Wahlkampf 2013

Kleine Anfrage: Einsatz der Bundesmarine gegen Piraten

29.03.2010: Anfang November 2008 beschloss die Europäische Union im Rahmen der Mission EU NAVFOR Somalia (Operation Atalanta) Kriegsschiffe zur Bekämpfung der Piraterie vor die Küste Somalias zu entsenden. Vorrangige Aufgabe ist der Schutz von Frachtschiffen des Welternährungsprogramms. Der Erfolg der Mission ist umstritten: Dient die Operation dem Schutz der Hilfslieferugen oder dem Schutz des Welthandels? Kann Piraterie auf Hoher See überhaupt mit militärischen Mitteln wirksam bekämpft werden?

Vorbemerkung der Bundesregierung Die Bundesmarine ist im Zuge der Wiedervereinigung zusammen mit den ver- bliebenen Kräften der Volksmarine in die Deutsche Marine überführt worden. Nachfolgend wird daher der gültige Begriff Deutsche Marine verwendet.

1. Wie entwickelte sich der Umfang des Schiffsverkehrs in den nationalen und internationalen Gewässern am Golf von Aden und im Indischen Ozean in den letzten fünf Jahren (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

Der Bundesregierung liegen die gewünschten Zahlen über den Umfang des Schiffsverkehrs im Golf von Aden und im Indischen Ozean nicht vor.

2. Wie viele Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sowie von internationalen Hilfsorganisationen (falls nötig bitte auf- schlüsseln) wurden seit Beginn der Mission Atalanta durch die deutsche Marine bzw. durch andere Kräfte von Atalanta begleitet bzw. direkt be- schützt (bitte aufschlüsseln nach Schiffsbetreibern und Jahren)?

Bislang wurden mit Stand 22. März 2010 durch Einheiten von EU NAVFOR ATALANTA insgesamt 66 Schiffe für das World Food Program (WFP) (2008: 4, 2009: 51, 2010: 11) mit einer Gesamtladung von rund 325 000 Tonnen Nah- rungsmitteln geschützt. Ebenfalls wurden 34 Schiffe für die African Union (AU) Mission in Somalia (AMISOM) (2009: 23, 2010: 11) vor Piratenangriffen ge- schützt. Deutsche Schiffe haben 11 WFP- (2009: 7, 2010: 4) und acht AMISOM- Schiffe (2009: 7, 2010: 1) begleitet. Angaben zu den Schiffsbetreibern liegen nicht vor.

3. a) Wie viele Schiffe des WFP fuhren in den letzten fünf Jahren nach Soma- lia, um die dortige Bevölkerung zu versorgen? Der Bundesregierung liegen diese Angaben nicht vor. b) Wie viele Menschen wurden durch die Fracht derweil jährlich versorgt?

Durch das WFP wird ein seit 2005 zunehmender Anteil der somalischen Bevöl- kerung mit Nahrung versorgt. Im Einzelnen wurden im Jahr 2005 1,7 Millionen, 2006 1,5 Millionen, 2007 1,5 Millionen, 2008 2,1 Millionen und 2009 3,2 Mil- lionen Menschen in Somalia mit Lebensmitteln versorgt.

4. Wie viele Schiffe des WFP mit Hilfe für Somalia wurden vor dem Einsatz der Bundesmarine von Piraten wann bedroht, angegriffen und aufgebracht und mit welchem Ergebnis?

Im Jahr 2007 wurden nach Angaben des WFP drei Piraterie-Akte gegen Schiffe mit Nahrungsmittelhilfe-Ladung des WFP registriert. Das Ergebnis der Angriffe ist nicht bekannt. Im Jahr 2008 wurden vor Beginn des Einsatzes der Deutschen Marine zwei Fälle bekannt, bei denen Schiffe, die sich zwecks Ladung von WFP- Fracht für Somalia auf dem Rückweg nach Mombasa (Kenia) und Daressalaam (Tanzania) befanden, angegriffen worden sind.

5. Wie viele Schiffe des WFP mit Hilfe für Somalia wurden nach Beginn des Einsatzes der Bundesmarine angegriffen und aufgebracht?

Seit Beteiligung der Bundeswehr an der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurde kein Schiff des WFP mit Fracht für Somalia von Piraten aufgebracht. Zur Anzahl der Angriffe wird auf die Antwort zu Frage 10b verwiesen.

6. Wie viel finanzielle Hilfe hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren (bitte nach Jahren aufschlüsseln) für das WFP in Somalia geleistet, bzw. wie hoch ist der Anteil der EU an der Finanzierung des WFP?

Die Bundesregierung hat das Welternährungsprogramm in Somalia in den letzten fünf Jahren mit insgesamt 7,5 Mio. Euro unterstützt (2005: 0,5 Mio. Euro, 2006: 1,25 Mio. Euro, 2007: 1,75 Mio. Euro, 2008: 1 Mio. Euro, 2009: 3 Mio. Euro). Die Europäische Union hat insgesamt 15,4 Mio. US-Dollar (2008: 9,1 Mio. US- Dollar, 2009: 6,3 Mio. US-Dollar) Unterstützungszahlungen geleistet.

7. Wie viele deutsche und europäische Fischfangschiffe fischten in den letzten fünf Jahren jeweils am Golf von Aden, im Indischen Ozean bzw. in der "Exclusive Economic Zone" (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Schiffsher- kunft und Zielregion)?

