Wahlkampf 2013

Rede von Hans-Christian Ströbele im Bundestag zu Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes

24.04.2015: Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes und dazu inbesondere der Neuregelung zu V-Leuten und möglichen Straftaten gab es heute im Deutschen Bundestag eine Aussprache. Von Hans-Christian Ströbele gab es deutliche Kritik am Gesetz-Entwurf der Bundesregierung.

Die Rede von Hans-Christian Ströbele:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, es stimmt, dass wir uns in der letzten Legislaturperiode in diesem Hause einig waren, dass man die Neonazis, die Nationalsozialisten, und zwar nicht nur die im Untergrund, bekämpfen muss. Wir hatten uns auch vorgenommen, vieles gemeinsam zu machen. Diesen Weg verlassen Sie jetzt, indem Sie hier einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem Sie, sofern Sie überhaupt etwas regeln, nur Regeln, die es bisher in Form von Verwaltungsvorschriften gab oder die in Übung waren, ins Gesetz schreiben.

Damit werden diese Regeln aber nicht besser. Damit verhindern Sie so schreckliche Straftaten wie die, die hier zehn Jahre lang verübt worden sind, nicht. Vielleicht muss ich erst einmal mit dem Begriff aufräumen: Vertrauensleute sind nicht Leute, die Vertrauen verdienen. Sie haben gesagt, man müsse keine Sympathie für diese Leute empfinden. Kollege Lischka hat gesagt, das müssen keine sympathischen Leute sein. Aus den Reihen der SPD wurde dann aber sogar gesagt, man solle den V-Leuten die Sicherheit in diesem Staate anvertrauen.

Darf ich Sie darauf hinweisen, dass es sich bei diesen V-Leuten, um die es hier geht, die diese schrecklichen Verbrechen mit möglich gemacht haben - auch das Versagen bei der Führung dieser V-Leute hat daran natürlich Anteil - um Rechtsextreme, Rassisten, Neonazis und bekennende Nationalsozialisten gehandelt hat? Ich will doch die Sicherheit in diesem Land nicht solchen Leuten anvertrauen. Wo kämen wir denn da hin?

Sie dürfen ebenfalls nicht übersehen das konnte man sogar im Fernsehen sehen, dass Leute wie "Piatto", Tino Brandt oder "Corelli" nicht nur irgendwelche Informationen geliefert haben, sondern bei Demonstrationen und Kundgebungen auch die führenden Einpeitscher der Neonazis gewesen sind. Man konnte sehen, wie sie sich am Mikrofon aufgespielt und Leute aufgehetzt haben. Und denen wollen Sie die Sicherheit in diesem Lande anvertrauen? Das ist ein unmöglicher Gedankengang.

Jetzt komme ich zu den einzelnen Punkten. Hätte es geholfen, wenn das, was Sie jetzt vorgelegt haben, schon damals Gesetz gewesen wäre? Tino Brandt - er ist ja jetzt wieder in Haft genommen worden - hat sich gerühmt, dass er die vielen Hunderttausend Euro für die Organisation, für den "Thüringer Heimatschutz" eingesetzt hat. Wäre das durch so ein Gesetz verhindert worden? Nein! - Gegen Tino Brandt liefen 35 strafrechtliche Ermittlungsverfahren, von denen nicht ein einziges zu einem Prozess, geschweige denn zu einer Verurteilung geführt hat. Würde das jetzt anders sein? Nein! Mit diesem Gesetz schaffen Sie quasi eine gesetzliche Grundlage, um V-Leute, die während ihrer Einsatzzeit als V-Leute Straftaten begehen, dafür nicht strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Sie geben dem Staatsanwalt die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen. Was bisher halblegal, im Verborgenen passiert ist, stellen Sie jetzt auf eine gesetzliche Grundlage. Nehmen Sie "Piatto". "Piatto" war nicht nur ein wegen eines grauenhaften Mordversuches Verurteilter. Er ist trotzdem nicht nur angeworben worden, sondern ihm wurde auch noch die Möglichkeit gegeben, aus dem Gefängnis in Brandenburg heraus Neonazizeitschriften wie Der Weiße Wolf herauszugeben. Als die Gefängnisleitung eingeschritten ist, hat der Verfassungsschutz gesagt: Unser Mann muss weiterarbeiten können, (Tankred Schipanski (CDU/CSU): Das hat doch mit dem Gesetz nichts zu tun!) den holen wir weiter täglich mit dem Dienstwagen ab und fahren ihn zum nächsten Neonazitreff. Wäre so etwas ausgeschlossen, wenn Ihr Gesetz in Kraft tritt? Das wäre doch nicht ausgeschlossen, Herr Minister. Wie soll dieses Gesetz dagegen helfen? - Das ist keine Ermessensausübung, sondern das ist die Ideologie, die dahintersteht: dass die Verfassungsschutzbehörden der Meinung sind, sie stünden außerhalb des Gesetzes und sie könnten machen, was sie wollen, Hauptsache, die Quelle sprudelt. Und denen ist völlig egal, welche Quelle da sprudelt. Es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, so etwas zu ermöglichen. Deshalb kann man diesen Gesetzentwurf nur ablehnen. Er hilft nämlich überhaupt nicht gegen die Missstände, gegen die wir gemeinsam mit einschränkenden Gesetzen vorgehen wollten. Das vorliegende Gesetz ist aber kein einschränkendes Gesetz, das dieses Versagen in Zukunft verhindern würde.

Deshalb sind wir dagegen. Ich kann nur dringend an Sie appellieren: Packen Sie das, was Sie uns hier vorgelegt haben, wieder ein, und treten Sie in vernünftige Diskussionen ein! Wir haben das ja eine ganze Legislaturperiode lang nach dem Motto praktiziert: Die Gemeinsamkeit der Demokraten muss sich auch in Gesprächen über das, was man in Zukunft macht, niederschlagen und entsprechend artikuliert werden. Das ist in dem von Ihnen vorgelegten Law-and-Order-Gesetz, das völlig daneben ist, nicht der Fall.

Hier können Sie die Rede von Herrn Ströbele anschauen!

Hintergrund-Informationen finden Sie hier:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes Drucksache 18/4654

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand der Empfehlungen des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss) Drucksache 18/710

c) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Wirksame Alternativen zum nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutz schaffen Drucksache 18/4682

ZP 6) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur Drucksache 18/4690