zustände, die uns Deutschen aus unserer eigenen Vergangenheit nicht ganz unbekannt sind. Diese Situation ist für die Menschen, die dort wohnen, unerträglich. Unerträglich ist vor allen Dingen das Schicksal der über 150.000 Flüchtlinge, die noch in Lagern in Teilen Algeriens, also noch nicht einmal in der Westsahara, leben, die praktisch am Tropf der internationalen Gemein-schaft hängen und überhaupt keine Perspektive haben. Dieser Konfliktherd ist für die Menschen, die Region dort und auch für die Welt insgesamt völlig unerträglich. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dieses Schicksal zu ändern. Ich gehöre zu denjenigen, die sich sehr früh in ihrem politischen Leben mit der POLISARIO - seinerzeit hat sie noch einen bewaffneten Kampf gegen Marokko geführt - solidarisiert haben. Der Kampf ist damals eingestellt worden, weil die UNO die Resolution 690 beschlossen hatte, mit der der Westsahara garantiert worden ist, im Februar 1992 ein Referendum durchzuführen, in dem über das Schicksal des Landes entschieden werden sollte. Die Sahraouis warten jetzt zwölf Jahre auf die Umsetzung dieses Beschlusses des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen. Es gab in der Folgezeit eine ganze Reihe weiterer Entschließungen und Beschlüsse. Sie sind also immer wieder vertröstet worden. Ich kann nur sagen: Ich bewundere ihre Langmut. Es darf aber nicht sein, dass UNO-Resolutionen, wenn sie nicht eingehalten werden, in einem Teil der Welt zu Sanktionen führen und man gar den Bruch von UNO-Resolutionen als Grund nimmt, um einen Krieg zu führen, und dass man im Hinblick auf die Westsahara über Jahrzehnte in Kauf nimmt, dass wichtige UNO-Resolutionen einfach nicht beachtet werden.

(Beifall des Abg. Markus Löning [FDP])

Das macht UNO-Resolutionen weltweit unglaubwürdig. Wir müssen alles dafür tun, dass dieser Zustand beendet wird. Deshalb ist die neue UNO-Resolution, die wir jetzt unterstützen, die hoffentlich auch von Marokko akzeptiert wird und die den Baker-Plan beinhaltet, der richtige Weg, um aus diesem unerträglichen Zustand herauszukommen, damit die Vereinten Nationen zu stärken, die Region zu beruhigen und dort Sicherheit sowie Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Wir alle wissen, dass es in dieser Region Bodenschätze gibt, dass es möglicherweise vor der Küste oder auch im Land selber Erdölvorkommen gibt. Das heißt, das Land hätte eine sehr gute Chance, sich auch ökonomisch gut zu entwickeln. Wir müssen vor allen Dingen für die dort betroffenen und seit über 20 Jahren leidenden Menschen etwas tun. Deshalb halte ich den Antrag, den wir Gott sei Dank gemeinsam auf den Weg bringen, für einen richtigen Ansatz, indem wir die Bundesregierung zusätzlich motivieren, ihr Mandat im UNO-Sicherheitsrat zu nutzen, um den Baker-Plan mit allen Mitteln zu fördern. Das heißt natürlich auch, unsere nächsten Nachbarn, beispielsweise Frankreich und andere EU-Partner, anzuhalten, diesen Plan ebenfalls zu unterstützen. Ansonsten klappt eine positive Entwicklung wieder nicht. Ich hoffe im Interesse der Bevölkerung dort, dass wir dieses Mal mehr Erfolg haben und dem sahraouischen Volk nicht wieder nur Versprechungen geben, von denen wir in zehn oder zwölf Jahren wieder sagen, dass sie nicht eingehalten worden sind. Es kann nicht sein, dass man einen bewaffneten Kampf führen muss, um unseren UNO-Resolutionen zur Wirksamkeit zu verhelfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)