Deutsche Fischereifahrzeuge sind in der betroffenen Region (Golf von Aden und Somalibecken) gegenwärtig, wie auch in den letzten fünf Jahren, nicht aktiv. Deutsche Fischereiforschung fand in den fraglichen Gebieten zuletzt in den 1970er-Jahren statt. Portugal, das Vereinigte Königreich, Estland, Griechenland und Dänemark ha- ben zwischen 2006 und 2009 keinen Aufenthalt eines ihrer Fischereifahrzeuge in somalischen Gewässern gemeldet. Im Indischen Ozean waren während des ange- gebenen Zeitraums ein italienisches Ringwaden-Fischereifahrzeug sowie, in den einzelnen Jahren in unterschiedlicher Zahl, auch französische und spanischeFahrzeuge aktiv. Nach Auskunft der Europäischen Kommission hielten sich diese Fahrzeuge, von wenigen Ausnahmen abgesehen, außerhalb somalischer Gewässer auf. Weitere Angaben liegen nicht vor.

8. a) Wie viele Fischfangschiffe unterstützte die Bundesmarine - ggf. auch im Rahmen von Atalanta - in den letzten fünf Jahren dort mit Begleit- schutz (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Herkunft der Schiffe)? b) In wie vielen Fällen erfolgte dies auf Wunsch der Schiffsverantwort- lichen? Einheiten der Deutschen Marine haben in den letzten fünf Jahren am Horn von Afrika und im Indischen Ozean keine Fischfangschiffe durch Begleitschutz un- terstützt. 9. Wie viele weitere Schiffe unterstützte die Bundesmarine - ggf. auch im Rahmen von Atalanta - in den letzten fünf Jahren dort mit Begleitschutz (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Herkunft der Schiffe)? In wie vielen Fällen erfolgte dies auf Wunsch der Schiffsverantwortlichen?

Einheiten der Deutschen Marine haben außerhalb der Operation EU NAVFOR ATALANTA in den letzten fünf Jahren am Horn von Afrika und im Indischen Ozean keine anderen Schiffe durch Begleitschutz unterstützt. In zwei Fällen ha- ben Kreuzfahrtschiffe (2008 ein deutsches und ein luxemburgisches Schiff) das Seeraumüberwachungsgebiet der in der Operation ENDURING FREEDOM (OEF) eingesetzten Fregatte EMDEN passiert. Dabei gab es Sprechfunkkontakte zwischen den beteiligten Schiffen, eine formale Anforderung auf Begleitung lag nicht vor. Im Rahmen der Antipiraterieoperation EU NAVFOR ATALANTA wurde im Golf von Aden ein empfohlener Korridor (IRTC: International Recommended Transit Corridor) für die Handelsschifffahrt eingerichtet. In diesem Korridor fin- den überwachte Gruppentransits statt. Dabei passieren die Schiffe ein Seegebiet, welches lageabhängig durch Seestreitkräfte überwacht wird. Deutsche Einheiten beteiligen sich regelmäßig am Schutz im Rahmen dieser überwachten Gruppen- transits. Insgesamt nutzen jährlich rund 30 000 Schiffe dieses Schutzsystem. De- taillierte Angaben zu Anzahl, Typ und Herkunft der Schiffe, die diese Gruppen- transits nutzen, liegen der Bundesregierung nicht vor.

10. a) Wie viele Piraterie-Vorfälle im Jahr 2009 am Golf von Aden bzw. im Indischen Ozean (bitte einzeln aufschlüsseln) sind der Bundesregie- rung bekannt?

Im Jahr 2009 wurden gemäß der Bundesregierung vorliegender Informationen weltweit 455 Piraterievorfälle gezählt. Davon entfielen 135 auf den Golf von Aden. 96 Piraterievorfälle im Somali-Bassin bzw. im Indischen Ozean werden ebenfalls der somalischen Piraterie zugerechnet. b) Wie häufig waren davon jeweils Schiffe mit Hilfslieferungen im Auf- trag internationaler Hilfsorganisationen sowie deutsche bzw. europäi- sche Schiffe betroffen (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Schiffe: Hilfs- schiffe, Handelsschiffe, Fischfangflotte und Urlaubsschiffe)?

Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden 2009 zwei vom WFP gecharterte Handelsschiffe von Piraten angegriffen, fielen jedoch nicht in die Hand der Pira- ten. Inwieweit bei den insgesamt 231 Piraterievorfällen am Horn von AfrikaHandelsschiffe betroffen waren, die Hilfsgüter bzw. als Teil der Ladung Hilfsgü- ter transportierten, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Im Jahre 2009 wurde das unter deutscher Flagge fahrende Containerschiff "Hansa Stavanger" entführt. Ein Angriff auf das unter deutscher Flagge fahrende Containerschiff "Maersk Sarnia" blieb erfolglos. Bei zwölf Piraterievorfällen waren entweder deutsche Eigner oder Charterer betroffen. Hiervon fielen drei Handelsschiffe ("Longchamp", "Patriot", "Victoria") in Piratenhand. Im Jahre 2009 waren insgesamt 66 Schiffe unter der Flagge eines EU-Mitglied- staates (inkl. Deutschland und europäische Überseegebiete, wie z. B. die Nieder- ländischen Antillen oder Mayotte/Frankreich) von Piratenangriffen betroffen, die sich wie folgt auf die Schiffstypen verteilen:

11. a) Inwiefern evaluiert die Bundesregierung die Atalanta-Mission hin- sichtlich der Eindämmung bzw. Verringerung des Piraterie-Risikos?

Deutsche Streitkräfte beteiligen sich am Kampf gegen Piraterie im Rahmen und nach den Regeln der Operation EU NAVFOR ATALANTA. In diesem Rahmen erfolgt eine halbjährliche Evaluation der Operation EU NAVFOR ATALANTA durch den zuständigen Operationskommandeur. Die Bundesregierung überprüft diese Evaluationen im Rahmen der Mitarbeit in den zuständigen EU-Gremien und zieht zusammen mit den Partnern die entsprechenden Konsequenzen.

b) Inwiefern berücksichtigt sie dabei Erkenntnisse des "International Maritime Bureau" sowie des maritimen Sicherheitszentrums des Ope- rativen Hauptquartiers Northwood?

