Wahlkampf 2013

Rede im Bundestag zum Gesetzentwurf Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

17.02.2017: Rede von Hans-Christian Ströbele zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 17.02.2017 im Deutschen Bundestag. Lesen und schauen Sie hier die ganze Rede:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir sind der Auffassung, dass Vollstreckungsbeamte, aber natürlich auch Rettungskräfte, wenn sie im Interesse der Sicherheit und des Wohls der Bevölkerung im Einsatz sind, erstens Anerkennung verdienen und zweitens geschützt sein müssen - wie übrigens alle anderen gefährdeten Berufsgruppen auch. Nun haben Sie Beispiele genannt, die begründen sollen, warum wir eine gesetzliche Verschärfung brauchen, warum wir einen neuen Paragrafen brauchen. Frau Winkelmeier-Becker, ich weiß nicht, ob Sie auch einmal Strafrichterin gewesen sind. Wenn ja, dann wüssten Sie, dass die Täter aus dem Fallbeispiel, das Sie genannt haben, wenn sie erwischt werden, Freiheitsstrafen bekommen werden, die wahrscheinlich weit über einem Jahr liegen werden, und zwar auch ohne die von Ihnen geplante Vorschrift; diese gilt ja noch nicht. Das Beispiel, was Herr Dr. Harbarth gebracht hat, ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen ist, dass wegen Beleidigung zu verurteilen ist. Auch hier wird die Freiheitsstrafe, die verhängt wird, weit über einem halben Jahr liegen. Was Sie da erzählen, wenn Sie diese Beispiele bringen und sagen, dass wir eine neue gesetzliche Regelung brauchen, weil wir in solchen Fällen nicht ausreichend strafen können, das stimmt einfach nicht.

Bei keinem Ihrer Beispiele haben Sie das mal durchdekliniert. Ich weiß gar nicht, ob diese Beispiele aus dem Leben gegriffen sind. Sie, Frau Winkelmeier-Becker, haben ja einen Vorfall als Beispiel genannt, der erst kürzlich geschehen ist. Aber bei den anderen Beispielen wurde nicht klar, welche Strafen die Täter bekommen haben. Oder fantasieren Sie da nur und vermuten, dass die Täter straffrei ausgehen? Es gibt in der Tat in der Gesellschaft Berufsgruppen, die besonders gefährdet sind, insbesondere welche, die im staatlichen Dienst sind. Das sind auch Sozialarbeiter oder diejenigen, die in Bezirksämtern und Ausländerbehörden arbeiten. Wie wir gehört haben, soll Herr Amri einem Mitarbeiter einer solchen Behörde mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben; so etwas kommt dort also vor. Aber es gibt auch andere Berufsgruppen wie Bürgermeister, Ärzte und sogar Politiker, die einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind. Wollen Sie für alle diese Berufsgruppen jeweils ein gesondertes Strafrecht einführen? Das kann doch nicht Ihr Wunsch sein.

Ich sage Ihnen: Das braucht man auch nicht. Ich selber war während eines Wahlkampfes einem tätlichen Angriff - wie es im Gesetz heißt - ausgesetzt. Bekanntermaßen sind Politiker nach dem Strafrecht nicht besonders geschützt; da gibt es keinen Extraparagrafen. Der Täter, zu dessen Festnahme ich damals Gott sei Dank beitragen konnte, hat eine Freiheitsstrafe von über sechs Monaten bekommen. Die ist auch nicht zur Bewährung ausgesetzt worden, weil er wegen einer anderen Straftat schon auf Bewährung war. Das ging auch, ohne dass von Ihnen ein Paragraf eingeführt wird, der vorsieht, dass besonders gefährdete Politiker besonders geschützt werden müssen. Nein, das braucht man nicht. Das alles ist überflüssig. Die Anwendung der geltenden Gesetze reicht völlig aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nehmen Sie als Beispiel den Bürgermeister von Dresden, den man zurzeit häufiger im Fernsehen sehen kann und der über viele Gefährdungen zu berichten weiß, denen er ausgesetzt ist. Wollen Sie auch für diese Berufsgruppe ein neues Gesetz erlassen? Sie können so etwas doch nicht nur für eine Berufsgruppe machen, insbesondere dann nicht, wenn es ohnehin überflüssig ist. Wenn Sie den Polizeibeamten und den Rettungskräften Ihre Anerkennung und Wertschätzung ausdrücken wollen, dann müssen Sie das anders machen. Das geht auch nicht durch eine millionenschwere Imagekampagne; diese ist eher kontraproduktiv.

Das sage ich Ihnen. Besser helfen Sie ihnen durch eine Ausstattung, mit der sie sehr schnell Hilfe herbeirufen können. Wenn jeder Beamte über ein Funkgerät verfügt, dann kann er Hilfe herbeirufen. Eine Verbesserung wäre auch die Entlastung durch mehr Personal. Wenn Sie das viele Geld statt für die Imagekampagne für die Bezahlung der Polizei, vor allem für die Bezahlung der Überstunden, ausgeben würden, dann würden Sie, glaube ich, bei der Polizei und auch bei der Bevölkerung sehr viel mehr Verständnis finden.