Die Erkenntnisse aller relevanten regionalen und internationalen Einrichtungen werden bei der halbjährlichen Evaluierung berücksichtigt. Dazu gehören regel- mäßig auch die genannten Einrichtungen.

c) Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Beitrag der Atalanta- Mission zur Eindämmung bzw. Verringerung des Piraterie-Risikos, auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Verlagerungseffekte?

Die Bundesregierung bewertet den Beitrag der Operation EU NAVFOR ATA- LANTA zur Eindämmung der Piraterie als erfolgreich. Trotz erkennbarer Ten- denzen von Piratengruppen, mit ihren Mutterschiffen immer weiter entfernt von der somalischen Küste zu operieren, sind derzeit regelrechte Verlagerungseffekte in andere Seegebiete noch nicht festzustellen. In 2009 wurde das Operationsge- biet der Operation EU NAVFOR ATALANTA auf das Seegebiet um die Seychel- len ausgeweitet, um Ausweichbewegungen zu begegnen. Die Operation EU NAVFOR ATALANTA hat wesentlichen Anteil an der Verringerung der Erfolgs- quote von Piratenangriffen im Operationsgebiet. Etwaigen Ausweichtendenzen begegnet EU NAVFOR ATALANTA durch Kooperation mit anderen Akteuren sowie weiträumiger Aufklärung und Abschreckung im gesamten Operationsge- biet auch bereits während der Verlegung der Piraten.

12. a) Wie viele mutmaßliche Piraten hat die Bundesmarine im Rahmen der Mission Atalanta bisher in Gewahrsam genommen?

Welche Nationalitäten hatten sie jeweils (bitte aufschlüsseln)?

b) Wie viele davon wurden an je welche Drittstaaten übergeben?

Deutsche Kräfte des maritimen Einsatzverbandes EU NAVFOR ATLANTA ha- ben bisher 27 mutmaßliche Piraten in Gewahrsam genommen, von denen 23 den kenianischen Behörden übergeben und vier wieder freigesetzt wurden. Soweit der Bundesregierung bekannt, besaßen alle Personen die somalische Staatsan- gehörigkeit. An weitere Drittstaaten wurden bisher keine durch deutsche Kriegsschiffe in Gewahrsam genommene Personen übergeben.

13. a) Was ist mit den 23 mutmaßlichen Piraten passiert, welche die Bundes- marine bis 1. Dezember 2009 an Kenia übergab (vgl. Antwort der Bun- desregierung vom 3. Dezember 2009 auf die Schriftliche Frage 65 des Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz, Bundestagsdrucksache 17/160)? b) Wie viele davon wurden inzwischen je aa) einem Strafverfahren unterzogen, bb) zu welchen Strafen verurteilt, cc) einer Strafvollstreckung unterzogen, z. B. Haft, dd) freigelassen? c) Was ist der Bundesregierung über das weitere Schicksal der Freigelas- senen bekannt?

Alle 23 an die kenianischen Behörden übergebenen Personen befinden sich in Untersuchungshaft in der Haftanstalt Shimo la Tewa in Mombasa/Kenia. Gegen neun Personen wird wegen des Verdachts des Angriffs auf das Schiff "Courier", gegen sieben Personen wegen des Verdachts des Angriffs auf den deutschen Ma- rineversorger "Spessart" und gegen sieben Personen wegen des Verdachts des Angriffs auf das Schiff "Cap St. Vincent" ein Strafverfahren durchgeführt. Kei- nes der Verfahren ist bisher abgeschlossen. Zu den vier freigelassenen Personen liegen der Bundesregierung keine weiteren Erkenntnisse vor.

14. a) Was hat die Bundesregierung unternommen, um zu gewährleisten, dass diese Personen in Kenia nach rechtsstaatlichen Verfahren und unter menschenrechtlich einwandfreien Bedingungen behandelt werden?

Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens und einer menschenrechtlich ein- wandfreien Behandlung der übergebenen Personen sind kenianisches Recht und die entsprechende Verpflichtung Kenias im Briefwechsel zwischen der EU und Kenia vom 6. März 2009. Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Nairobi haben die Mehrzahl der münd- lichen Termine in den drei Verfahren gegen von Deutschland übergebene Pirate- rieverdächtige beobachtet (im Einzelnen wird auf die Antwort zu Frage 14g ver- wiesen). Darüber hinaus haben Vertreter der Botschaft Nairobi seit der Übergabe der ers- ten Gruppe am 10. März 2009 sechs Besuche in der Haftanstalt Shimo la Tewa in Mombasa/Kenia durchgeführt. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung haben der Ablauf der Verfahren und die Situation der Gefangenen in der Haftanstalt Shimo la Tewa bisher keinen Anlass zur Annahme gegeben, dass Kenia seinen Verpflichtungen aus dem Brief- wechsel nicht nachkommt.

b) Wie hat die Bundesregierung insbesondere gemäß ihrer Verpflichtung in Artikel 12 Absatz 2 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP ge- währleistet, "dass für niemandem das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeglicher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigen- den Strafe oder Behandlung besteht"?

Kenia hat die in der Frage zitierten Verpflichtungen im Briefwechsel mit der EU vom 6. März 2009 übernommen. Durch die Beobachtung der Strafverfahren und die Besuche in der Haftanstalt durch Vertreter der Botschaft Nairobi hat sich die Bundesregierung überzeugt, dass keine solche Behandlung stattgefunden hat oder droht.

c) Wie hat Kenia seine einzelnen Verpflichtungen aus seinem Briefwech- sel mit der Europäischen Union vom 6. März 2009 (ABl. L 79/49 vom 25.3.2009) seither jeweils eingehalten, und welche ggf. nicht?

Kenia ist bisher allen Verpflichtungen aus dem Briefwechsel vom 6. März 2009 durch eine entsprechende Gestaltung der Verfahren und der Haftbedingungen nachgekommen.

d) In wie vielen Fällen kam Kenia etwa seiner Verpflichtung aus Nummer 3 Buchstabe f Nummer 4 des Anhangs jenes Briefwechsels nach, überstellten Personen kostenfreie Verteidiger zu stellen?

Der Briefwechsel vom 6. März 2009 sieht eine Verpflichtung, unentgeltlich einen Verteidiger zu stellen, nur für den Fall vor, dass der Angeklagte selbst nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um einen Verteidiger engagieren zu können und dass die Stellung eines unentgeltlichen Verteidigers im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Die 23 übergebenen Piraterieverdächtigen werden von Verteidigern vertreten, die sie selbst beauftragt haben. Teilweise erfolgt die Bezahlung dieser Verteidiger aus von der EU zu diesem Zweck bereitgestellten Projektmitteln.

e) Wie viele überstellte Personen hat Kenia bisher an welche anderen Staaten ausgewiesen bzw. übergeben, und bezüglich wie vieler Perso- nen holte es die dafür gemäß Nummer 3 des Anhangs zum o. a. Brief- wechsel nötige schriftliche Genehmigung von EUNAVOR/Atalanta vorher ein?

Keine der 23 von der Deutschen Marine an Kenia übergebenen Personen wurde an andere Staaten übergeben oder ausgewiesen.

f) Wie hat die Bundesregierung das unter Frage 14c Erfragte bisher über- prüft, und wie wird sie es künftig überprüfen?

Die Bundesregierung beobachtet die Strafverfahren, hält regelmäßige Kontakte mit den Justizbehörden in Mombasa und führt Besuche in der Haftanstalt Shimo la Tewa durch, bei denen sie auch unmittelbare Gesprächen mit den Betroffenen führt. Dies wird sie auch in Zukunft tun. Sie ist auch aktiv in das "Monitoring" der Inhaftierung durch die EU eingebunden.

g) Wie viele Strafverfahren gegen Überstellte hat die deutsche Botschaft in Nairobi bisher an wie vielen Prozesstagen besucht, und wie hat sie am diesbezüglichen "Monitoring" teilgenommen (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 vom 17. April 2009 auf die Kleine Anfrageder Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 16/12648)?

In den drei Strafverfahren betreffend die von Deutschland übergebenen Piraterie- verdächtigen hat die Botschaft Nairobi bisher an allen Verhandlungsterminen, insbesondere an Zeugenvernehmungen und Plädoyers teilgenommen. Ferner wurde die Mehrzahl der im kenianischen Rechtssystem vorgesehenen Termine zur Haftprüfung und zur Entscheidung prozeduraler Fragen ebenfalls beobach- tet. Gleichzeitig tauscht sich die Botschaft regelmäßig im EU-Kreis zu den von anderen Partnerstaaten betreuten Verfahren in Mombasa aus.

h) Wie hat die Bundesregierung gemäß ihrer Ankündigung (a. a. O.) seit- her den Deutschen Bundestag über ihre Erkenntnisse und Kontrollen unterrichtet?

Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag bei mehreren Gelegenheiten über ihre Erkenntnisse über die Strafverfahren und die Haftsituation der an Kenia übergebenen Personen unterrichtet. Sie steht auch weiterhin für die Beantwor- tung von Fragen zu den Strafverfahren in Kenia zur Verfügung.

15. Wie lauten entsprechend vorstehenden Fragen 14a bis 14h die Auskünfte bezüglich Überstellungen von Piraterie-Verdächtigen an die Seychellen und dazu getroffenen Vereinbarungen?

An die Seychellen wurden bisher keine von deutschen Kriegsschiffen in Ge- wahrsam genommenen mutmaßlichen Piraten übergeben.

16. Strebt die Bundesregierung mit weiteren Staaten in der Region Überstel- lungsabkommen an? Wenn ja, warum, mit welchen Staaten, und bis wann? Die Bundesregierung strebt wie auch bisher nicht den Abschluss eigener bilate- raler Transferabkommen an. Die Europäische Union, die bereits entsprechende Briefwechsel mit Kenia und den Seychellen unterzeichnet hat, beabsichtigt, die Hohe Vertreterin zu beauftragen, Verhandlungen mit Mauritius, Mosambik, Süd- afrika, Tansania und Uganda aufzunehmen. Durch den Abschluss weiterer Transferabkommen mit Staaten der Region soll eine möglichst große internatio- nale Beteiligung am Kampf gegen die Piraterie erreicht werden. Der Zeitpunkt des Abschlusses weiterer Transferabkommen ist derzeit nicht absehbar.

17. a) Was beinhalten im Einzelnen der Operationsplan zur Mission Atalanta und die Durchführungsregeln dazu gemäß Artikel 5 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP?

Artikel 5 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP befasst sich mit den Voraus- setzungen der Planung und Einleitung der Operation; hierzu gibt es keine weite- ren Regelungen im Operationsplan.

b) Mit welchen Inhalten sind letztere seither ggf. durch das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Rates (PSK) angepasst worden (vgl. 2008/851/GASP, Artikel 6)?

Solche Regelungen wurden weder nachträglich ergänzt noch modifiziert.18. a) War die Bundesmarine auch - ggf. inwiefern - beteiligt an präventivem Vorgehen gegen Piraten, etwa gegen deren Stützpunkte an Land oder deren als logistische Basis genutzten Mutterschiffe, oder plant sie derlei (vgl. entsprechende Forderungen etwa vom Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, dpa vom 17. Dezember 2009)?

Deutsche Kräfte bei EU NAVFOR ATALANTA werden zur Bekämpfung der Piraterie nicht an Land eingesetzt. Im Rahmen der Operationsführung werden regelmäßig verdächtige Fahrzeuge auch ohne Bezug zu einem bereits erfolgten Angriff im Rahmen von Boardings untersucht. Falls sich bei der Untersuchung eines Fahrzeuges ein Pirateriever- dacht bestätigt, wird die Piraterieausrüstung auf Weisung des zuständigen Befehlshabers der Operation EU NAVFOR ATALANTA beschlagnahmt, unbrauchbar gemacht oder zerstört, um künftige Piratenangriffe zu verhindern. Daran waren deutsche Schiffe im Rahmen der Operation EU NAVFOR ATALANTA bislang neun Mal beteiligt. Zur Vorgehensweise gegen so genannte Mutterschiffe wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen.

b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass solches präventive Vor- gehen durch die Aufgabe zur ortsunabhängigen Ingewahrsamnahme von Personen (vgl. 2008/851/GASP, Artikel 2 Buchstabe e: "in Gebie- ten, in denen sie präsent sind") oder durch die Aufgabe zur "Durchfüh- rung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberi- schen Handlungen im Einsatzgebiet" (vgl. 2008/851/GASP, Artikel 2 Buchstabe d) umfasst wäre?

Einsätze gegen so genannte Mutterschiffe sind - wie auch andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie im Rahmen von EU NAVFOR ATALANTA - durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 und die Resolutionen 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 sowie 1897 (2009) vom 30. November 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 und dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009 auf der Grundlage und im Rahmen des geltenden Bundestagsmandates abgedeckt. Weder die Gemeinsame Aktion bzw. der Beschluss der EU noch das nationale Mandat der deutschen Kräfte bei EU NAVFOR ATALANTA umfassen Landein- sätze in Somalia zur Bekämpfung der Piraterie.

19. In welchen Formen kooperiert die Bundesmarine jenseits der Koordination bei Atalanta mit der NATO und der Operation Enduring Freedom gegen Piraterie oder plant dies?

Das aktuelle Mandat des Deutschen Bundestages beschränkt die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Kampf gegen Piraterie auf die Operation EU NAVFOR ATALANTA. Für Schiffe der Deutschen Marine ist das Vorgehen gegen Piraterie außerhalb dieser Operation auf Notwehr bzw. Nothilfe beschränkt. Eine über die im aktuellen Mandat des Deutschen Bundestages festgelegte Kooperation hi- nausgehende Zusammenarbeit ist derzeit nicht geplant.

20. a) Was sind aus Sicht der Bundesregierung die Ursachen der Piraterie am Horn von Afrika?b) Was unternahmen Deutschland und die EU jeweils in den letzten zehn Jahren nichtmilitärisch gegen Ursachen und Auswirkungen von Pirate- rie am Horn von Afrika?

Zu den Fragen 20a und 20b: Die Bundesregierung hat unter anderem in ihren Antworten auf die Kleinen An- fragen der Fraktion DIE LINKE. vom 17. Dezember 2008 (Bundestagsdruck- sache 16/11453) und der Fraktion der FDP vom 23. Februar 2009 (Bundestags- drucksache 16/11940) die Hintergründe der Piraterie an der somalischen Küste dargestellt. Die Hauptursache der Piraterie liegt auch nach Auffassung der soma- lischen Übergangsregierung in der die organisierte Kriminalität begünstigenden allgemeinen Rechtlosigkeit. In diesem Umfeld und aufgrund der allgemein un- günstigen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen (u. a. hohe Infla- tion, Arbeits- und Perspektivlosigkeit vor allem der jungen Bevölkerung) hat sich die Piraterie verselbständigt und zu einem eigenen "Wirtschaftszweig" ent- wickelt. Deutschland und die EU-Partner bemühen sich, einen Beitrag zur Stabilisierung Somalias und zur Wiedererrichtung staatlicher Ordnung zu leisten. Im Interesse der afrikanischen Eigenverantwortung werden dabei insbesondere afrikanische Initiativen unterstützt. So hat sich die EU auf Anfrage der Afrikanischen Union (AU) mit 15 Mio. Euro am Aufbau des Hauptquartiers der Friedenstruppe der AU für Somalia, AMISOM, in Mogadischu beteiligt. Die EU hat 2008 weitere 20 Mio. Euro zur Fortführung der AMISOM-Mission bewilligt; bei der Geber- konferenz am 23. April 2009 hat die EU-Kommission weitere 60 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Zudem will die Europäische Kommission 4 Mio. Euro für den Fähigkeitenaufbau bereitstellen. Der deutsche Anteil an diesen Zahlungen beträgt insgesamt gut 20 Mio. Euro. Ergänzend finanziert Deutschland die Ausbildung von 270 Polizisten aus ver- schiedenen afrikanischen Ländern am Kofi Annan Peace Training Centre in Ghana sowie am International Peace Support Training Centre in Kenia, welche die zivile Komponente von AMISOM stärken sollen (bislang 600 000 Euro). Außerdem unterstützt Deutschland die AMISOM-Polizei bei Planung, Logistik, Ausrüstung und Ausbildung über die Vereinten Nationen (2,5 Mio. Euro). Ein wichtiger Beitrag ist auch die aus öffentlichen Mitteln finanzierte, rechtswis- senschaftliche Begleitung des somalischen Verfassungsprozesses durch das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (bislang 550 000 Euro). Hinzu kommt ein finanzieller Beitrag zur Ausbildung somalischer Polizisten in Äthiopien (bislang 800 000 Euro). Als Mitglied der internationalen Somalia-Kontaktgruppe und der Internationalen Kontaktgruppe zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia leistet Deutschland auch einen politischen Beitrag zur Bekämpfung von Ursachen und Auswirkun- gen von Piraterie am Horn von Afrika.

Zu Frage 20b: Der zivile Schutz der Schiffe einer Handelsflotte - auch gegen Piraterie - liegt nach internationalem Recht ausschließlich bei dem jeweiligen Flaggenstaat. Seitdem das Bundesministerium des Innern 2007 für den Golf von Aden für Schiffe unter deutscher Flagge die Gefahrenstufe 2 nach den Regeln 3.1 und 7.1 Kapitel XI-2 des Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen; International Convention for the Safety of Life at Sea) festgelegt hat, sind zahlreiche Rundschreiben mit Warnungen und Informa- tionen zum Selbstschutz bei Fahrten durch den Golf von Aden und entlang der Küste Somalias an die deutsche Seeschifffahrt ergangen. Zuletzt wurden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 3. November 2009 individuell alle für die Sicherheit auf Schiffen unter deutscher Flagge Verantwortlichen angeschrieben und folgende Zirkulare zum Selbstschutz der Interna- tionalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) bekannt gemacht: ● MSC.1/Circ 1335 vom 29. September 2009 (Best Management Practices to deter piracy in the Gulf of Aden and off the Coast of Somalia), ● SN.1/Circ 281 vom 3. August 2009 (Information on the internationally recommended Transit Corridor (IRTC) for ships transiting the Gulf of Aden), ● MSC.1/Circ 1302 vom 16. April 2009 (Piracy and armed robbery against ships in waters off the coast of Somalia). Aktuelle Informationen zur Sicherheitslage vor der Küste Somalias werden so- wohl auf der Homepage des BSH als auch in den Nachrichten für Seefahrer (NfS) regelmäßig bekannt gemacht. So wurden zuletzt in Heft NfS 01 von 2010 noch einmal eindringlich auf die Gefährdungslage vor Somalia und die Selbstschutz- maßnahmen gegen Piraterie hingewiesen. Weitere Hinweise für deutschflaggige Seeschiffe in der internationalen Fahrt sind in dem Handbuch für Brücke und Kartenhaus (BSH-Nr. 20001), eine nauti- sche Publikation, die an Bord vorgehalten werden muss, enthalten. In Kapitel 5.9 "Verhalten bei Piraterie oder bewaffneten Überfällen" (S. 107 bis 108) wird u. a. auch auf die neuen IMO-Zirkulare 1334 und 1335 sowie auf die erforderliche Anmeldung vor dem Transit durch den Golf von Aden und entlang der somali- schen Küste bei den militärischen Stellen hingewiesen. 21. a) Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der Zu- nahme von Piraterie-Vorfällen vor der somalischen Küste und der sich kontinuierlich verschlechternden Bürgerkriegssituation in Somalia? Zum Zusammenhang zwischen den Piraterie-Vorfällen vor der somalischen Küste und der Bürgerkriegssituation in Somalia wird auf die Antwort zu Frage 20a verwiesen.

b) Welche politischen Initiativen für einen regionalen Ansatz zur Ursa- chenbekämpfung hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ange- stoßen?

Die Bundesregierung leistet erhebliche Unterstützung für regionale Lösungsan- sätze (siehe Frage 20b). Dabei wird der Grundsatz der afrikanischen Eigenver- antwortung angemessen berücksichtigt.

22. Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung der Abgeordneten Dorothee Bär, dass die dortige Piraterie militärisch nicht dauerhaft und effektiv bekämpft werden kann (vgl. ebenso: dpa-Meldung vom 17. De- zember 2009)?

Durch den Einsatz entsprechender Mittel ist lediglich eine wirksame Begrenzung der Piraterie vor der Küste Somalias möglich. Dadurch können die Ursachen der Piraterie jedoch nicht beseitigt werden. Diese liegen in nicht funktionsfähigen staatlichen Strukturen an Land. Die Bundesregierung unterstützt daher durch zahlreiche Maßnahmen und Projekte den Wiederaufbau und die Stärkung staatli- cher Strukturen in Somalia und in der Region.23. Welche Schiffe oder Flugzeuge der Bundeswehr wurden seit Beginn der Operation Atalanta von wann bis wann ausschließlich oder zeitweise eingesetzt

a) im Auftrag der Operation Atalanta, Im Einsatzgebiet der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurden seit Beginn der Operation für die Operation EU NAVFOR ATALANTA neun Schiffe und zwei Seefernaufklärer P-3C ORION in zwölf Einsatzzeiträumen eingesetzt. Im Einzelnen- Fregatte KARLSRUHE, 19. Dezember 2008 bis 10. Februar 2009, - Fregatte RHEINLAND-PFALZ, 4. Februar bis 9. August 2009, - Fregatte EMDEN, 23. März bis 2. Juli 2009, - Betriebsstofftanker SPESSART, 23. März bis 8. Mai 2009, - Fregatte MECKLENBURG-VORPOMMERN, 5. April bis 8. Mai 2009, - Seefernaufklärer P-3C ORION, 15. April bis 13. Oktober 2009 (ab 28. August auch bei OEF), - Einsatzgruppenversorger BERLIN, 16. April bis 3. Juli 2009, - Fregatte BRANDENBURG, 30. Juni bis 18. September 2009, - Fregatte BREMEN, 9. August 2009 bis 28. Januar 2010, - Fregatte KARLSRUHE, 9. September bis 18. November 2009, - Fregatte EMDEN, seit 23. Januar 2010, - Seefernaufklärer P-3C ORION, seit 10. März 2010 (auch bei OEF).

b) im Auftrag der Operation Enduring Freedom, Für OEF wurden seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA im dorti- gen Seegebiet zwei Schiffe und zwei Seefernaufklärer P-3C ORION eingesetzt. Die Seefernaufklärer wurden dabei im Rahmen von festen Flugstundenkontin- genten auch der Operation EU NAVFOR ATALANTA unterstellt. Im Einzelnen- Fregatte MECKLENBURG-VORPOMMERN, 14. November 2008 bis 4. April 2009, - Seefernaufklärer P-3C ORION, 28. August bis 13. Oktober 2009 (auch bei ATALANTA), - Fregatte AUGSBURG, 9. September 2009 bis 4. März 2010, - Seefernaufklärer P-3C ORION, seit 10. März 2010 (auch bei ATALANTA). c) im Rahmen der NATO, Einheiten der Deutschen Marine wurden am Horn von Afrika nicht im Rahmen einer NATO-Operation oder eines ständigen NATO-Einsatzverbandes (Standing NATO Maritime Group, SNMG) eingesetzt. d) im nationalen Auftrag? Im Zeitraum seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurde im dortigen Seegebiet vom 10. bis zum 15. April 2009 in nationalem Auftrag der Einsatzgruppenversorger BERLIN eingesetzt.24. Wann, für wie lange, aus welchem Anlass, und zu wessen Gunsten wurde seit Beginn der Operation Atalanta das Unterstellungsverhältnis Die nachfolgenden Unterstellungswechsel wurden im Wesentlichen im Zusam- menhang mit der Entführung des deutschen Handelsschiffes HANSA STAVAN- GER vorgenommen.

a) der für die Operation Atalanta vorgesehenen Kräfte Seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurden keine ursprüng- lich für diese Operation vorgesehenen Kräfte anderen Operationen unterstellt.

b) der für die Operation Enduring Freedom (OEF) vorgesehenen Kräfte Im Zeitraum seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurden die ursprünglich für die Operation ENDURING FREEDOM (OEF) vorgesehenen Kräfte - Fregatte MECKLENBURG-VORPOMMERN vom 5. April bis zum 8. Mai 2009 und Seefernaufklärer P-3C ORION vom 15. April bis zum 27. Au- gust 2009 - der Operation EU NAVFOR ATALANTA unterstellt.

c) der im NATO-Auftrag im Operationsgebiet von Atalanta/OEF operie- renden Bundeswehrkräfte Im Zeitraum seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurden die ursprünglich in einen ständigen Einsatzverband der NATO abgestellten Ein- heiten - Fregatte EMDEN vom 23. März bis zum 2. Juli 2009 und Betriebsstoff- transporter SPESSART vom 23. März bis zum 8. Mai 2009 - der Operation EU NAVFOR ATALANTA unterstellt.

d) der im nationalen Auftrag im Operationsgebiet von Atalanta/OEF ope- rierenden Bundeswehrkräfte geändert? Im Zeitraum seit Beginn der Operation EU NAVFOR ATALANTA wurde vom 16. April bis zum 3. Juli 2009 der ursprünglich mit einem nationalen Auftrag fahrende Einsatzgruppenversorger BERLIN der Operation EU NAVFOR ATALANTA unterstellt.

25. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es aus rechtlicher und politischer Sicht nicht unerheblich ist, welchem Mandat einzelne Abgeord- nete die Zustimmung erteilen, und welchem nicht?

Wenn ja, wie wird die Bundesregierung gegenüber den Abgeordneten künftig Mandatsklarheit und Mandatswahrheit gewährleisten?

Der Deutsche Bundestag entscheidet über Anträge der Bundesregierung auf Zu- stimmung zu von der Bundesregierung beschlossenen Einsätzen bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland in dem Verfahren, das im Parlamentsbetei- ligungsgesetz und in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorgese- hen ist. Kommt die dort festgelegte Mehrheit zustande, so ist damit die Zustim- mung des Deutschen Bundestages in verfassungsrechtlich gebotener Weise er- teilt. Für jeden einzelnen Einsatz enthält der Antrag der Bundesregierung bzw. seine Begründung detaillierte Angaben zu rechtlichen Grundlagen, Auftrag und Aufgaben, einzusetzenden Fähigkeiten, Einsatzgebiet und anderen relevanten Punkten, so dass der Deutsche Bundestag zur Ausübung seiner Rechte in der Lage ist. Außerdem steht die Bundesregierung in den Ausschüssen und auf schriftliche und mündliche Fragen zu weiteren Auskünften bereit und unterrichtet das Parlament, wie im Parlamentsbeteiligungsgesetz und in verschiedenen Mandaten und Protokollerklärungen vorgesehen. Damit sind Mandatsklarheit und Mandatswahrheit sichergestellt. Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, daran für die Zukunft etwas zu ändern.

26. Wann wird die Bundesregierung das Nebeneinander verschiedener Missio- nen im gleichen Operationsgebiet beenden?

Derzeit nehmen deutsche Streitkräfte im Seegebiet an den Operationen EU NAVFOR ATALANTA und OEF teil. Eine deutsche Beteiligung an der NATO- Anti-Piraterie-Operation OCEAN SHIELD ist derzeit nicht vorgesehen. Wäh- rend die Operation EU NAVFOR ATALANTA mit der Pirateriebekämpfung be- auftragt ist, wird OEF im Rahmen des internationalen Kampfes gegen den Terro- rismus durchgeführt. Da die beiden Operationen auf unterschiedlichen rechtli- chen Grundlagen beruhen und unterschiedliche Aufträge haben, ist es weder sinnvoll noch beabsichtigt, die deutsche Teilnahme an beiden Operationen im Rahmen eines einheitlichen (Bundestags-)Mandats zu regeln. Die Bundesregie- rung hat vielmehr ihre Absicht erklärt, die Notwendigkeit der weiteren deutschen Beteiligung an OEF am Horn von Afrika und gegebenenfalls eine Überführung der derzeit im Rahmen von OEF am Horn von Afrika eingesetzten Kräfte in die Pirateriebekämpfung zu überprüfen.

27. Wie stellt sich die Bundesregierung die von den EU-Verteidigungsminis- tern am 24. Februar 2010 beschlossene Ausweitung der EU-Militärmis- sion "Atalanta" auf die Häfen, von denen aus Piraten operierten, vor?

Sollen die Häfen von der See aus kontrolliert werden? Wenn ja, wie?

Während des Informellen Treffens der Verteidigungsminister der EU in Palma de Mallorca am 24./25. Februar 2010 wurde keine Ausweitung der EU-geführten Anti-Piraterie-Operation EU NAVFOR ATALANTA beschlossen.

28. Was versteht die Bundesregierung darunter, dass Mutterschiffe der Piraten "neutralisiert" werden sollen?

Der Begriff "Neutralisieren" beschreibt militärische Handlungen, die das Ziel haben, gegnerischen Kräften die Möglichkeit zu nehmen, die Erfüllung des eige- nen Auftrages zu behindern. Das "Neutralisieren von Mutterschiffen" bezeichnet in diesem Sinne das Vorgehen gegen Piraten-Mutterschiffe. Die Operation EU NAVFOR ATALANTA hat gemäß Artikel 2 d) der Gemein- samen Aktion 2008/851/GASP die Aufgabe, "[die] erforderlichen Maßnahmen [durchzuführen], einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen, die in den Gebieten, in denen sie präsent ist, begangen werden könnten". In diesem Rahmen können die bei EU NAVFOR ATALANTA einge- setzten Streitkräfte auch gegen sogenannte Mutterschiffe der Piraten vorgehen, die von den Piraten als seegestützte Basis für Kaperfahrten benutzt werden. Im Falle des Piraterieverdachts ist die Beschlagnahme von Piraterieausrüstung einschließlich der Boote beabsichtigt. Sollte die Möglichkeit der Beschlagnahme aufgrund der Größe oder Art der Fahrzeuge nicht bestehen und es keine andere Möglichkeit geben, künftige Angriffe gegen den Seeverkehr zu verhindern, kön- nen die Boote mutmaßlicher Piraten im Einzelfall auch unbrauchbar gemachtbzw. zerstört werden. Die Ingewahrsamnahme mutmaßlicher Piraten kann ab- hängig von weiteren Umständen ebenfalls geboten sein.

29. Wie sind Mutterschiffe der Piraten definiert?

Unter Piraten-Mutterschiffen werden Fahrzeuge verstanden, die von Piraten genutzt werden, um über längere Zeiträume und größere Entfernungen sowie wetterunabhängiger operieren zu können. Eine offizielle Definition existiert nicht. Zu unterscheiden sind grundsätzlich zwei Arten von Piraten-Mutterschiffen: Zum einen Fischereifahrzeuge und regionale Seefahrzeuge (Dhows), die ihrer- seits von den Piraten gekapert werden, um sie für piraterische Zwecke zu nutzen. Die originäre Besatzung bleibt in der Regel an Bord und wird von den Piraten gezwungen, das Mutterschiff für sie zu betreiben. Diese Fahrzeuge erlauben den längeren Aufenthalt im Seegebiet auch bei ungünstigen Wetterverhältnissen. Die Piraterieausrüstung einschließlich der Angriffsskiffs wird an Bord verladen. Zum anderen werden, insbesondere in den Zeiten außerhalb des Monsuns, robuste größere Boote mit Innenborderantrieb, vergleichbar Motorrettungs- booten, als Mutterschiffe eingesetzt. In der Regel werden größere Mengen Kraft- stoff und Wasser in Fässern auf diese Boote verbracht, um eine längere Durchhal- tefähigkeit im Seegebiet sicherzustellen. Die kleineren Angriffsskiffs werden ge- schleppt.

30. Wie will die EU sicherstellen, dass die ausgebildeten und ausgestatteten somalischen Sicherheitskräfte sich nicht von der somalischen Übergangs- regierung abwenden und nicht zu den Milizen der al-Shabaab, Hizbul Islam, einzelnen Klans oder Piraten überlaufen?

Europäische Union und Bundesregierung legen im Zusammenhang mit der ge- planten Ausbildungsmission EUTM SOMALIA in Uganda großen Wert auf die Klärung von Fragen, die für die Nachhaltigkeit der Mission eine Rolle spielen. Für die Loyalität der ausgebildeten Sicherheitskräfte zur somalischen Föderalen Übergangsregierung wird es neben ihrer Besoldung auch darauf ankommen, dass sie in funktionierende Befehls- und Kommandostrukturen in Somalia eingebun- den werden. Die Europäische Union arbeitet derzeit gemeinsam mit ihren inter- nationalen Partnern (Vereinte Nationen, Afrikanische Union, USA und Staaten der Region) an tragfähigen Lösungen.